Gericht geht gegen AOL vor

Service-Provider muss zahlen wegen Verletzung des Urheberrechts

04.08.2000
Das Landgericht München I hat den Service-Provider AOL zu Schadensersatz verurteilt, weil dieser in seinem Musikforum Raubkopien so genannter Midi-Files zum Downloaden bereitgehalten hat (AZ: 7 O 3625/98). Für das Uploaden der Raubkopien hat AOL dagegen nicht einzustehen. Von Jürgen Schneider*

Damit hat sich erstmals ein Gericht mit der Frage der Anwendbarkeit von Paragraph 5 Teledienstgesetz (TDG) bei Urheberrechtsverletzungen im Internet auseinander gesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist aber damit zu rechnen, dass AOL gegen das Urteil Berufung zum OLG München und wegen der grundsätzlichen Bedeutung auch Revision zum Bundesgerichtshof einlegen wird.

In dem Musikforum von AOL werden verschiedene Dateiformate, darunter auch Midi-Sounds, gespeichert. Ein Nutzer kann diese Dateien herauf- oder herunterladen. Die Klägerin des Verfahrens produziert und vertreibt Midi-Files. Das sind Synthesizer-Instrumentalversionen bekannter Musikstücke, die auf Keyboards oder Computersystemen abgespielt werden. Der Nutzer kann diesen Instrumentalversionen etwa das eigene Spiel auf dem Keyboard hinzufügen oder den Gesang ergänzen. Bei einer Überprüfung des Musikforums stellte die Klägerin fest, dass AOL Raubkopien der von ihr vertriebenen Midi-Files der Titel "Get down", "Samba de Janeiro" und "Freedom" zum Downloaden bereithielt. Diese Files sind als Werke der Musik urheberrechtlich geschützt. Die ungenehmigte Vervielfältigung und Verbreitung stellt eine Verletzung des Urheberrechtes dar.

Das Landgericht München I hatte zu prüfen, ob AOL als Service-Provider unter Berücksichtigung von Paragraph 5 TDG für diese Urheberrechtsverletzung verantwortlich gemacht werden konnte. Dabei interessieren zwei Absätze von Paragraph 5 TDG.

Absatz 1 lautet: "Diensteanbieter sind für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich." Diese Passage ist auf Content-Provider zugeschnitten, die eigene Inhalte im Internet verbreiten. Solche Anbieter müssen für sämtliche vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Rechtsverletzungen einstehen. Insoweit gilt der Grundsatz: "Was offline rechtswidrig ist, ist auch online rechtswidrig."

In Absatz 2 heißt es: "Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern."

Durch das Wort "Kenntnis" wird die Haftung des Diensteanbieters für fremde Inhalte auf vorsätzliches Handeln beschränkt. Bei fremden Inhalten haftet der Provider nur dann, wenn er die rechtswidrigen Inhalte bewusst zum Abruf bereithält. Wenn der Provider "nur" fahrlässig handelt und die fremden rechtswidrigen Inhalte dementsprechend "unbewusst" zum Abruf offeriert, haftet er nicht. Im Vergleich zu den sonst maßgeblichen Vorschriften, wonach eine Haftung sowohl bei vorsätzlichem als auch bei fahrlässigem Handeln besteht, wird der Provider, der fremde Inhalte anbietet, bei der Haftung privilegiert.

Das Landgericht München I hat die Auffassung vertreten, dass AOL im Hinblick auf die Midi-Files fremde Inhalte bereitgehalten hat, weil diese von nicht mehr ermittelbaren Dritten upgeloaded worden sind. Dementsprechend kam es darauf an, ob AOL "Kenntnis" im Sinne des Paragraphen 5 Abs. 2 TDG von den rechtswidrigen Inhalten hatte und dementsprechend vorsätzlich gehandelt hat.

Das Landgericht München I hat eine solche "Kenntnis" bejaht. AOL habe billigend in Kauf genommen, dass im Musikforum auch Raubkopien zum Downloaden bereitgehalten werden. An sämtlichen Musikstücken der Rock- und Pop-Geschichte bestünden noch Urheberrechte. Die Kenntnisnahme der Copyright-Vermerke war bei den Midi-Files nach den Feststellungen des Gerichts auch ohne großen Aufwand möglich; ein Öffnen der Dateien mit einem Text-Editor hätte zur Kenntnis der Vermerke geführt. Zudem standen die Copyright-Vermerke am Anfang der Dateien.

Im Hinblick auf das Bereithalten zum Downloaden hat das Gericht demzufolge AOL zum Schadensersatz verurteilt. Im Hinblick auf das Uploaden hat das Gericht dagegen eine Haftung von AOL verneint. AOL sei nicht in der Lage, das Uploaden an sich zu verhindern, da der Provider die Inhalte vor dem Uploaden nicht prüfen könne.

Das Urteil des Landgerichts München I dürfte auch in den nächsten Instanzen Bestand haben. Das Urheberrecht ist in Deutschland als "geistiges" Eigentum in der Verfassung durch Artikel 14 GG geschützt. In der Rechtsprechung besteht die Tendenz, den Urheber so weit wie möglich zu schützen. Wenn aber der Service-Provider nicht haftbar gemacht werden könnte, stünde der Urheber schutzlos da, weil er die "Uploader" und "Downloader" nicht ausfindig machen kann.

*Jürgen Schneider ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Zwipf, Rosenhagen Partnerschaft in München.