Philips-Minicomputer P 856 im "medizinischen" Einsatz:

Selbstgestrickter Editor als Codierzeit-Raffer

20.09.1978

Von Karl-Heinz Ellsässer, Ellen Hönicke und Karl-Heinz Offenhäuser*

Im Krankenhaus Rohrbach, einer Thorax-Chirurgischen Spezialklinik, arbeitet die Projektgruppe "DVM 311" (Datenverarbeitung in der Medizin) am Aufbau eines Krankenhaus-zentrierten Tumorregisters für die dortige Krebsnachsorgeambulanz. Eingesetzt wird ein Philips Minicomputer P 856 (32 K Worte) mit dem Betriebssystem MUMPS-800 (Massachusetts General Hospital Utility Multi Programming System). MUMPS ist ein interpretatives Programmier-, Datenhaltungs- und Betriebssystem, das speziell für Krankenhaus-Anwendungen entwickelt wurde. In der "Projekt-Anlaufphase" Ende letzten Jahres wurde unter anderem ein Programm-Editor, der die Codierzeiten auf einen Bruchteil senkt, entwickelt.

Die in MUMPS-800 eingebauten Programm-Editierfunktionen sind minimal. Sie erlauben lediglich das Ersetzen von Textteilen. Das Einfügen von Zeilen geht nur einfach, wenn die einzufügende Zeile keinen Label hat. Das Einfügen von Zeilen mit Label erfordert einen hohen Aufwand (Abbildung 1).

Bei dem von uns entwickelten Editor wird dazu nur ein Pointer im Hauptspeicher verändert (Abbildung 2). Die Schwierigkeit bei der Entwicklung des Editors lag darin, daß zwar Funktionen für die Umwandlung von "Programmen" in "Daten", nicht aber von "Daten" in "Programme" vorhanden sind (Daten sind leichter zu manipulieren als Programme). Wir entschlossen uns, das zu bearbeitende Programm nicht in "Daten" umzuwandeln. Der Steuerteil des Editors und das zu editierende Programm werden zugleich in der aktuellen Partition gehalten. Da die Größe jeder Partition fest vorgegeben ist, mußte unser Editor möglichst klein gehalten werden. Dies wurde durch Auslagerung der einzelnen Funktionen des Editors auf Platte erreicht.

Jeder Editor-Befehl besteht aus einem Buchstaben, einem Trennzeichen und dem entsprechenden Argument. Mehrere Befehle können auf einer Zeile stehen und zusammen eingegeben werden. Durch Hinzufügen eines Zählers kann angegeben werden, wie viele Zeilen zu

bearbeiten sind. Ein Zeiger zeigt auf die aktuelle Zeile.

Der bearbeitete Programmabschnitt wird nach jeder Änderung strukturiert auf dem Bildschirm ausgegeben. Die Größe des Ausschnittes ist veränderbar. Verschiedene Programme können zu einem Programm zusammengefügt werden (Linking).

Es gibt Funktionen für das Einfügen, Löschen, Teilen und Kopieren von Zeilen. Der Zeilenzeiger wird durch die Befehle "Blättern", "Next", "Suche Label" und "Suche Zeichenkette" verändert. Zeichenketten können verändert, gelöscht oder ergänzt werden. Eine Liste der verfügbaren Befehle läßt sich jederzeit ausgeben. Eine Option des Abspeicherungsbefehls ermöglicht die sofortige Ausführung des editierten Programms.

Die Entwicklung des Editors beanspruchte zirka drei Mannmonate; heute ist er ein täglich benutztes Werkzeug bei der Programmentwicklung. Wegen der kurzen Antwortzeiten ist sein Einsatz

auch bei geringfügigen Änderungen lohnend. Außer in unserem Haus wird der Editor noch in der Abteilung für Dokumentation und Datenverarbeitung im Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt eingesetzt.

* Karl-Heinz Ellsässer, Ellen Hönicke und Karl-Heinz Offenhäuser arbeiten in der Projektgruppe "DVM 311" am Krankenhaus Rohrbach