Semiramis geht an SoftM

05.12.2006
Das in München ansässige Softwareunternehmen hat den Zuschlag für den insolventen ERP-Hersteller erhalten. Nun muss der Anbieter seine Produktstrategie umkrempeln.

Für Semiramis ist die Suche nach einem Investor beendet. SoftM lässt sich alle Nutzungs-, Verwertungs- und Markenrechte einen einstelligen Millionenbetrag kosten. Nach Angaben der Insolvenz- beziehungsweise Masseverwalter der Semiramis Software GmbH aus Hannover und der Semiramis Software AG aus Kirchbichl/Tirol sind die Weiterentwicklung der Software am Standort Hannover sowie die 40 Arbeitsplätze dort gesichert. SoftM wird zudem das Partnernetz von Semiramis fortführen.

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Zwar hat das insolvente Softwarehaus nun eine neue Heimat, es bleibt aber eine Vielzahl an Fragen. Beispielsweise die, wie das erworbene System und das von SoftM in Kooperation mit dem schweizerischen Un- ternehmen Bison entwickelte "Greenax" positioniert werden. SoftM-Vertriebsvorstand Ralf Gärtner möchte nur wenig über die künftige Produktstrategie verraten. Dafür sei es noch zu früh. Dass beispielsweise das Produkt Semiramis mit dem ebenfalls auf Java aufsetzenden Greenax zusammenwachsen könnte, sei reine Spekulation.

Mit dem Kauf will SoftM seine Position im Geschäft mit Java-basierender Business-Software für den Mittelstand stärken. Im Gegensatz zum eigenen Greenax, das erst im Februar dieses Jah- res vorgestellt wurde, vertreibt Semiramis bereits seit drei Jahren Java-gestützte ERP-Software. Gärtner ist sich sicher, mit dem Kauf ein Schnäppchen gemacht zu haben.

Viele Überlappungen

Welches Produkt welche Branchen abdecken soll, ist noch nicht ausgemacht, denn hier gibt es Überschneidungen: Greenax wendet sich derzeit ausschließlich an den Handel, Großhandel und die Lebensmittelbranche, Semiramis darüber hinaus auch an Firmen mit diskreter Fertigung.

Ferner stellt sich die Frage, ob SoftM auf Dauer drei ERP-Linien - neben den beiden Java-Produkten gibt es noch die ältere "SoftM Suite" - weiterentwickeln kann. Investitionen in die Java-Lösungen sind unabdingbar, meinen Experten. "Im Grunde sind beide Produkte nicht ausgereift und nach heutigem Stand eher Entwicklungsumgebungen als Lösungen", meint Eric Scherer, Partner und Geschäftsführer des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Intelligent Systems Solutions (i2s) in Zürich. SoftM verfügt jedoch nicht über unbegrenzte Mittel, um die Software auszubauen: Der Neun-Monats-Umsatz des in München beheimateten Unternehmens belief sich Ende September auf 54,4 Millionen Euro bei einem Gewinn vor Steuern, Zinsen sowie Abschreibungen auf Sacheinlagen und immaterielle Vermögenswerte (Ebitda) von 2,7 Millionen Euro. Immerhin legte im Berichtszeitraum der Auftragseingang für Software um 20 Prozent auf 3,5 Millionen Euro zu.

Zunächst will SoftM den von Semiramis eingeschlagenen Weg weitergehen. Das Release 4.3 der Software soll Gärtner zufolge wie geplant auf den Markt kommen. Ob dies auch für Release 4.4 gilt, für das unter anderem Bausteine für die Automobilindustrie vorgesehen sind, werde noch geprüft.

Fest steht schon heute, dass der Buchhaltungsbaustein von Grennax auch an Semiramis angepasst werden soll. Greenax nutzt zurzeit das Rechnungs- wesen der SoftM Suite aus dem gleichen Haus. Zur CeBIT 2007 soll eine Java-gestützte Buchhaltung für die ERP-Lösung erscheinen. Auch Semiramis verfügt wie eine Reihe anderer Produkte über kein eigenes Rechnungswesen, sondern stützt sich auf Partnersysteme wie etwa das von Varial.

Zwar wird SoftM Gärtner zufolge auch weiterhin eine Geschäftsbeziehung zur Infor-Tochter unterhalten, da bestehende Semiramis-Kunden deren Rechnungswesen nutzen. Eher unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Münchner künftig die Varial-Komponente vermarkten. Gärtner zufolge hatte Semiramis selbst an einer eigenen Buchhaltung gearbeitet.

SoftM-Partner Bison zieht mit

Zumindest nach außen fühlt sich SoftM-Partner Bison durch den Deal nicht auf den Schlips getreten. "Wir begrüßen diesen Schritt", so Iris Fehlmann, Mitglied der Geschäftsleitung des schweizerischen Softwarehauses. "Es sind vielfältige Ergänzungen möglich. Technisch könnten Semiramis-Module in Greenax eingebunden werden." Beispielsweise verfüge Semiramis über ein PPS-Modul (Produktionsplanung und -steuerung), das dem rein auf den Handel ausgerichteten Greenax fehle. Fehlmann spricht jedoch lediglich von Synergien, nicht von einer Fusion beider Systeme. "Dass Semiramis und Greenax zusammenwachsen, möchte ich so noch nicht sagen, da wir die Semiramis-Lösung zu wenig kennen." Ein Ende der Partnerschaft zwischen Bison und SoftM stehe mit Sicherheit nicht bevor. "SoftM und Bison haben Greenax erfolgreich am Markt platziert und auch erste Referenzen." Diskussionsbedarf gebe es jedoch noch beim Vertrieb, da SoftM nun insgesamt drei ERP-Pro- dukte vermarktet: SoftM Suite, Greenax und Semiramis.

Vorgehensweise unerklärlich

Branchenexperten sind von der Übernahme nicht überzeugt. "Uns ist diese Vorgehensweise nicht erklärlich", so Karin Henkel, Analystin bei Strategy Partners. "SoftM muss hier noch eine Reihe Details präzisieren, damit man sich auch von der Dauerhaftigkeit der neuen Konstellation überzeugen kann." Beispielsweise sei SoftM das von Semiramis favorisierte Partner- geschäft unbekannt.

KTW, das Unternehmen von Semiramis-Gründer und CEO Reinhold Karner, bleibt auch weiterhin Vertriebspartner für das ERP-Produkt. Dies sehe ein Kooperationsvertrag zwischen SoftM und KTW vor. Die Firma mit Sitz in Kirchbichl wird den Vertrieb in Österreich übernehmen. "Wichtig ist für uns vor allem, dass wir unseren Kunden und Interessenten nun wieder die notwendige Zukunftssicherheit bieten können. Ich bin auch sicher, dass wir mit dieser Lösung wieder jene Interessenten überzeugen können, auf Semiramis zu setzen, die ihre Kaufentscheidung aufgrund der Insolvenz verschoben haben", kommentiert Karner. In den nächsten Wochen und Monaten soll KTW seine bisherigen Supportaktivitäten an SoftM übergeben. Hier sind laut Karner jedoch noch viele Details zu klären. Kunden und Partner von Semiramis wollten sich noch nicht zu Auswirkungen der Übernahme äußern.

Karner hatte über seine Firma KTW viele der bestehenden Kunden gewonnen. Allerdings weiß ERP-Experte Scherer von Klagen oder Schlichtungsfällen bei den laufenden Projekten. "Semiramis verfügt über eine hervorragende Liste von Leads. Hier ist jedoch die Frage, ob diese bei Semiramis oder bei den Partnern liegen - zuvorderst KTW."