Vertikalaufzeichnung erhöht die Speicherdichte um das Zehnfache, aber:

"Senkrechte" Bits sind erst ab 1990 verfügbar

22.06.1984

LUNDWIGSHAFEN - Unter den zur Zeit diskutierten neuen Aufzeichnungstechniken ist die magnetische Vertikalaufzeichnung diejenige, die in den nächsten fünf Jahren als erste eine weitere Verbreitung finden könnte. So verspricht sie eine mindestens zehnfache Steigerung der linearen Aufzeichnungsdichte gegenüber der heutigen konventionellen Longitudinalaufzeichnung. Im Labormaßstab hat man sogar das Zwanzigfache erreicht. Der Schlüssel hierzu liegt in der magnetischen Struktur des Mediums und der des Kopfes. Dr. Udo Kullmann, Leiter des Labors für magnetische Aufzeichnung in der BASF-Forschung, erklärt diese Aufzeichnungsart.

Stellt man sich ein einzelnes Bit als kleinen Permanentmagneten vor, dessen Magnetisierung in der Schichtebene liegt, so bedeutet die Bitfolge eine Aneinanderreihung von kleinen Magneten. Beim Lesen der Information erfaßt der Magnetkopf den magnetischen Streufluß, der an den Magnetisierungsübergängen zwischen den Bits austritt. So lassen sich heute auf konventionellen Medien rund 500 Flußwechsel pro Millimeter aufzeichnen und wiedergeben.

Weniger Stabilität

Ein Datenspeichersystem sollte heute nicht mehr als einen Lesefehler pro 10exp.(12) Bits aufweisen, wobei die magnetische Stabilität eines Einzelbits eine entscheidende Größe ist. Sie wird über die magnetischen Kenngrößen des verwendeten Materials, aber auch durch die geometrische Form des Einzelbits mitbestimmen. Aus dem Grundlagenwissen des Magnetismus ist bekannt, daß ein Permanentmagnet möglichst lang und dünn sein sollte, damit er eine ausreichende Stabilität gegenüber äußeren Störfeldern besitzt. Das heißt, Nord- und Südpol eines Magneten sollten möglichst weit voneinander entfernt sein.

Bei konstanter Schichtdicke eines Mediums und gleichbleibender Spurbreite führt eine Erhöhung der Datendichte zu einer Abnahme des Längen-zu-Dicken-Verhältnisses eines Einzelbits, die gespeicherte Information verliert somit an Stabilität.

Ein Einzelbit verkürzt sich in den magnetischen Feldern der benachbarten Bits, die Übergangszonen zwischen den Bits werden breiter. Die Folge sind breite Leseimpulse, benachbarte Leseimpulse überlagern sich und verschieben dadurch ihre Lage relativ zu internen Referenzsignalen, es tritt Peakshift auf.

Bei der diskutierten Längenaufzeichnung gibt es nun zwei Wege, um die Datendichte zu erhöhen. Entweder verwendet man hartmagnetischeres Material und/oder minimiert die Schichtdicke. So sind heute dünne Metallschichten weniger als 0,1 Mikrometer dick. Es konnten mit "In-Kontakt-Aufzeichnungen". Datendichten bis 3000 Flußwechsel pro

Millimeter erreicht werden. Aber auch hier sind Grenzen gesetzt. Dünne Schichten liefern weniger Lesesignal, das Signal-Rausch-Verhältnis nimmt ab. Ferner sind dünne Schichten schwieriger fehlerfrei herzustellen.

Die Alternative zur Vermeidung eines reduzierten Längen-zu-Dicken-Verhältnisses bei der Longitudinalaufzeichnung mit zunehmender Aufzeichnungsdichte bieten die Meiden der Vertikalaufzeichnung. Sie gestatten es mit einem geeignet orientierten Magnetfeld beim Schreiben einzelner Bits deren Magnetisierung senkrecht zur Schichtebene zu orientieren. Die Abbildung 1 gibt im Vergleich zum Longitudinalmedium Orientierungszustand der Magnetisierung nach dem Schreiben wieder.

Höhere Aufzeichnungsdichte

Die einzelnen Permanentmagnete oder Bits werden jetzt um so stabiler, je höher die Aufzeichnungsdichte gewählt wird. Bei vorgegebener Schichtdicke wird das Längen-zu-Dicken-Verhältnis eines Bits immer günstiger. Abbildung 2 soll andeuten, daß sich einzelne Bits energisch besser vertikal zusammenpacken lassen. Die Schichtdicke braucht im Gegensatz zur Längsaufzeichnung nicht reduziert zu werden. Bei Metallfilmen verwendet man derzeit 0,5 Mikrometer. Mit diesem Verfahren sind 2500 Flußwechsel pro Millimeter längst verwirklicht worden.

Ein Medium, das sich bisher geeignet herausgestellt hat, ist eine metallische Schicht aus Cobalt-Chrom(CoCr), die im Vakuum auf einem geeigenten Träger aufgedampf gesputtert wird. Der Herstellerprozeß ist so zu steuern, daß die aufwachsenden Kristallite eine ausreichende Vertikalorientierung geeigneten Abmessungen aufweisen. Im Idealfall möchte man eine parallele Anordnung von Säulen mit rund 0,5 Mikrometer Länge, welche der Medienschichtdicke entspricht, und einem Durchmesser von zirka 0,05 Mikrometer. Der kleinste überhaupt mögliche Bitabstand könnte demnach 0,05 Mikrometer sei, was einer Aufzeichnungsdichte 20 000 Flußwechseln pro Millimeter entspricht.

Zur Erhöhung der Effizienz Schreib-/Leseprozesses wird in einem, der CoCr-Magnetschichtherstellung ähnlichen Verfahre eine weichmagnetische Unterschicht aus Permalloy (Nickel-Eisen-Legierung) verwendet. Diese bündelt den magnetischen Fluß und führt so zu einem geschlossenen Kreis, Magnetkopf in die Betrachtung einbezogen. Zudem bewirkt sie einen besseren Orientierungsgrad der CoCr-Kristalle und damit der magnetischen Vertikalausrichtung.

Das erwähnte Medium für die Vertikalaufzeichnung läßt sich optimal nur mit einem dazu konstruierten Magnetkopf betreiben. Zwar kann man die reine Schicht, also ohne Unterschicht, auch mit einem engspaltigen Ringkopf betreiben, jedoch ist, die erreichbare Aufzeichnungsdichte geringer als unter Verwendung eines Vertikalkopfes. Abbildung 3 gibt die Struktur eines solchen Kopfes wieder. Er besteht aus einem dicken Ferrit mit hoher Magnetisierung, auch Hilfspol genannt. Durch seine Dicke beeinflußt er die geschriebenen Informationen nicht.

Das Dünnfilmelement, auch Hauptpol genannt, dagegen konzentriert den magnetischen Fluß und definiert die Schreib-/Lese-Eigenschaften. Der Kopf zeichnet sich durch große Senkrechtkomponenten des Magnetfeldes bei gleichzeitig enger Lokalisierung des Feldes aus. Dadurch lassen sich enge Magnetisierungswechsel schreiben, eine Voraussetzung für hochdichte Aufzeichnung.

Vertikalaufzeichnung minimiert Peakshift

Das Aufzeichnungsverhalten hoher Aufzeichnungsdichte konnte im vorangegangenen im wesentlichen durch das energetisch günstigere Packen von Einzelbits erklärt werden. Hinzu kommt, daß mit Vertikalköpfen sehr enge Magnetisierungsübergänge geschrieben werden können. Scharfe Magnetisierungwechsel sind aber die Voraussetzung für, daß sich benachbarte Magnetisierungswechsel nicht gegenseitig beeinflussen. Dies würde zu einer Überlagerung der Signale mit Verschiebung der Peaklage führen und damit die Fehlerwahrscheinlichkeit beim Lesen erhöhen. Die Peakshift bekannte Phänomen der Vertikalaufzeichnung nahezu unbekannt. Erst bei Bitdichte, die der maximalen Aufzeichnungsdichte entsprechen steigt die Peakshift leicht an.

Vergleicht man die Arbeiten der Entwicklungslabors weltweit, so

kann festgestellt werden, daß das beschriebene Doppelschichtmedium und entsprechende Vertikalköpfe hergestellt werden können. Der Schritt in die Großproduktion steht jedoch noch bevor. So beschäftigt man sich auf dem Mediengebiet hauptsächlich mit wirtschaftlicheren Herstellverfahren. Gegenüber einer konventionellen Gießtechnik Bedampfen und speziell Sputtern langsame Prozesse. Das ist der Grund für die immer wieder auflebende Diskussion um vertikal gerichtete pigmentierte Schichten, beispielsweise mit Bariumferriten.

Von seiten der Kopfherstellung gilt es, einen geeigneten, orientierten Hauptpol in Dünnschichttechnik mit optimaler Geometrie herzustellen. Letztere bestimmt wesentlich die Auflösung des Systems. Auch hier muß die Labormethode in die Produktion übertragen werden. Das beschriebene System läßt Aufzeichnungsdichten über 4000 Flußwechseln pro Millimeter erwarten. Damit ist es auch den zur Zeit in der Produktion befindlichen dünnen Longitudinalmedien überlegen (plated disk). Für diese erwartet man mit entsprechenden Dünnfilmköpfen rund 3000 Flußwechsel pro Millimeter

Probleme bei Metallfilmen

Bei Metallfilmen allgemein noch nicht zufriedenstellend gelöst ist das Problem der Korrosion sowie das Laufverhalten und der Lebensdauer bei Flexy Disk beziehungsweise das Start/Stop-Verhalten bei starren Platten. Das Kopf-Medium-Interface selbst bedarf also noch weiterer intensiver Entwicklungsarbeiten. Geht man davon aus, daß die Laufwerk-Hersteller die Mechanik und die Elektronik weiterentwickeln müssen, so erwartet man ein konkurrenzfähiges Gesamtsystem nicht vor 1990.

Bei den Flexy Disks für Vertikalaufzeichnung werden derzeit dünnere und glattere Folien getestet, die der Temperaturbelastung bei der Herstellung der Metallschicht standhalten müssen. Weiterhin scheint es interessant neben der hohen linearen Dichte auch die Spurdichte bei Flexy Disk mit Servomechanismen zu erhöhen oder eine Vertikalschicht auf einer starren Platte zu verwenden. Dies wird in einigen Labors praktiziert. Hierbei ist es wichtig, das Problem der Flughöhe mit ins Kalkül zu ziehen, da der magnetische Kreis ineffizienter wird und die Vorteile der Vertikalaufzeichnung verlorengehen.