Seminarbesuch: Information, Information oder Sauftour

04.12.1981

Auch vor der DV-Abteilung macht der Rotstift nicht halt. Deshalb wird es für Vorgesetzte immer wichtiger, in der Seminarlandschaft Äpfel von Birnen zu trennen. Abteilungsleiter fallen gerne auf schillernde Ankündigungen herein und versäumen, das Ergebnis zu überprüfen. Der Mitarbeiter ist darüber oft nicht unglücklich. Hauptsache, er war mal wieder "unterwegs" und hatte bezahlten Urlaub. Günter Brinker, Geschäftsführer der Trainerakademie in München, rät, sich nicht von Titeln blenden zu lassen, sondern das Kleingeschriebene im Programm zu studieren. Als Kontrollmöglichkeit schlägt er das Gespräch oder den schriftlichen Bericht nach Seminarende vor.

Günter Brinker

Geschäftsführer, Trainerakademie, München

Bevor Mitarbeiter zu einem Seminar geschickt werden, sollte sich der Abteilungsleiter die Unterlagen genau anschauen. Wichtig ist, daß er sich nicht von Überschriften und Titeln blenden läßt, sondern auch die Details genau studiert. Im Zweifelsfalle ist es besser, bei dem Veranstalter telefonisch nachzufragen, ob seine Mitarbeiter die richtige Zielgruppe sind. Der Anbieter ist schließlich auch daran interessiert, daß sein Seminar keinen Schiffbruch erleidet. So etwas spricht sich nämlich schnell herum

Um auszuschalten, daß Mitarbeiter weniger an dem Kurs als an bezahltem Urlaub interessiert sind, gibt es die Möglichkeit, für drei Seminartage einen Tag Urlaub anzurechnen. Dann fallen ganz schnell die Mitarbeiter raus, die das ganze mehr als angenehme Abwechslung oder Sauftour betrachten. Die Seminare müssen nicht immer vom Unternehmen vorgeschlagen werden. Der Mitarbeiter sollte von selbst kommen und sagen, daß er ein bestimmtes Seminar besuchen will. Wenn er in der Lage ist, diesen Wunsch zu begründen und zu erklären, welche Vorteile es für das Unternehmen bringt, ist die erfolgreiche Teilnahme ziemlich sicher. Viele Vorgesetzte versäumen, mit ihren Mitarbeitern nach dem Seminar ein Gespräch zu führen. Dabei ist gerade dieses Gespräch sehr wichtig. Hier kann festgestellt werden, ob der Kurs dem Mitarbeiter überhaupt etwas gebracht hat, ob es neue Anregungen gab und ob auch andere Kollegen hingeschickt werden sollten.

Die Vorgesetzten sollten wirtschaftlicher denken. Eine gute Kontrollmöglichkeit bietet der Seminarbericht. Jeder Mitarbeiter, der ein Seminar besucht hat, schreibt einen Bericht über den Ablauf, Inhalt und die Zielsetzung des Kurses. Diese Stellungnahme zwingt den Kursteilnehmer, sich noch einmal mit dem Gehörten auseinanderzusetzen und es zu bewerten. Dadurch kann der Vorgesetzte auch erkennen, ob der Seminarveranstalter gut ist.

Erich Dietzel

DV-Leiter, Citroen Automobil AG, Köln

Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl eines Seminars ist der konkrete Bedarf. Das bedeutet in der Praxis, wenn wir ein Buchhaltungsprojekt durchführen, schicken wir einen Mitarbeiter zu einem Buchhaltungs-Seminar.

Programmierer, die Cobol nicht beherrschen, und diese Programmiersprache für ein Projekt benötigen, werden an einem Cobol-Lehrgang teilnehmen. Bei uns sind die Kurse, die wir besuchen, fast alle rein fachlich ausgerichtet Nach diesen Fachgebieten suchen wir auch die Mitarbeiter aus, die die Seminare besuchen.

Ich lasse mir nach dem Seminar mündlich berichten, was dort los war. Außerdem läßt sich auch in der praktischen Arbeit feststellen, ob der Kursteilnehmer etwas gelernt hat oder nicht. Natürlich kommt es vor, daß ein Mitarbeiter vom Seminar zurückkommt und sagt, es habe ihm nichts gebracht. Das liegt dann aber am Kurs und nicht am Mitarbeiter.

In meiner Abteilung arbeiten Programmierer, die ziemlich selbständig ein Aufgabengebiet betreuen und die von sich aus Interesse daran haben, Neues zu lernen. Die etwas allgemeineren Themen werden von uns fast nie belegt. Ich habe einen Controlling-Kurs besucht, der mich nicht begeistern konnte. Diese Seminare ermöglichen zwar einen allgemeinen Einstieg, aber sonst bringen sie nicht viel. Positiv ist, daß der Teilnehmer während der Kursdauer Zeit hat sich mit dem Thema zu beschäftigen. Im Büro wird man gestört und hat selten Gelegenheit, etwas zu lesen.

Ein weiterer Grund, warum wir fachbezogene Kurse besuchen, ist das Nachholbedürfnis. Wir müssen uns fachlich noch weiterbilden, bevor wir an andere Kurse denken können.

Wolfgang Kowald

RZ Leiter, Rotring-Werke, Hamburg (Siemens 7.531, BS2000)

Am Ende eines Jahres wird a bei uns der Ausbildungsplan für alle Mitarbeiter aufgestellt, um die Kosten etatmäßig abzusichern beziehungsweise Kurs- und Urlaubszeiten miteinander abzustimmen.

Bei der Auswahl der Kurse spielen folgende Fakten eine maßgebliche Rolle:

Welche neuen Aufgaben kommen im folgenden Jahr auf die Abteilung, auf die Mitarbeiter

(zum Beispiel ein neues Betriebssystem oder neue Betriebssystemkomponenten) zu? Welche Lehrgänge sind für bestimmte Mitarbeiter unabdingbar erforderlich, notwendig (in den nächsten ein bis zwei Jahren) oder nützlich - wenn Personalkapazität und Etat es zulassen? Wer sollte zu einem "Informationslehrgang" gehen? Sie sind in der Regel für leitende Mitarbeiter, die auch kreativ und in der Planung zukünftiger Aufgaben tätig sind. Für wen könnte ein "Motivationslehrgang" angebracht sein? Dies ist ein Ausnahmefall, um zum Beispiel einen guten Mitarbeiter auch in Grenzbereichen seines Aufgabengebietes zu schulen.

In der Regel wird ein Mitarbeiter entweder durch einen Lehrgang auf ein neues Aufgabengebiet vorbereitet, oder es sollen bestehende Lücken im vorhandenen Fachwissen geschlossen werden.

Der Kurs ist für die betroffenen Mitarbeiter so auszuwählen, daß sie, was Vorbildung und individuelle Aufnahmefähigkeit angeht, weder über- noch unterfordert werden.

Dabei sind Fehlentscheidungen nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich werden die Mitarbeiter an diesen Überlegungen beteiligt. Der Erfolg eines Lehrgangs wird hauptsächlich durch den Teilnehmer und den Dozenten bestimmt.

Es sollte dem Dozenten gelingen, das durchweg trockene EDV-Fachwissen so zu vermitteln, daß nicht das einzige Bestreben der Teilnehmer darin besteht, nach 4,5 Tagen die Kursbescheinigung zu erhalten.

Die Schwierigkeit, mit der fast alle Dozenten kämpfen, ist eine Teilnehmerstruktur mit weit auseinanderklaffendem Intellekt und mit sehr unterschiedlicher Motivation und Lernwilligkeit.

Entscheidend ist, ob der Mitarbeiter ehrgeizig und auf die in diesem Lehrgang vermittelten Informationen angewiesen ist, weil er verantwortlich in kürzerer Zeit dieses Wissen in der Praxis einsetzen muß, oder ob die 5 Tage als "Kursurlaub" betrachtet werden. ("Wenn ich etwas nicht verstehe, werden die Kollegen es mir schon erklären.")

Meistens liegt die Bereitschaft zur Mitarbeit irgendwo zwischen diesen beiden Betrachtungspunkten.

Eine reguläre Erfolgskontrolle ist bei Mitarbeitern eines Rechenzentrums nur schwer - wenn überhaupt - durchzuführen, denn im täglichen Streß einer RZ-Produktion kann einige Wochen nach einem Lehrgang niemand mit Bestimmtheit sagen, ob das vorhandene Fachwissen das Ergebnis der Lehrgangsteilnahme oder der täglichen praktischen Arbeit ist.

Meistens ist es sicherlich ein Resultat von beidem.

Hans-Jürgen Wenzel

Org.-/DV-Leiter, Seiko Time GmbH, Düsseldorf

In den vergangenen Jahren schlug der Bereichsleiter einer Fachabteilung vor, welches Seminar besucht werden sollte. Es gab damals noch keine personal- oder funktionsbezogenen Kriterien. Wir erkannten, daß diese Art der Seminarauswahl weder für das Unternehmen noch für den Mitarbeiter optimal war. Wir setzten uns deshalb vor etwa eineinhalb Jahren zusammen und überlegten, wie dieses Problem in Zukunft besser gehandhabt werden könnte. Das Ergebnis war ein Beurteilungssystem, mit dem wir die Qualifikation der Mitarbeiter feststellen und mit den Firmenzielen kombinieren. Dabei helfen uns exakte Stellenbeschreibungen und Mitarbeiterprofile.

Als nächstes versuchen wir über entsprechende Anbieter an qualifizierte Seminare heranzukommen. Wir prüfen diese Angebote, die beispielsweise unseren Außendienst betreffen sehr genau. Als wir für unseren Außendienst ein Seminar ausgesucht hatten, fuhren erst einmal zwei Mitarbeiter der Administration hin und versuchten, die Qualität des Kurses festzustellen. Wenn es sich um größere Gruppen handelt, lohnt es sich auf jeden Fall, eine Art Vorlaufseminar zu besuchen. Bei Kursen für einzelne Mitarbeiter gibt es nur die Möglichkeit, sich Programme schicken zu lassen und Vergleiche anzustellen. Natürlich kann es dann hinterher passieren, daß das Seminar nicht gut war und die Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter nicht erfüllt wurden.

Wir werden in Zukunft von unseren Mitarbeitern einen schriftlichen Bericht anfordern und die Ergebnisse daraus auswerten. Seminare kosten schließlich viel Geld und dafür erwartet das Unternehmen auch etwas. Handelt es sich um wirklich funktionsbezogene Seminare wie Programmiersprachen, ist es leichter. Die müssen sein und werden auch an die entsprechenden Mitarbeiter vergeben.

Wir wollen mit unserem neuen System nur verhindern, daß diese Entscheidung, wer zu welchem Seminar geht, nicht mehr in den Abteilungen getroffen wird. Schließlich soll sich nicht jeder etwas Interessantes rauspicken können, nur weil wir gesagt haben, es stehen jedem Mitarbeiter zwei Seminare oder 14 Tage sogenannter Bildungsurlaub zu. Bei den Kursen für die allgemeine Weiterbildung, haben wir in den Bereichen eine Bestandsaufnahme durchgeführt, welche Seminare interessant sein könnten. Von den Vorschlägen wurde ein Katalog zusammengestellt, der uns bei der Auswahl helfen wird.