Intelligente Netze ermöglichen diverse Routingvarianten

Servicerufnummern polieren das Image von Firmen auf

06.08.1999
CW-Bericht, Sabine Ranft MÜNCHEN - Servicenummern bieten einige Vorteile: Sie sorgen für einen besseren Draht zum Kunden und ermöglichen vielfältige Routing-Varianten. Deswegen setzen immer mehr Firmen auf die Nummern mit der speziellen Tarifierung. Technisch basieren sie auf sogenannten Intelligenten Netzen (IN).

Mehr Anrufer. Eine stärkere Kundenbindung. Intelligentere Routing-Möglichkeiten. Dies alles versprechen Servicerufnummern. Ein Beispiel hierfür ist die AOK, die ihren Versicherten ein Beschwerdetelefon zum Ortstarif anbietet. Über die neue Hotline ist die Krankenkasse nun bundeseinheitlich unter einer Nummer erreichbar. In diesem Fall erhofft sich die AOK wohl eine bessere Kundenbindung - daß sich mehr Leute beschweren, ist eher nicht zu erwarten.

Für andere Anwender stehen die intelligenten Routing-Möglichkeiten im Vordergrund: Mit Service-Rufnummern lassen sich beispielsweise verteilte Call-Center einfacher realisieren. Wenn alle Mitarbeiter eines Anrufzentrums beschäftigt sind, wird der nächste Ruf an die gleiche Nummer zu einem anderen Call-Center weitergeleitet. Die Vermittlung kann abhängig von der Tageszeit erfolgen, etwa zwischen acht und 20 Uhr nach Hamburg und in der Nacht nach New York. Mit normalen Rufnummern dagegen ließe sich das höchstens mit einer Anrufweiterschaltung verwirklichen. Dann würden aber immer zwei Gespräche aufgebaut.

Technisch basiert dieser Vorteil von Service-Telefonnummern darauf, daß diese über ein Intelligentes Netz (IN) realisiert werden. Bei einem normalen Gespräch erkennt die nächstgelegene Vermittlungsstelle der Telefongesellschaft an der Vorwahl (zum Beispiel 089 für München), wohin geroutet werden soll. Am Zielort landet das Telefonat wieder auf einem Vermittlungsrechner, der es dem Adressaten weiterleitet.

Bei einer Servicerufnummer dagegen merkt bereits die erste Vermittlungsstelle, daß es sich um eine intelligente Telefonnummer handelt. Sie fragt dann in einer Datenbank ab, was mit dem Anruf geschehen soll, und transportiert ihn entsprechend weiter. Außer zeitabhängig läßt sich ein Gespräch auch herkunftsabhängig routen, zum Beispiel nach Bundesländern. Wer sich schon einmal gewundert hat, wieso er unter einer bundesweiten Rufnummer immer in seinem Heimatdialekt begrüßt wird, kennt nun des Rätsels Lösung. Ebenso erlauben INs die Festsetzung einer maximalen Anzahl von Gesprächen, die durchgelassen werden sollen, damit das Netz nicht überlastet und womöglich blockiert wird.

Um eine Servicerufnummer zu erhalten, gibt es unterschiedliche Wege. Zum einen bekommen die Netzbetreiber in der Regel ein Kontingent von der Regulierungsbehörde zugeteilt und können damit kurzfristig eine Verbindung schalten. Die Firma, an die eine solche Nummer vergeben wurde, erhält automatisch einen Anspruch auf die Rufnummer, wenn sie sie eine gewisse Zeit genutzt hat. Das Unternehmen hat dann sogar das Recht, diese Nummer zu einem anderen Netzbetreiber mitzunehmen. Der Wechsel zu einem neuen Betreiber ist innerhalb weniger Tage möglich.

Es genügt eine Anmeldung beim neuen Carrier; der Vorgänger erfährt die Änderung über eine zentrale und für alle Netzbetreiber zugängliche Datenbank.

Die Anmeldung gestaltet sich bei jedem Carrier unterschiedlich. Einige erledigen das über ein Formular, bei anderen ist eine Anmeldung über das Internet oder eine Hotline mit PIN möglich. Wer keine Nummer aus dem Pool des Netzbetreibers haben möchte, kann seine Wunsch-Nummer bei der Regulierungsbehörde selbst beantragen. Dies gilt insbesondere für Vanity-Kombinationen. Vanity-Rufnummern stellen einfach zu merkende Buchstabenkombinationen dar (zum Beispiel 0800/FIRMENNAME). Sie sind nicht an eine spezielle Vorwahl gebunden.

Bei der Wahl eines Carriers sollten Anwender auf unterschiedliche Preise und Serviceleistungen achten. Die Verbindungspreise für 0800/0130, 0180x und die Auszahlung an den Nummerninhaber bei Premium-Rate-Diensten fallen je nach Anbieter verschieden aus. Ob für die Einrichtung der Nummer einmal oder jeden Monat Gebühren erhoben werden und für welchen Zeittakt die Telefontarife gelten, beeinflußt die Gesamtkosten ebenfalls. Bedenken sollten Interessenten außerdem sogenannte versteckte Kosten. Jede Zusatzleistung wie Änderungen der Routingpläne, Ansagen oder die Leitung eines Gesprächs ins Ausland bedeutet in der Regel einen Aufpreis.

Neben dem Preis spielen Services in diesem Markt eine große Rolle. Bei einigen Anbietern können Kunden im Internet Statistiken über die Nutzung ihrer Nummer abrufen oder Routing-Pläne ändern. Ein weiteres Entscheidungskriterium ist die Bereitstellungszeit. Sie beträgt nach Angaben von Gerd Eickers, der Geschäftsführer des Service-Rufnummern-Anbieters QSC aus Köln ist, je nach Anbieter zwischen fünf Minuten und fünf Tagen. Darüber hinaus haben verschiedene Netzbetreiber eigene, auf spezielle Zielgruppen zugeschnittene Servicepakete entwickelt. So bietet die Deutsche Telefon- und Marketing Services GmbH (dtms) aus Mainz Gewinnspielpakete an. Neben Spezialisten wie dtms und QSC haben natürlich auch Vollsortimenter wie die Deutsche Telekom oder Mannesmann Arcor solche Nummern im Programm. Selbst Citycarrier zeigen daran Interesse.

Ein Schlaglicht auf die Zukunft wirft ein Blick in die USA. Wie Jörg Kühnapfel, Mitbegründer von dtms, erläutert, gehen in Deutschland lediglich fünf Prozent aller Gespräche an Servicerufnummern. In den Vereinigten Staaten dagegen ist es jedes zweite. Auch wenn sich die Situation nicht eins zu eins übertragen läßt, weil die Amerikaner generell Service-ortientierter sind, scheint es hier noch einen erheblichen Wachstumsspielraum zu geben.

Den Löwenanteil des US-Marktes stellen die kostenlosen 0800er Nummern. Dagegen gibt es dort keine Dienste, bei denen sich Anrufer und Angerufener die Kosten teilen wie in Deutschland bei den 0180er Nummern. In diesem Punkt ist jedoch keine Angleichung an die USA zu erwarten. "Ich bin der festen Überzeugung, daß sich diese Nummern in Deutschland behaupten werden", so QSC-Geschäftsführer Eickers. Gerade die 0180-5er Gasse erfreue sich großer Beliebtheit, weil der Anrufer die ganzen Kosten trägt, aber ein Call-Center die Nummern flexibel verwalten kann.

0900er Dienste sind in den Vereinigten Staaten viel mehr verbreitet als hierzulande. Eine beliebige Tarifierung der 0900er Nummern könnte hier eine Wende einläuten. Da erfolgt zunächst eine Ansage, was das Gespräch kosten soll (zum Beispiel ein Festpreis für eine Beratung). Wenn der Anrufer durch Knopfdruck oder Spracheingabe sein Einverständnis kundtut, bekommt er die eigentliche Dienstleistung zum ausgemachten Preis. Schätzungsweise ab Anfang nächsten Jahres soll diese Variante verfügbar sein.

"In Deutschland steckt der Markt für Premium Rate noch in den Kinderschuhen", bestätigt Bernd Jäger, Geschäftsführer der Telecom Consulting Dr. Jäger GmbH aus Bonn. Er begründet das damit, daß sich nach der Marktöffnung erst einmal alle auf das (profitable) Geschäft mit den Ferngesprächen gestürzt hätten. Seitdem sich das aufgrund des Preisverfalls nicht mehr so lohne, adressierten einige Carrier statt dessen spezifische Marktsegmente. Neben Servicerufnummern nennt er Dienstleistungen wie eine Telefonzentrale für mittelständische Kunden als weitere Beispiele für einen Markt, der nicht mehr vom Preis allein regiert wird und gezielt bestimmte Nutzerkreise anspricht.

Marktzahlen

Ein Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien ergab, daß hierzulande Freephone-Dienste seltener eingesetzt werden als in den anderen Ländern. Nur 31 Prozent verwenden sie, allerdings mit steigender Tendenz. Generell war die Nutzung im Finanzsektor am höchsten, die anderen Bereiche (Produktion, öffentlicher Dienst, Transport und Dienstleistungen) lagen etwa gleichauf.

Unternehmen, die Freephone einsetzen, verwenden die Nummern für die angegebenen Anwendungen:

-Werbung, Bestellung, Verkauf 50 Prozent

-allgemeine Anfragen 54 Prozent

-Kundendienst 60 Prozent

-Helpdesk, Fehler, Beschwerden 32 Prozent

-Fernzugriff in der Firma 40 Prozent

Mehrfachnennungen waren möglich.

Die Nutzung von Shared-Cost-Nummern beträgt in den vier Ländern jeweils rund 17 Prozent. Im Transportsektor wurden 0180er Nummern am häufigsten verwendet. 14 Prozent der befragten Firmen in Deutschland setzen Premium Rate ein, am häufigsten Banken, gefolgt vom öffentlichen Dienst. Nach Umsätzen aufgeteilt, bietet sich ein anderes Bild (siehe Kuchendiagramm).Quelle: Helen Jones, Gartner Group

Überblick Servicerufnummern

Es gibt verschiedene Arten von Servicerufnummern: Sie unterscheiden sich durch den Anteil der Kosten, die der Angerufene übernimmt. Telefonnummern mit den Vorwahlen 0800 und 0130 sind für den Anrufer umsonst ("Freephone"). Der Inhaber der Nummer zahlt den gesamten Betrag. Anders bei der 0180er Gasse: Hierbei teilen sich beide Gesprächspartner die Kosten ("Shared Cost"). Bei der günstigsten 0180er Nummer fallen für den Anrufer dieselben Gebühren an wie im Ortsnetz, egal aus welchem Winkel der Bundesrepublik er anruft, bei der teuersten dieselben wie für ein Ferngespräch. Andere Spielarten bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen, auch feste Kosten je Anruf sind möglich. Welche Art von 0180er Nummer vorliegt, erkennt man an der ersten Ziffer, die auf 0180 folgt (Beispiel: 0180-5 = Ferngespräch).

Sowohl Freephone als auch Shared Cost sollen Anrufer ermuntern, mit dem Unternehmen Kontakt aufzunehmen. Ein etwas anderer Gedanke steckt hinter den 0190er oder 0900er Vorwahlen ("Premium Rate"). Hierbei bezahlt der Anrufer mit seinen Gebühren nicht nur für das Telefonieren, sondern auch für die angebotene Dienstleistung oder Information. Beispielsweise könnte eine Softwarefirma ihren Service unter einer 0190er Nummer anbieten. Rund 40 Prozent des Umsatzes fließen nach Angaben der Gartner Group in die Kassen des Netzbetreibers, der Rest kommt dem Anbieter der Inhalte zugute.

Welcher Nummerntyp für welchen Zweck zum Einsatz kommt, hängt vor allem von einer Überlegung ab: Wie viel ist dem potentiellen Anrufer die angebotene Dienstleistung wert? Ist meine Marktposition stark genug, um die Kosten wieder hereinzuholen? Eine Hotline mit werblichen Informationen sollte sicherlich umsonst sein. Aber wo eine wertvolle Dienstleistung wie beispielsweise Rechtsberatung erbracht wird, kommt nur 0190/0900 in Frage.

Vanity-Rufnummern bestehen aus einfach zu merkenden Buchstabenkombinationen (zum Beispiel 0800/FIRMENNAME). Sie sind nicht an eine spezielle Vorwahl gebunden. Diese Variante muß noch einige Hürden überwinden. In Deutschland verfügen derzeit viele Telefone noch nicht über die Belegung mit Buchstaben. Zudem entspricht die Belegung der Tasten nicht immer dem internationalen Standard. Der schreibt vor, daß das A auf der 2 liegt, bei manchen Telefonen befindet es sich aber auf der 1. Für die Zukunft gibt es allerdings Hoffnung, denn Mobil- und neue Festnetztelefone haben die richtige Tastatur. Angesichts der Schwierigkeiten setzen aber heute noch viele Interessenten auf prägnante Ziffernfolgen.

Weitere Servicerufnummern sind die 0137 für Televoting-Dienste, die allerdings bisher wenig Umsatz machen, sowie die persönliche Rufnummer mit der Vorwahl 0700. Sie integriert alle Telefonnummern des Kunden, ist allerdings heute noch relativ teuer, da sie auf einer Rufumleitung basiert.

Abb: Den meisten Umsatz generieren Premium-Rate-Dienste, nach Minuten liegt Shared Cost an der Spitze. Quelle: Eutelis, dtms