Sieben Analysten beurteilen SAP Business ByDesign

27.09.2007

Andreas Zilch, Lead Advisor der Experton Group:

Andreas Zilch, Experton Group: "Konzept und Produkt sind absolut beeindruckend und treffen den Bedarf der Anwender."
Andreas Zilch, Experton Group: "Konzept und Produkt sind absolut beeindruckend und treffen den Bedarf der Anwender."
Foto: Experton Group

Das herausragende Merkmal der neuen Lösung ist neben dem Delivery Modell und der stark vereinfachten Konfiguration die starke Integration der einzelnen Bestandteile Financial Management, HR, CRM, SRM, SCM, Project Management, Compliance Management und Executive Management Support. Dabei kann der Kunde über das Portal auswählen, welche dieser Bestandteile er sofort nutzt und welche entfallen beziehungsweise später hinzugenommen werden.

Die SAP adressiert mit SAP Business ByDesign zunächst nur den selbst definierten Mittelstand von 100 bis 500 Mitarbeitern, welcher wiederum nur zirka 30 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Das Modell ist aber grundsätzlich für alle Marktsegmente interessant. SAP gibt an, mit dem Produkt einen Markt von 15 Milliarden Dollar weltweit zu adressieren. Dies erklärt sich daraus, dass damit der gesamte Business Software Markt (ERP,CRM, SCM, …), unabhängig vom Delivery-Modell (on Demand / on Premise) definiert wird. SAP gibt als Ziel für 2010 etwa 10.000 SAP Business ByDesign Kunden an, was als sehr konservative und in keinem Verhältnis zum betriebenen Aufwand stehende Zielsetzung beurteilt werden muss. Falls die Strategie von SAP tatsächlich aufgeht und das Produkt in der dargestellten Form kurzfristig verfügbar wird, sind als Ziel bis zu 20.000 neue Kunden anzusetzen, was für SAP rund eine Milliarde Dollar zusätzliches Umsatzpotential darstellt.

Mittelstand ist nicht der "Early Adopter"

Der Mittelstand ist normalerweise nicht dafür prädestiniert, neue Technologien einzusetzen, und gilt nicht als Early Adopter; gleichzeitig ist aber auch im Mittelstand ein starker Trend zu erkennen, das Hosting von SAP-Anwendungen an Outsourcer abzugeben. Hier muss SAP als Vorreiter das Vertrauen schaffen und den Beweis erbringen, dass sie in der Lage sind, den Spagat zwischen Vielfalt, Anpassung und Standard einer On-Demand bzw. SaaS Lösung zu beherrschen.

Die Partnerlandschaft ist eines der wichtigsten Erfolgskriterien für SAP Business ByDesign und damit auch ein kritischer Faktor der SAP-Strategie.

Implementierungspartner:

Der bisherige Erfolg von SAP steht in engem Zusammenhang mit der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Implementierungspartnern. Obwohl SAP mittlerweile selbst einen relativ hohen Service-Anteil hat, haben die existierenden Partner der SAP immer noch sehr gut mit den spezifischen Dienstleistungen wie Customizing und Migrationen verdient. Die Metriken werden sich beim SAP-Business-ByDesign-Modell grundsätzlich ändern, und es ist fraglich, ob und für welche Partner die neuen Dienstleistungen attraktiv sind, da der Mittelstand sehr kritisch auf die Kosten für Geschäftsprozessanalyse und kundenspezifische Anpassungen reagiert. Neben solchen kundenspezifischen Anpassungen sind auch die Release-Fähigkeit, die Integrationsmöglichkeiten und die Branchenausrichtung wichtige Themen, die noch detaillierter adressiert werden müssen.

Hosting-Partner:

Schon heute hat SAP eine Vielzahl von Hosting-Partnern, die die Felder von Basis-Hosting bis hin zu Application Lifecycle Management abdecken. Im SaaS-Modell ist das Hosting natürlich eine zentrale und besonders wichtige Komponente. Es ist zu erwarten, dass SAP das Business ByDesign Hosting – fast ausschließlich aus strategischen, nicht aus monetären Gründen – zunächst komplett selbst oder mit einem einzigen Hosting Partner imHintergrund übernimmt und erst nach der Anlaufphase an weitere Partner abgibt.

(Weitere) Vertriebs-Partner:

Diese neue Art von Partnern ist nicht wie bisher "implementierungs-getrieben", sondern vielmehr "vertriebs-getrieben" und ähnelt damit dem Reseller-Ansatz. In diesem Zusammenhang können auch z.B. Call Center und Strukturvertriebe einbezogen werden. Dies bedeutet sowohl für die Partner als auch für SAP ein vollkommen neues Vertriebsmodell.

SAP hat grundsätzlich eine extrem starke Marktstellung im globalen ERP-Markt und erreicht bei bestehenden Kunden des oberen Mittelstandes und bei Großkunden auch sehr hohe Zufriedenheitswerte. Das Konzept bzw. das Produkt SAP Business ByDesign ist faszinierend und adressiert einen aktuellen Bedarf der mittelständischen Anwender an einer hoch integrierten, einfach zu implementierenden und kostengünstigen Business Software. Das On-Demand-Modell ist dabei eine logische Lieferplattform. Im Mittelstandsmarkt (unterhalb der erfolgreichen SAP Business All-in-One (A1) Lösung) müssen aber alle bisherigen SAP-Initiativen im Ergebnis als gescheitert angesehen werden, obwohl sich SAP weiterhin standhaft als "SME Market Leader" bezeichnet. Mit Business-One (B1) wurde versucht, mit einem vergleichbaren Produkt den etablierten Anbietern in diesem Markt (Sage, Microsoft Dynamics NAV, aber auch viele kleinere, lokale ERP-Anbieter) entgegenzutreten. Hier fehlten aber insbesondere ein branchenspezifisches Lösungsangebot und auch eine schlagkräftige Partner-Basis. Daher ist die Strategie von SAP, dem Mittelstandsmarkt mit einem völlig neuen Konzept anzugehen, auch nahe liegend. Dabei bleiben aber einige Fragen offen und Herausforderungen bestehen:

Der Anwenderbedarf im Mittelstand unterteilt sich in einen horizontal und vertikal orientierten Markt. Einige Branchensegmente benötigen eine eher allgemeine ERP-Software (und haben eine solche bisher zum Teil auch noch gar nicht im Einsatz), andere Segmente sind bis auf Micro-Vertical-Ebene stark spezialisiert. In den stark spezialisierten Branchensegmenten muss damit auch die ERP-Lösung stark spezialisiert sein, was bei einer Neuentwicklung natürlich noch nicht gegeben ist. Der SAP-Ansatz, solche spezifischen Funktionalitäten über "Services" nach und nach bereitzustellen, ist zwar richtig, braucht aber viel Zeit. Es bleibt auch offen, wer die Entwicklung dieser Services stark vorantreibt.

Übergreifend haben die Anwender Bedarf an einer gewissen Art von Customizing und zumindest an einer soliden Übernahme der Bestandsdaten und bestehenden Systeme. Wie dies in einer ERP-SaaS-Lösung, natürlich mit Partnern, gewährleistet wird, ist noch relativ unklar.

Kämpft SAP noch mit Problemen?

Die tatsächliche Verfügbarkeit von SAP Business ByDesign für den Gesamtmarkt ist weiterhin offen. Die Antwort von SAP, hier noch auf akzeptable "Profit Schemes" zu warten, ist unbefriedigend. Vielmehr steht wohl dahinter, dass einige technische Probleme (vor allem bezüglich der Skalierbarkeit) noch nicht gelöst sind und insbesondere die Partner- und Vertriebs-Strategie noch nicht steht.

Das SAP Business ByDesign Announcement ist in erster Linie aus strategischer Sicht für SAP und den gesamten Business Software Markt zu beurteilen. SAP investiert hier massiv in einen stark wachsenden Zukunftsmarkt, ohne dass kurzfristig (2008/2009) wirklich signifikante Umsatzanteile aus der Gesamtsicht der SAP zu erzielen sind. Die Erfolge werden sich daher weniger in 2007/2008, sondern erst ab 2009 zeigen. Das Besondere an der Initiative ist, dass der Marktführer die Rolle des Innovators und damit des "Market Makers" übernimmt. Sollte SAP damit Erfolg haben, wird dies im Software-Markt zu einem Paradigmenwechsel führen und SAP einen deutlichen Zeitvorsprung und damit signifikante, nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Bis dahin muss SAP aber noch einige Herausforderungen meistern; hierzu gehören insbesondere das Customizing/Vertikalisierung und die Partner-/Vertriebs-Strategie. Auch muss SAP die Ziele langfristig verfolgen, massiv investieren und sich nicht durch eventuelle Verzögerungen oder vermeintliche Misserfolge irritieren lassen. SAP hat zwar beim Wechsel von R/2 auf R/3 schon einmal einen Paradigmenwechsel (insbesondere bzgl. der Kunden- und Partnerbasis) erfolgreich durchgezogen, bei der SAP Business ByDesign Initiative handelt es sich aber um eine ungleich größere Herausforderung.

Konzept und Produkt sind absolut beeindruckend und treffen den Bedarf der Anwender. Damit wird sich dieses Konzept zumindest mittelfristig durchsetzen und einen Paradigmenwechsel im Segment der Business Software einläuten. Enttäuschend ist allerdings, dass SAP bei einem solch großen Announcement keine festen Verfügbarkeitsdaten nennen kann; hier zeigt sich die noch immer bestehende Verunsicherung innerhalb von SAP. Wenn SAP aber die noch notwendigen Schritte konsequent durchsetzt, werden die Wettbewerber in diesem Markt massiv unter Druck geraten.