Strafanzeigen gegen SER-Manager

SER Systems AG stellt Insolvenzantrag

12.07.2002
MÜNCHEN (wh) - Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) hat gegen mehrere amtierende und ehemalige Manager der SER-Gruppe Strafanzeige erstattet. Darunter befinden sich sowohl der ehemalige Vorstandschef Gert Reinhardt als auch dessen Nachfolger Kurt-Werner Sikora. Am 4. Juli hat die SER Systems AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.

Die Zahlungsunfähigkeit des fünftgrößten deutschen Softwarehauses kam nach den schon länger bekannten Liquiditätsproblemen nicht mehr überraschend. Im Zusammenhang mit der heftig umstrittenen Veräußerung des US-Geschäfts und weiterer Vermögensteile (siehe CW 27/02, Seite 6) hat die SdK unterdessen Strafanzeige gegen mehrere amtierende und ehemalige SER-Manager erstattet. Die Vorwürfe lauten unter anderem auf Untreue, Insolvenzverschleppung und betrügerischen Bankrott.

Beschuldigt werden neben Reinhardt und Sikora auch der ehemalige Finanzvorstand Carl Mergele sowie der Aufsichtsratsvorsitzende der SER Systems AG, Roland Paule, ferner die beiden Aufsichtsratsmitglieder Helmut Kröll und Hans-Jürgen Heiser. Die Staatsanwaltschaft Koblenz bestätigte den Eingang der Strafanzeige, wollte jedoch keine näheren Angaben machen.

Wie die COMPUTERWOCHE bereits online berichtete, hat die SER Systems AG am 4. Juli Insolvenz beantragt. Die Gläubigerbanken hätten zum 2. Juli 2002 den bestehenden Poolvertrag gekündigt, teilte das Unternehmen mit. Gleichzeitig habe eine der Poolbanken ihre Kreditlinien mit Wirkung zum 15. Juli 2002 gekündigt. Deshalb seien die Geschäftsführungen der SER Systems AG und der SER Softtech GmbH (vormals SER Technology Deutschland GmbH) verpflichtet gewesen, für beide Gesellschaften den Insolvenzantrag zu stellen. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter für beide Firmen wurde der Rechtsanwalt Jens Fahnster aus Sankt Augustin bestellt.

Am 12. Juni habe der damalige Alleinvorstand, gemeint ist Reinhardt, das US-amerikanische Geschäft der Gesellschaft veräußert, schreibt SER. Die Gesellschaft habe den Käufer - also die von Mergele gehaltene KES Acquisitions LLC - aufgefordert, die "vertraglich fixierten Kaufpreisfälligkeiten wenigstens zum Teil vorzuverlegen".

Der Kontrakt habe Zahlungen erst ab dem 30. November oder später vorgesehen. Inzwischen sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Käufer, sprich Mergeles KES, diesem Verlangen nicht entsprechen werde.

Aktionärsschützer wollen die Vermögensübertragung rückgängig machen lassen und das SER-Management notfalls auf Schadensersatz verklagen. SER-Vorstand Sikora erklärte gegenüber der CW, auch er hege Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verträge. Diese befänden sich in der Prüfung. Zu Reinhardt habe er derzeit nur "eingeschränkten Kontakt".

Die SER-Tochter SER Solutions Deutschland GmbH ist laut Sikora derzeit nicht von der Insolvenz betroffen. Man sei um die Fortführung der Gesellschaft bemüht, in der das operative Geschäft der SER zusammengefasst ist.

Ob es gelingt, die SER Solutions zu retten, ist insbesondere für die rund 600 Kunden in Deutschland und Österreich die entscheidende Frage. Sie haben zum Teil Millionenbeträge in die Archivierungs- und Dokumenten-Management-Systeme investiert. Laut Hersteller setzt die Hälfte der Dax-30-Unternehmen SER-Software ein, darunter auch die Telekom. Unter den Großkunden befinden sich zudem mehrere Bundesbehörden wie der Bundesgerichtshof und das Innenministerium. Auch Versicherungsunternehmen wie die WWK oder der Münchner Verein betreiben Archivsysteme des Anbieters.