Sie macht Karriere, er macht Karriere

24.11.1989

Dr. Hubert Metz Personaldirektion, Leiter Personal- und Sozialwesen, Burda GmbH, München

Den Kennern ist es seit vielen Jahren klar: Die immer stärkere berufliche Qualifizierung von Frauen und der immer stärkere Karrierewunsch mancher Frauen schaffen immer mehr Zweierbeziehungen oder Ehen oder Familien, in denen beide Partner nicht nur berufstätig, sondern karriereorientiert berufstätig sein wollen. Die Angelsachsen nennen solche Beziehungen seit Jahren "Dual Carreer Couples" (DCCs).

Diese Lebensform gewinnt nicht nur in den angelsächsischen Staaten, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung. Denn bei uns nimmt einerseits die Zahl der hochqualifizierten Frauen zu, die als Fach- und Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung tätig sind beziehungsweise eine solche Position anstreben. Andererseits gehen immer mehr karriereorientierte Männer eine Verbindung mit Frauen ein, die ebenfalls eine berufliche Weiterentwicklung anstreben. Damit sind die Auswirkungen dieses Lebensstils nicht nur für die Betroffenen von persönlicher Bedeutung, sondern rücken ins Blickfeld von Unternehmen und Politik.

Die berufliche Entwicklung dieser Paare ist voll typischen Besonderheiten gekennzeichnet, die Unternehmen im Rahmen ihrer Personalarbeit wissen und berücksichtigen müssen. Daß dieses nicht nur kommende, sondern bereits vorhandene Problem in den meisten Unternehmen noch nicht gesehen wird, beweist einmal mehr, wie weit die

Personalarbeit in bundesdeutschen Unternehmen noch hinter den Ereignissen herhinkt.

Bisher geht der traditionelle Ansatz zur Laufbahnentwicklung bei Fach- und Führungskräften eher davon aus, daß nur ein Partner, in der Regel der Mann, beruflich "Karriere macht".

Seine Frau wird bei Laufbahnüberlegungen häufig als eine Person im Hintergrund angesehen, die die berufliche Entwicklung des Mannes mehr oder weniger aktiv unterstützt und selbst dabei nicht oder kaum berufstätig ist. In der Regel jedenfalls strebt sie selbst keine berufliche Karriere an.

Demgegenüber stellt sich für DCCs die berufliche Laufbahn charakteristischerweise anders dar: Hier haben beide Partner ein großes Interesse an der eigenen beruflichen Weiterentwicklung.

Für DCCs haben Entscheidungen über die berufliche Laufbahn des einen auch immer Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn des anderen. Konflikte treten hier also nicht nur zwischen den Ansprüchen der beruflichen Kariere und denen des Familienlebens auf, sondern auch, zwischen denen der beiden Karrieren.

Die soziale Phantasielosigkeit der Personalarbeit in bundesdeutschen Unternehmen hat bisher nicht erkannt, daß solche DCC-Partner nicht nur Probleme, mit sich bringen, sondern auch eine ganze Reihe von Vorteilen: zum Beispiel das Konkurenzdenken zwischen den Partnern und die daraus resultierende hohe Leistungsmotivation oder eine gegenseitige Förderung im beruflichen Bereich.

Untersuchungen haben ergeben, daß bei der Frage nach den Problemen, die DCCs üblicherweise im Berufsleben erwarten müssen, die Mobilitäts- und Standortprobleme an erster Stelle stehen.

Speziell auf die Frage nach zeitlichen Abstimmungs-Problemen, mit denen alle DCCs konfrontiert sind, werden sowohl Problembereiche genannt, die die allgemeine Laufbahnentwicklung von DCCs betreffen, als auch solche, die typische Alltagsprobleme berühren. Dabei stellt die Organisation des gemeinsamen Lebens an erster Stelle.

Als ebenfalls stark die Laufbahnentwicklung betreffende Entscheidung werden dann die Wahl des Zeitpunkts für einen Arbeitsplatzwechsel und das Problem der gemeinsamen Freizeit beschrieben. Diese zunehmenden Probleme sind ein erneuter Beweis für die Notwendigkeit von mehr Arbeitszeitflexibilisierung beziehungsweise Teilzeitbeschäftigung.

Die meisten Unternehmen verschließen heute noch die Augen vor solchen Problemen ihrer Mitarbeiter und überlassen die DCCs ihrem Schicksal. Dies führt zwangsläufig zu Verlust von Lebensqualität und zu Demotivation.

Da die Zahl der DCC-Partner in Unternehmen in den nächsten Jahren noch weiter anwachsen wird, ist es an der Zeit, DCC-bezogene personalwirtschaftliche Maßnahmen zu entwickeln. Das trifft natürlich in besonderem Maße heute schon auf Unternehmen zu, die sonstige Wettbewerbsnachteile auf dem Arbeitsmarkt (wie zum Beispiel Standort oder Branche) kompensieren müssen.

Wenn Unternehmen erfolgreich DCC-Partner als Mitarbeiter gewinnen und einsetzen möchten, müssen betriebliche Planung und konkrete Maßnahmen bei der Laufbahnentwicklung die DCC-Besonderheiten berücksichtigen.

1.Mobilitätspolitik

Versetzungen mit regionaler Mobilität sind für DCCs fast immer- ein Problem, denn der DCC-Partner müßte am neuen Wohnort ebenfalls eine Position mit adäquaten Karrieremöglichkeiten finden können.

Flexiblere oder großzügigere Trennungsregelungen können allzu große Härten im finanziellen wie im privaten Bereich verhindern. Ob das Mobilitätsangebot zeitlich verschoben oder ob sogar ein anderes Angebot gemacht werden kann, das für den Partner des DCC-Mitarbeiters berufliche Vorteile mitbringen würde, wäre unter Umständen ebenfalls zu prüfen. Eine umfassende Mobilitätspolitik kann darüber hinaus Hilfestellung bei der Arbeitssuche des DCC-Partners in der neuen Region vorsehen. Bei Unternehmenswechseln, die mit einem Wohnortwechsel verbunden sind, gelten die entsprechenden Überlegungen für den neuen Arbeitgeber.

2. Aktive DCC-Einstellpolitik

In denjenigen Fällen, in denen beide DCC-Partner im selben Unternehmen beschäftigt sind, kann durch lockere Formen der sogenannten Nepotismus-Regelung verhindert werden, daß zum Beispiel Unterstellungsbeziehungen zwischen den DCC-Partnern oder Kontrollfunktion des einen Partners für den Aufgabenbereich des anderen Partners auftreten. Unternehmensübergreifende Aktivitäten bei der Beschäftigung und Laufbahnentwicklung von DCCS, wie bislang überwiegend bei regionaler Mobilität berichtet, finden ihre Grenzen da, wo zum Beispiel Konkurrenzbeziehungen zwischen den Unternehmen die Beschäftigung des DCC-Partners ausschließen.

3. Wiedereingliederungspolitik

Um DCCs trotz vorübergehender Ausstiege (zum Beispiel in Familienpausen) längerfristig an das Unternehmen zu binden, können in den Zeiten der Nichtbeschäftigung Maßnahmen zur Beibehaltung von Kontakten (zum Beispiel durch Firmenzeitschriften, Einladungen zu betrieblichen Veranstaltungen, Seminarangebote, vorübergehende Reduktion der Arbeitszeit, Einsatz zu besonderen Anlässen wie Messen, Hauptsaison, Urlaubsvertretung) bis hin zu Wiedereingliederungsmöglichkeiten überlegt werden.

4. Arbeitszeitflexibilisierung

Hier reichen die Möglichkeiten von gleitender Arbeitszeit über jahresarbeitsmodelle, in denen Zeitguthaben auch über größere Zeiträume kumuliert werden können, bis hin zu Teilzeitmodellen.

5. Betriebliche Karriereberatung

Eine systematische übergreifende Laufbahnberatung von DCCs durch das Personal- und Sozialwesen des Unternehmens ist prinzipiell eine vorgelagerte Strategie, DCC-Probleme zu vermeiden oder doch zu mindern - für das Unternehmen und für die DCCs.

6. Umfeldmaßnahmen

In Deutschland bislang kaum diskutiert sind betriebliche Maßnahmen wie Kindertagesstätten oder Kindergärten, die dem familiären Umfeld der DCCs zugutekommen. Wenn im Unternehmen damit auch neue Arbeitskräfte bei anderen Mitarbeitergruppen erschlossen werden können, wird das Interesse des Unternehmens an solchen Maßnahmen weiter ansteigen.

Wollen Unternehmen die wirtschaftlichen Herausforderungen

und gesellschaftlichen Entwicklungen der nächsten Jahre auch personalpolitisch bewältigen, muß ein Klima der Offenheit und Toleranz für verschiedene Lebensformen karriereorientierter Mitarbeiter geschaffen

werden.

Nur eine solche (auch) DCC-orientierte Personalpolitik wird mittelfristig auf die gleichbleibende bis steigende Nachfrage der Unternehmen gerade nach (hoch-)qualifizierten Mitarbeitern reagieren können. Und damit können auch die - hoffentlich nicht nur verbal formulierten - Bestrebungen von Unternehmen nach einer tatsächlichen Gleichbehandlung und Förderung von Frauen als Fach- und Führungskräfte realisiert werden.

Es wird heute sicherlich nicht zu Unrecht sehr viel gesprochen über Frauenförderungspläne und Frauenquoten in Unternehmen, Parteien und anderen Organisationen. Dabei wird allzu häufig übersehen, daß Männer und Frauen nicht nur allein leben.

Trotz des immer wieder beschriebenen Wertewandels, gibt es heute noch genügend junge Leute, die hinreichend karrierewillig und -bewußt sind. Da Unternehmen von diesen Mitarbeitern und nicht von den Aussteigern leben, sollten sie hier endlich mehr Phantasie, Kreativität und auch Bereitschaft zum Umdenken und Handeln beweisen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Nicht irrationale Vorurteile und Bequemlichkeit, sondern Phantasie und engagiertes Handeln werden der betrieblichen Personalarbeit hier in Zukunft weiterhelfen.