Services ergänzen Geldautomaten

Services ergänzen Geldautomaten

04.12.2007
Ursprünglich ein reiner Geldautomaten- und Kassensystemhersteller, bietet die Paderborner Wincor Nixdorf AG Banken verstärkt Outsourcing-Dienstleistungen und Managed Services an. Jens Bohlen, Senior Vice President bei Wincor Nixdorf verantwortlich für das weltweite IT-Services-Geschäft mit Banken und Handelsunternehmen, über die Ziele des Unternehmens, den Finanzkunden auf immer mehr Gebieten behilflich zu sein.

COMPUTERWOCHE: Wincor Nixdorf wandelt sich von einem Lieferanten insbesondere von Hardware, wie Geldautomaten, zu einem IT-Dienstleister, der Banken und Handelsunternehmen komplette Prozesse abnimmt. Wie kam dieser Wandel zustande?

Jens Bohlen: Wir sehen für unser Wachstum neben dem Produktgeschäft interessante Möglichkeiten in dem Bereich Software und Services. Das Produktgeschäft ist nach wie vor eine wichtige Säule von uns. Dass die Kunden zu den Produkten auch den Service wie Beratung und Support dazu bekommen können, ist aber eine absolute Notwendigkeit. Viele Kunden haben uns gefragt, ob wir nicht die von uns aufgebaute Infrastruktur auch betreiben können. Seit rund vier Jahren ist das für uns ein wichtiges Thema. Wir wollen heute die Hälfte unseres Umsatzes in dem Bereich Software/Services erwirtschaften. Wir haben dazu die drei Säulen Product Support, Managed Services und Outsourcing aufgebaut und konnten dafür wichtige Pilotkunden unter anderem in Deutschland, Großbritannien und Holland gewinnen.

Wie unterscheiden Sie Managed Services und Outsourcing?

Unter Managed Services verstehen wir eher standardisierte Dienstleistungen, auch selektives Outsourcing oder Outtasking genannt. Bei Outsourcing geht es um die wirklich großen Business-Transaktionen. Hier geht es nicht mehr nur um Technologie, sondern darum, den Kunden bei einer Business-Transformation zu unterstützen. Im Outsourcing-Umfeld kümmern wir uns über die IT-Themen hinaus um Themen im Bereich Business Process Outsourcing, etwa beim Bargeld-Management in Filialen und SB-Netzwerken bis hin zum Payment- und Transaction Processing, wo wir für die Kunden Transaktions-Switche betreiben.

Sie wollen in der Wertschöpfungskette weiter nach oben klettern?

Ja, wir kommen dadurch in der Kundenhierarchie eine Ebene höher. Wir kommen näher an die strategischen Themen des Kunden heran und können dadurch eine kontinuierlichere Kundenbeziehung eingehen. Der Produktverkauf ist ja eher ein Einmal-Thema. Zwar kommt regelmäßig ein Refresh, aber durch einen Vertrag im Bereich Managed Services oder Outsourcing schaffen wir eine andere Intimität zum Kunden. Wir verstehen sehr genau, was ihn drückt, lernen dadurch auch, wie unsere Produkte eingesetzt werden und können das Feedback zurück in die Entwicklung geben.

Was waren die Voraussetzungen dafür, damit anzufangen?

Wincor Nixdorf ist ja in dieser Form eine relativ junge Firma. Vor sieben Jahren standen wir vor der Aufgabe, eine Service-Organisation aus der Wiege zu heben. Man war zunächst damit beschäftigt, sich selbst zu finden und als Basis das Produktsupportgeschäft aufzubauen sowie die dafür nötigen Prozesse und Strukturen. Am Anfang waren es nur etwa hundert Angestellte, heute gibt es in der Service-Organisation weltweit 3500 Mitarbeiter. Man hat dann bald erkannt, dass die Kunden bereit sind, mehr mit uns zumachen. Neben der globalen Expansion und der Gründung von weiteren Länderorganisationen liegt jetzt unser Fokus darauf, die Managed Services- und Outsourcing-Ressourcen auszubauen.

Gibt es Unterschiede zwischen den Ländern, die Sie erwähnt haben?

Ja, während in Deutschland sehr stark das Thema Filial-IT-Outsourcing ein Thema ist, war in Großbritannien das Outsourcing von großen ATM-Netzwerken und das Transaction Processing wichtig. Aus Holland kam das Thema Cash Cycle Management, also die Optimierung und Steuerung des Bargeldkreislaufs in den Filialen unserer Kunden.

Sie haben mit der Portavis GmbH ein Joint-venture mit der Hamburger Sparkasse und der Sparkasse Bremen. Wie zufrieden sind Sie damit?

Das läuft sehr gut, wir sind sehr zufrieden. Es ist eine ganz besondere Form der Zusammenarbeit und der strategischen Abgrenzung: Wer verhält sich als Kunde, wer als Anbieter? Wir haben eine Menge gelernt, und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, denn es gibt einen großen Gleichklang in den Zielrichtungen. Neben den beiden Ursprungsfirmen haben wir mit der HSH Nordbank einen großen neuen Kunden und einen weiteren kleineren Kunden, gewinnen können. Für uns ist das ein Referenzmodell für ähnliche Aktivitäten in Deutschland – und vielleicht auch im Ausland. Es ist auch ein interessantes Model für Themen wie Mitarbeiterüberlassung und –übernahmen und die Bestandssicherung von Mitarbeitern im öffentlich-rechtlichen Umfeld. Gerade in den nicht IT-bezogenen Aspekten haben wir hier viele Erfahrung gesammelt.

Machen Sie da den Sparkassen-Gesellschaften nicht Konkurrenz?

Der Fokus liegt dort mehr auf den zentralen Systemen, etwa der Kernbankenplattform und anderen grundlegenden Themen. Daneben gibt es aber auch noch ein großes Feld der dezentralen IT, nicht nur PC-Betreuung, Helpdesk und Betreuung der kompletten Filial-IT-Systeme mit der SB-Landschaft, sondern auch die dezentralen Server-Anbindungen, die nicht standardisiert sind. Da stecken auch Kundenbindungssysteme mit Lotus Notes- und SAP-Anwendungen dahinter. Viele Sparkassen suchen sich einen Anbieter, der sie bei den nicht zentralen, nicht hochgradig standardisierten Applikationen und Infrastrukturen unterstützen kann. Im Vergleich zur „Finanz IT“, zur „Sparkassen Informatik“ oder „Fiducia“ gibt es große Unterschiede. Wir sind deswegen nicht deren Hauptwettbewerber. Vielmehr sehen wir uns als komplementären Anbieter im Markt. Wir sind eher dezentral orientiert, die anderen ziehen ihre Stärke aus der Standardisierung der Kernbankensysteme, die sie dann vielen Instituten effizient zur Verfügung stellen.

Was sind die größten Hemmnisse der Banken-IT?

Es sind sehr heterogene Applikationslandschaften vorhanden. Die End-to-End-Integration von IT-Umgebungen stellt die Institute vor große Herausforderungen. Es gibt viele Altsysteme, die sich nicht einfach in die neuen Landschaften integrieren lassen, die aber viele Ressourcen und Geld binden, die dann wiederum nicht mehr für Innovationen zur Verfügung stehen. Es geht stets um die Integration der Applikationen und der verschiedenen Infrastrukturen. Um Integration, die notwendig ist, um die Kosten zu senken. Und es geht darum, für die Post-Merger-Integration gewappnet zu sein. Es gibt ja viel Bewegung in der Bankenlandschaft, getrieben vor allem aus dem Ausland.

Was sind die Trends in der Banken-IT? Noch mehr Automatisierung?

Der Schritt zur Automatisierung an der Vertriebsschnittstelle wird weiter gehen. Dabei geht es um die Implementierung von Mehrkanal-Architekturen, wo die Kunden verschiedene Möglichkeiten erhalten, mit der Bank in Kontakt zu treten. Diese müssen intelligent an die Kernbankensysteme angebunden werden. Der Vertrieb muss die Möglichkeit haben, auf die kompletten Daten des Kunden zugreifen zu können. Wenn jemand eine Bank betritt, muss der Mitarbeiter schnell erkennen, dass ist ein potenzieller Kunde für ein bestimmtes Produkt. Die intelligente Vertriebssteuerung zur Unterstützung des Mitarbeiters durch intelligente CRM-Systeme ist ein Trend. Die Erneuerung der Filialstrukturen und die Kostenreduzierung durch Standardisierung und Outsourcing sind sicherlich weitere wichtige Trends. Der Grad der Eigen-Wertschöpfung ist bei Banken sehr hoch und mit erhöhten Kosten verbunden. Security ist ein weiteres großes Thema, angefangen beim PIN-Schutz am Automaten bis hin zum Virenschutz bei Netzwerken und am Arbeitsplatz. Viele Banken denken über das Thema Customer Experience nach und haben inzwischen sogar eigene Beauftragte dafür. Dabei geht es darum, das Erlebnis des Kunden zur Bank zu optimieren und sich dadurch vom Wettbewerb zu unterscheiden. Das geht natürlich nur durch den Einsatz moderner Technologien.

Was wünschen Sie sich von den Banken?

Ein bisschen mehr Mut zum Thema Outsourcing und ein bisschen mehr Vertrauen in die Anbieter. Das Thema braucht ja gewisse Zeit, bis beide Seiten Erfahrungen gewonnen haben. Ich wünsche mir auch, dass man sich gemeinsam überlegt, wie man durch standardisiertere Lösungen noch mehr Effizienz und Flexibilität in den Markt hinein bringen und dadurch eine Lernkurve umgehen kann, die in anderen Industrien nicht immer einfach war.

Jens Bohlen, Senior Vice President Global Services Division, Wincor Nixdorf