Sema Group verkauft I-Linie an IBM-Tochter Big Blue tritt nur halbherzig gegen SAPs Standardsoftware an

08.04.1994

MUENCHEN (gfh) - Die Sema Group stoesst die Standardsoftware "I- Linie" an das IBM-Tochterunternehmen Compagnie General d'Informatique (CGI), Grenoble, ab. CGI wiederum gruendet in Koeln ein Joint-venture mit IBM Deutschland, um der SAP Marktanteile abzunehmen.

Rund 3,8 Millionen Mark zahlt die IBM fuer die I-Linie, die der Sema-Group bisher nur Verluste eingebracht hat. Die Pressestelle der Pariser Niederlassung des britisch-franzoesischen Konzerns gibt sich erleichtert ueber den Verkauf der urspruenglich von ADV-Orga stammenden Finanzsoftware, die 1993 nur etwa zwei Prozent zum Konzernumsatz beisteuerte.

Diese Zahlen kennt auch die IBM, scheint aber keinen Anstoss daran zu nehmen. Laut Peter Kirn, IBM-Leiter Software-Architekturen, geht es bei dem Joint-venture vor allem um den Investitionsschutz fuer die rund 450 IBM-Grosskunden, die die I-Linie einsetzen.

Doch die IBM schuetzt auch eigene Investitionen. Seit Oktober 1992 hat das Unternehmen ein Entwicklungs- und Marketing-Abkommen mit der Sema Group, das neben der I-Linie auch das hauseigene PPS- Produkt "Cimapps" umfasst. Genau diese Produkte soll nun die Koelner Neugruendung vermarkten. Die Zusammenarbeit war ins Stocken geraten, als sich IBM France im April 1993 den Sema-Rivalen CGI einverleibte.

"Das Joint-venture ist nicht gegen SAP gerichtet", kommentiert Kirn entsprechende Deutungen. Konkurrenz mit der SAP-Software R/2, die rund 800mal auf IBM-Mainframes eingesetzt wird, gebe es schon deshalb nicht, weil "die Abhaengigkeit vom Anbieter bei Standardsoftware so gross ist, dass ein Wechsel hoechst unwahrscheinlich erscheint".

Auch dass das neue Joint-venture ausschliesslich auf dem deutschen Markt agiert, hat laut Kirn nichts mit einer Kampfansage an SAP zu tun. Der Grund liege vielmehr darin, dass die I-Linie auf deutsche Verhaeltnisse zugeschnitten sei und CGI mit "Sigagib" bereits ueber eine international eingefuehrte Finanzsoftware verfuege.

Anders sieht die Situation im Client-Server-Bereich aus. So wollte die Sema-Group urspruenglich noch in diesem Jahr die Unix-Variante "I-Linie Open" auf den Markt bringen, und auch Cimapps wird derzeit auf das Multiuser-Betriebssystem portiert. Das so entstehende Paket ist, wie auch Kirn einraeumt, klar gegen SAPs R/3 positioniert.

Mit dieser Produktkombination soll das neue Unternehmen, so IBM- Deutschland-Chef Edmund Hug, zweistellige Anteile am deutschen Markt erringen. Ausserdem, so Hug gegenueber dem Informationsdienst "vwd", sei die IBM mit ueber drei Milliarden Mark Umsatz schon jetzt weltweit groesster Anbieter von Anwendungssoftware.

Was die personellen Konsequenzen betrifft, so wechseln die 160 bei Sema fuer die I-Linie zustaendigen Mitarbeiter zur neuen Firma. CGI steuert rund 500 Mitarbeiter bei. Entwicklungsstandort bleibt Wilhelmshaven. Bei IBM Stuttgart sind lediglich 25 Copics/Cimapps- Mitarbeiter betroffen. Sie sollen in anderen Bereichen eingesetzt werden.