Serie Die Industrialisierung der Informationsverarbeitung Folge 9

05.09.1980

Von Diplomkaufmann Thomas H. Adenauer, Professor an der Fachhochschule Rheinland-Pfalz.

Bei dieser Serie handelt es sich um den Vorabdruck einer Auftragsarbeit für den schwedischen Computerhersteller Datasaab.

Hier liegt ein wirklich zeitepochaler Wirkungsmechanismus der Automation von operativer und struktureller Informationsversorgung vor: Je größer ihr Automationsgrad, desto dichtere Ereignisfolgen können gesteuert werden. Umgekehrt ist es auch bedeutungsvoll: Je dichtere Ereignisfolgen einer gegebenen Struktur von Menschen und Mitteln abverlangt werden, desto mehr muß ihre operative Informationsversorgung automatisiert werden.

Andererseits wirkt sich die Verringerung der Hardware-Kosten als Verringerung der Kosten für die ganze Informationsversorgung nur aus, wenn das Unternehmen die Qualität der Informationsversorgung, ihren Automationsgrad gleich läßt. Sollen zum Beispiel Antwortzeiten, Verarbeitungszeiten in den zeitkritischen Anwendungsbereichen gesenkt werden, haben viele Unternehmen den Hardware-Einsatz erhöht, deren Leistung, setzt man die Preise konstant, stiegen. Durch die Erhöhung des Automationsgrades der Informationsversorgung steigen die Organisationskosten und Programmierungskosten progressiv an. Da von dem Automationsgrad der Informationsversorgung die produktive Leistungsfähigkeit einer gegebenen Struktur abhängt, ist in der Praxis konkret die Wirtschaftlichkeit des realisierten Automationsgrades von der Relation zwischen dem Zusatzaufwand und dem tatsächlich realisierbaren Zusatzertrag aus der mehr produzierten Leistung.

Man kann natürlich diese Abhängigkeiten auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Fast parallel zu der Steigerung von maschineller Leistung pro Kosteneinheit sind durch die beginnende Verkürzung der Lebensarbeitszeit, durch die begonnene wesentliche Verlängerung der Urlaubszeiten und die vollzogene und neuerlich wieder einsetzende Verringerung der Wochenarbeitszeiten die Leistungen einer nach der Zahl ihrer Mitarbeiter gemessenen Unternehmung erheblich gefallen. Nur durch die Automation der Informationsversorgung war und ist es im Verwaltungsbereich möglich, die erforderliche Leistung bereitzustellen.

Es ist bisher immer nur von Automatisierung der Informationsversorgung, gewissermaßen als Ganzes, nicht aber davon gesprochen, wie sie sich vollzieht. Die Mikrominiaturisierung hat nämlich das Instrument in der Hand der Organisatoren geändert, ohne daß viele von ihnen bisher gemerkt hätten, wie sehr: Die Mikrominiaturisierung stellt die absolut stufenlose Konfigurierbarkeit von Computer-Power her, ohne daß sie ihre organisatorischen Eigenschaften vor allem die der Automation der Informationsproduktion auch bei immer kleineren Datenmengen verlöre.

Die stufenlose Konfigurierbarkeit autonomer Computer-Installationen macht es überflüssig, zur wirtschaftlichen Ausnutzung der Durchsatzkapazität großer Rechner, Daten zu ihnen hinzutransportieren und Datenstapel zu bilden, um diese dann in Intervallen zu verarbeiten. Das ist ein in seinen prozeßökonomischen Auswirkungen ganz wesentlicher Punkt. Denn die Bildung von Datenstapeln zur Ausnutzung der Kapazität großer Rechner hat für die Anwendung zwei Hauptkonsequenzen:

- Die Verarbeitung wird zentralisiert.

- Die Verarbeitung erfolgt in Intervallen.

Die vorangehenden Überlegungen haben gezeigt, daß es in der operativen Informationsversorgung große Gebiete gibt, die von der Problem-Materie her intervallfeindlich sind, und es leuchtet direkt ein, daß, weil die Ereignisorte des Unternehmensgeschehens geographisch immer mehr oder weniger verstreut liegen, sie auch zentralisierungsfeindlich

sind.

Daraus leiten die Traditionalisten Unter den Datenverarbeitern die Konsequenz ab, daß zentrale Verarbeitungspower, zentrale Computerpower mit maschinellen Einrichtungen, Datenfernverarbeitungsrechnern, -leitungen und -stationen (sogenannten Terminals) an die Ereignisorte, die Arbeitsplätze transportiert werden müsse. Zwar hat die Mikrominiaturisierung auch diese Einrichtungen stark verbilligt. Maschinelle Datenfernverarbeitung ist und bleibt aber auch in Zukunft sehr aufwendig, weil um des Datentransports selbst willen für

- die Netzsteuerung,

- die Leitungssteuerung,

- die Knotenrechner,

- die Leitung selbst,

- die Ein-/Ausgabeverwaltung an beiden Leitungsenden Hard- und Software erheblichen Umfangs nötig sind. Die Datentransportkosten lassen sich durch die stufenlose Konfigurierbarkeit von Computer-Power infolge der Mikrominiaturisierung weitestgehend vermeiden.

Denn man kann autonome Computer in den verstreut liegenden Orten der Datenentstehung und Informationsbedarfe mit sporadischen Verarbeitungsbedarfen für immer kleinere Datenmengen wirtschaftlich installieren. Wegen der relativ niedrigeren absoluten Kosten und wegen der immer kleineren Kostensprünge kann man auch Unterbeschäftigung dezentraler, selbständiger Softwareverarbeitungskapazitäten immer mehr in Kauf nehmen. Generell gilt ohnehin heute für die Dimensionierung von Hardware-Kapazität, daß der Anwender durch leichte Überdimensionierung Geld sparen kann.

Schon bei Gutenberg steht, daß in der Praxis viele Gesamtkostenkurven schon weit vor der Kapazitätsgrenze überproportional und kurz vor der Kapazitätsgrenze immer schärfer progressiv steigen. Wegen des fallenden Hardwarekostenanteils an den Gesamtkosten wird deswegen eine leichte Überdimensionierung der Hardware prinzipiell immer wirtschaftlicher.

Aber zurück zu unserer Hauptfrage: Gegen die bedingungslose Verarbeitungszentralisation spricht auch ein gravierender verfahrensökonomischer Gedanke. Es kommt so gut wie nie vor, daß in einer Firma mehrere Computer problemspezifisch eingesetzt werden. Transaktionsorientierte Direktverarbeitung mehrerer Probleme, scheinbar gleichzeitig auf einer Maschine, aber kostet wegen der internen Ressourcenverwaltung hohen Selbstverwaltungsaufwand. Online-Direktverarbeitung verursacht also nicht nur meist überflüssige Datentransportkosten, sondern auch noch genauso überflüssige Selbstverwaltungskosten. Wenn in einem Computer anstatt eines einzigen Programms deren mehrere abgewickelt werden, entsteht progressiv steigend Selbstverwaltungsaufwand.