Statt "Glaubenskrieg" um Verfahren praxisnahe Eignungstests:

Serverleistung und Gateways bestimmen die Effizienz

15.03.1985

Wo immer auch LAN-Hersteller, Vertreiber und Anwender miteinander diskutieren, entstehen häufig zwei Lager. Auf der einen Seite stehen die Verfechter des Basisbandverfahrens, die "gegnerische" Front bilden Anhänger des Breitbandverfahrens. Zu allem Überfluß beginnt innerhalb dieser Gruppe dann noch die Diskussion um das vermeintlich richtige Zugangsverfahren. Praxisnahe, einfach durchzuführende Eignungstests zur Ermittlung des für die jeweilige Anwendung richtigen LAN fallen dabei häufig sinnlosen Grundsatzbetrachtungen zum Opfer.

Insbesondere Fachkongresse und LAN-Tagungen lassen erkennen, mit welcher Polemik um des Kaisers Bart gestritten wird. Ein kleiner Abstecher in Richtung solcher Physik, mit der wir es täglich zu tun haben, macht den Unsinn solcher Diskussionen deutlich:

Strom kommt bei uns bekanntlich aus der Steckdose. Es handelt sich dabei um eine Wechselspannung. Ein solches Verfahren eignet sich bestens für den Transport von großer Energie über große Entfernungen.

Im häuslichen Bereich und zum Beispiel bei der Telefontechnik dagegen dominiert die Gleichspannung. Geräte der Unterhaltungselektronik wandeln die Wechselspannung aus dem Transportnetz in Gleichspannung um oder werden gleich von Gleichspannungsbatterien versorgt. Kein vernünftiger Verbraucher kommt jedoch auf den Gedanken, heiße Diskussionen zum Thema "Warum hat mein Walkman keine Wechselstrombatterie?" zu führen. Zumindest so lange nicht, wie dieses Gerät zufriedenstellend funktioniert und es, wenn erforderlich, preiswerte, problemlose Übergänge gibt ñ ein Netzadapter zum Beispiel, der den Walkman zu Hause an die Steckdose anschließt.

Ähnlich wird die LAN-Landschaft in Zukunft aussehen. Problemlos zu installierende Basisbandsysteme ohne HF-Technik dort, wo es keine extrem langen Transportwege gibt und keine Endgeräte mit Sprachintegration. Breitbandverfahren immer dann, wenn große Entfernungen zu überbrücken sind beziehungsweise Sprach- oder Bewegtbildübertragung auf dem gleichen Kabel erfolgen muß. Und natürliche Übergänge von der einen Technologie auf die andere.

Schon jetzt sind von einigen Herstellern Gateways verfügbar, die beide Technologien sinnvoll verknüpfen.

Ein Breitbandnetz oder aber Lichtwellenleiterverbindungen verbinden auf dedizierten Kanälen Basisband-LANs miteinander. Anwendungsbeispiel: Mehrere Fachabteilungen verfügen über ein Basisband-LAN. Naturgemäß besteht keine Notwendigkeit, alle Informationen aus diesen Fachabteilungen an jedem Punkt innerhalb des Werks- beziehungsweise Bürogeländes verfügbar zu haben.

Ein selektierter Datenaustausch zwischen den LANs erfolgt mittels Gateways oder Bridges über ein Transportnetz nach obigem Muster.

Bezüglich der maximalen Entfernung bei Basisbandverfahren sind die Grenzen zur Breitbandtechnik mehr und mehr fließend. Lichtwellenleiter treten an die Stelle von koaxilen Kabelverbindungen. Dadurch werden neben der Unterdrückung von Störeinflüssen Entfernungen möglich, wie sie vor einigen Jahren nur mittels Breitbandtechnik realisierbar waren.

Die Quintessenz aus dieser Entwicklung: Entscheidungssuchende können und sollten sich anstatt mit Transportproblemen mehr mit den Dingen beschäftigen, die über Akzeptanz beim Anwender entscheiden.

Welche technischen Features sind für einen LAN-Anwender von Interesse?

Die Antwort: Alles, was ihm die Anschaffung, die Installation und den Betrieb erleichtert. Dazu gehört ein akzeptabler Marktpreis für alle Netzkomponenten, aber auch für die eigentlichen Endgeräte.

Ein guter Grund also, einen oder wenige Standards am Markt zu unterstützen. Denn nur ein offener Markt für preiswerte Standardkomponenten (Chips, Boards, komplette Endgeräte) macht Hochleistungs-LAN-Technologie erschwinglich.

Einige Hersteller mit eigenen Standards

Einige Hersteller präsentieren eigene Standards und damit Parkprotektion unter dem Deckmantel der besseren Performance.

IBM zum Beispiel stellt mittels geschickter grafischer Darstellungen immer wieder die angeblichen Performance-Vorteile des Token-Rings gegenüber dem Ethernet-Standard heraus: Dies soll ab etwa 40 Prozent der Netzbelastung der Fall sein. Wann und wie oft diese 40-Prozent-Belastung bei welcher Anwendung erreicht wird, bleibt absolut offen.

Die Fragwürdigkeit einer solchen oberflächlichen Betrachtung belegt beispielsweise eine in den USA veröffentlichte Perfomance-Untersuchung an einer Ethernet-Installation.

Die Studie von John F. Shuch vom Palo Alto Research Center zeigt ein Ethernet-Netz mit 120 Network Interface Units (NIUs) und zirka 460 daran angeschlossene Terminals. Im Durchschnitt wurden innerhalb von 24 Stunden 2,2 Millionen Pakete im Netz transportiert. Dabei zeigten sich folgende Performance-Werte:

Die durchschnittliche Auslastung auf dem Übertragungsmedium Kabel (über 24 Stunden) betrug rund 0,7 Prozent. Während der Stunde mit der höchsten Netzwerkaktivität betrug dieser Wert 3,6 Prozent und die höchste Minutenauslastung lag bei 17 Prozent. Der angeblich kritische Ethernet-Wert von 40 Prozent wurde nur während einer einzigen Sekunde am Tag erreicht mit 37 Prozent, wobei es sich nur um ein 3 MB/s schnelles Ethernet-System (Standard ist 10 MB/s) handelte. Wo aber kann es zu ständigen Performance-Engpässen innerhalb eines LAN-Netzes kommen, wenn nicht auf dem Übertragungsmedium selbst?

Ein LAN mit guten Design kann insbesondere im Bereich der heterogenen Rechner-Terminal-Vernetzung mehr als nur Transportaufgaben übernehmen. Dies erfordert jedoch erhebliche CPU-Leistung in den Servern und Gateways. Systeme der oberen Leistungsklasse beinhalten heute Fähigkeiten, die nur mit einer komplexen Netzwerkarchitektur wie zum Beispiel SNA von IBM vergleichbar sind. Dazu gehören virtuelle Sessionkommandos, Third Party Connections, zentrales Netzwerkmanagement (falls erwünscht), Statistikauswertungen und sogar programmierbare Softwareschnittstellen. Das alles jedoch ohne den bei einer zentralen Netzwerksteuerung üblichen "Host-Engpaß".

Test zeigt Schwächen auf

Ein mehrtätiger anwendungsnaher Eignungstest zeigt schnell Stärken und Schwächen der einzelnen Hersteller auf. Insbesondere sollte dem Bereich Konfigurationskomfort bei Servern beziehungsweise NIUs besondere Beachtung geschenkt werden.

Eine Anpassung der Endgeräte passiert je nach Hersteller und Modell mehr oder weniger komfortabel.

Die Skala reicht von vorsintflutlichen Methoden wie dem Auswechseln von PROMs bis hin zur softwareorientierten Parametrisierung einschließlich Abspeicherung sämtlicher Portparameter auf eine Diskette. Solchen Komfort lernt der Anwender im Störungsfalle, also beim eventuellen Austausch eines Gerätes gegen ein Ersatzgerät schätzen spätestens jedoch beim Ausbau des Netzes.

LAN-Standard wie Ethernet definieren lediglich die Ebenen 1 bis 2 sowie einen Teil der Ebene 3 des ISO-Modells. Die Abwicklung dieser Schichten stellt auch für die meisten 8-Bit-orientierten Server-CPUs kein Problem dar. Performance-Engpässe können jedoch bei schlechtem Hard- und Softwaredesign während der Abwicklung der höheren Protokollebenen, (3 bis 6 ohne die Anwendungsschicht 7) also der erweiterten Netzfähigkeiten, entstehen.

Performancetests ohne großen Aufwand

Leider zeigen sich solche Durchsatzeinbrüche häufig erst bei Belastung mehrer Ports an der gleichen Terminalanschlußeinheit.

Eine Produktpräsentation sollte deshalb solche Belastungen oder deren Simulation beinhalten.

Da die gleichzeitige Aktivierung mehrerer Ports mit konstanten Datenströmen meist nur mit erheblichem Aufwand realisierbar ist, kann hier ein geschickter Testaufbau helfen. Wie Bild 1 zeigt, läßt sich nur mit einer Signalquelle und einer Anzahl Datenkabeln die von Port zu Port geschleift werden, eine starke Netzwerkbelastung nachbilden.

Das Ergebnis in grafischer Form, entweder dem in guten Systemen integrierten Statistikreport entnommen oder mittels Zählung der übertragenen Charakter ermittelt, zeigt Bild 2.

Die Datenrate per Port in Abhängigkeit von der Anzahl der aktiven Ports kann bei leistungsfähigen Geräten dem Kurvenverlauf A entsprechen. Ein Ergebnis gemäß Kurve B ist jedoch ebenso möglich.

Kein Wunder also, wenn so mancher LAN-Hersteller oder Anbieter lieber über Geschwindigkeiten auf dem Übertragungsmedium Kabel oder Lichtwellenleiter diskutiert. Sechs oder sogar siebenstellige Zahlen eignen sich hervorragend, um von den eventuell vorhandenen echten Systemengpässen abzulenken.

*Paul Hoffmann ist Leiter der Abteilung Produktmanagement bei der Wetronik Automation, München.