Neue Arbeitswelt

Shared Desks gegen zu viel Routine

19.02.2015
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Die Arbeitswelt von morgen ist weniger von Routinearbeiten geprägt, sondern dynamischer und digitaler. Wie eine flexible Büroorganisation aussehen kann, die dem neuen Anspruch gerecht wird, zeigt das Beispiel Drees & Sommer.

Am Anfang waren die Mitarbeiter bei Drees & Sommer skeptisch. Keine eigenen Schreibtische, immer neue Sitznachbarn und möglichst kein Papier mehr? Und wie findet man da noch seine Ansprechpartner? Der Arbeitsplatzumbau bei der im Bau- und Immobiliensektor tätigen Unternehmensberatung begann vor vier Jahren aus einem Grund: "Wir mussten an unserem Stuttgarter Standort mehr Mitarbeiter auf 2800 Quadratmetern Bürofläche unterbringen, hatten aber nicht ausreichend Räumlichkeiten", erzählt Uwe Tyralla, Architekt und Senior Projektpartner bei Drees & Sommer. Man entschloss sich zu einem internen Umbau, um die Kapazität von 100 Tischen auf 130 Arbeitsplätze zu erhöhen, an denen aber mehr als 160 Mitarbeiter Platz finden müssen. Möglich macht dies ein Desksharing-Konzept, das eine Besonderheit des Unternehmens berücksichtigt: Montags und freitags sind viele Mitarbeiter im Haus, an den anderen Tagen sind sie oft beim Kunden vor Ort. Für alle trotzdem jeden Tag einen eigenen Arbeitsplatz vorzuhalten, wäre nicht sinnvoll. Als weiteren Grund für den Umbau nennt der Architekt die bessere Lebensqualität: "Im Ringen um die Fachkräfte müssen wir unseren Angestellten ein Umfeld bieten, in dem sie sich wohlfühlen." So seien sie leistungsbereiter und fühlten sich stärker an das Unternehmen gebunden.

Wie werden wir in Zukunft arbeiten?

Eine neue Büroorganisation musste her, die an die Flexibilität und an die neue Arbeitsweise angepasst ist. So war anfangs nur klar, dass die Büroräume neu gestaltet werden sollten. Es folgten Monate der Selbstanalyse ("Wie arbeiten wir?"), Gespräche mit Arbeitsorganisationsexperten des Fraunhofer-Instituts ("Wie werden wir in Zukunft arbeiten?") und vor allem viel Kommunikation mit denjenigen, die später die Konsequenzen tragen: den Mitarbeitern. So schälte sich das Ziel des Gebäudeumbaus heraus: Die einzelnen Unternehmensbereiche sollten intensiver zusammenarbeiten, der Austausch zwischen den Mitarbeitern und Teams sollte kreativer werden.

Zentraler Bestandteil des neuen Arbeitsplatzkonzepts ist das Desksharing. Wenn der Mitarbeiter morgens ins Büro kommt, hat er keinen festen Arbeitsplatz, sondern einen Spind, in dem seine Arbeitsunterlagen und persönliche Gegenstände liegen. "Man sucht sich einen Platz irgendwo im Haus, an dem man gern arbeiten möchte, meldet sich mit einer Kennung im Telefon an und stöpselt den eigenen Laptop an die beiden Bildschirme an", erklärt Tyralla. Das heißt aber auch, dass jeder Mitarbeiter jeden Abend seinen Platz aufräumt, seine Ordner mitnimmt und in seinen Spind zurückstellt. Viele persönliche Sachen gibt es daher nicht mehr auf den Tischen.

Viele Mitarbeiter haben zwar einen Lieblingsplatz, aber das Unternehmen hält die Kollegen dazu an, auch mal zu wechseln. Vor allem die verschiedenen Leistungsbereiche sollen verstärkt miteinander in Kontakt treten: Damit Projekt-Manager, Ingenieure und Berater gut zusammenarbeiten können, müssen sie die Art der Kommunikation, die Arbeitsweise und den Tagesablauf der anderen kennen. Wer nebeneinandersitzt, tauscht sich aus und arbeitet besser interdisziplinär zusammen, einfach weil man sich gegenseitig kennt und einem die Anforderungen des anderen geläufig sind.

Für Teamarbeit gibt es spezielle schallgedämmte Besprechungsräume, und wer konzentriert an seinem Projekt feilen oder telefonieren muss, der kann sich auf einen Einzelplatz zurückziehen. Isoliert ist er deswegen nicht, denn überall sind Glaswände oder lärmgeschützte und halboffene Arbeitsplätze. Aber wie sich herausgestellt hat, sitzen viele Mitarbeiter ohnehin lieber im offenen Bereich mit anderen Kollegen zusammen. Einzig die Assistenzen haben einen festen Sitzplatz im Gebäude, alle anderen, selbst die Geschäftsführer, sind Arbeitsnomaden. Um ein Drittel hat sich so die Zahl der Arbeitsplätze erhöht. Das spart Fläche und Energie.

IT-Infrastruktur musste angepasst werden

Die neue Arbeitsweise erfordert eine ganz andere IT-Infrastruktur. "Wir waren von Anfang an in der Entwicklung dabei und haben eigene Konzepte eingebracht", sagt CIO Peter Meyerhans. Weil kein Mitarbeiter mehr seinen eigenen festen Arbeitsplatz hat, muss er übers Intranet schnell zu finden sein, denn nicht immer ist Zeit, das ganze Bürogebäude nach ihm abzusuchen. Egal, wo man sich am PC anmeldet, im Profil im hausinternen Intranet wird sofort angezeigt, an welchem Platz man sitzt. Die Telefonnummer bleibt dagegen dieselbe. "Abends wird dann die Verbindung automatisch getrennt, so dass nicht ein Mitarbeiter an zwei Plätzen angemeldet ist, wenn er vergisst, sich auszuloggen", erklärt Meyerhans.

Diese Flexibilität bringt noch etwas mit sich: das papierlose Büro. Sich von Dokumenten zum Anfassen zu trennen, erschien einigen Mitarbeitern anfangs unmöglich. Einige physische Ordner mit Rechnungen und Verträgen muss es zwar geben, aber wie sich herausstellte, ist alles andere überflüssig. "Jeder kann auf die virtuellen Dokumente zugreifen. Das ermöglicht eine gute Zusammenarbeit", sagt CIO Meyerhans. Voraussetzung ist allerdings, dass jeder die Dokumente genau beschriftet.

Dass das Bürokonzept funktioniert, dafür sorgt auch das Herzstück des neuen Gebäudes, die Marketplace-Cafeteria. Hier können sich die Mitarbeiter zu zweit oder in größeren Gruppen treffen, zu einem Standup-Meeting zusammenkommen, in kleineren Nischen in Klausur gehen oder nach Feierabend Fußball gucken. Auch eine Theke mit Kaffeebar und Sofas gibt es. Unterteilt in Zonen mit verschieden designten Sitzgelegenheiten, Lichtelementen und Tischen - jeder weiß sofort, welche Zone welchem Zweck dient. Dieses gemütliche Miteinander findet großen Anklang. "Wir haben diese Idee sofort für unser IT-Gebäude übernommen", erzählt CIO Meyerhans. "Ein schöner Raum, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert den Austausch."

Nach kurzer Zeit waren die Mitarbeiter vom Konzept überzeugt, die anfängliche Skepsis war verflogen. Es hat sich herumgesprochen, wie angenehm das Arbeiten geworden ist, jetzt wollen andere Standorte von Drees & Sommer nachziehen. (kf)