Autonomes Fahren - Mobilität der Zukunft

Selbstfahrende Autos: Alltags-Hürden

22.12.2015
Dass selbstfahrende Autos in wenigen Jahren zum Alltag im Straßenverkehr gehören werden, gilt bereits als sicher. Die Branche macht sich jetzt daran, die neuen Probleme zu lösen, die sie mit sich bringen.

Autos die nicht von allein fahren können, werde auf lange Sicht das Schicksal von Pferden ereilen - meint zumindest Elon Musk. "Man wird nur aus sentimentalen Gründen eines besitzen", orakelte der Milliardär hinter dem US-Elektroauto-Pionier Tesla jüngst über die künftige Dominanz der Computer am Steuer. Nun ist Musk, der nun schon seit einigen Jahren versucht, den konventionellen Verbrennungsmotoren Konkurrenz zu machen und in diesem Jahr gerade einmal gut 50.000 Autos auf die Straße bringt, bekannt für markige Sprüche. Aber auch der Rest der Branche geht inzwischen fest davon aus, dass autonome Mobilität Einzug in unseren Alltag halten wird. "Selbstfahrende Autos werden kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche", sagt Ralf Lenninger vom Automobilzulieferer Continental. Das Tempo, das die Industrie beim Wandel vorlegt hat inzwischen deutlich angezogen.

Autonomes Fahren ist die Mobilität der Zukunft - darin sind sich Experten inzwischen einig. Doch die selbstfahrenden Autos stehen vor zahlreichen Alltags-Hürden.
Autonomes Fahren ist die Mobilität der Zukunft - darin sind sich Experten inzwischen einig. Doch die selbstfahrenden Autos stehen vor zahlreichen Alltags-Hürden.
Foto: Volvo

Autonomes Fahren im Trend: Die Hersteller rüsten auf

Alleine in den vergangenen Wochen und Monaten ist im Hinblick auf autonomes Fahren einiges passiert: Toyota kündigte die Investition von einer Milliarde Dollar in künstliche Intelligenz für Fahrzeuge an, ein Fahrzeug der französischen PSA-Gruppe (Peugeot und Citroen) legte autonom rund 3000 Kilometer von Paris nach Madrid zurück und Tesla gab eine neue Autopilot-Software frei, die unter anderem einen Spurhalte- und Abstandsassistenten beinhaltet. Der chinesische Internet-Riese Baidu überraschte zudem mit Plänen für ein autonomes Auto, das in Kooperation mit BMW entstehen soll und im schweizerischen Sion sollen im Frühjahr 2016 zwei selbstfahrende Busse den Betrieb aufnehmen. Als Zeichen für die Demokratisierung der Entwicklung stattete der 26-jährige George Hotz - der einst im Teenager-Alter als einer der ersten iPhone-Hacker bekannt wurde - innerhalb weniger Wochen in seinen Acura ILX mit allen Sensoren für autonomes Fahren aus.

Geht es um autonomes Fahren, beginnen die Fragen eigentlich nur noch mit "Wann" und "Wie" und nicht mehr mit "Ob". Die OEMs können sich nun auf die Lösung neuer Probleme konzentrieren, die die selbstfahrenden Autos mit sich bringen. Dazu gehört zum Beispiel, die Rolle des Menschen am Steuer zu klären. Im Moment heißt es, der Fahrer solle jederzeit bereit sein die Steuerung seines Automobils wieder selbst zu übernehmen. Aber genauso klar ist auch, dass es selbst erfahrenen Fahrern schwer fallen wird, sich im Verkehrsgeschehen mit einem autonomen Fahrzeug zurechtzufinden.

"Wir müssen erst einmal feststellen, ob der Mensch überhaupt in der Lage ist wieder die Verantwortung zu übernehmen", sagt Ralf Lenninger. Continental entwickelt deshalb Systeme zur Fahrerbeobachtung. Dabei kommen Kameras zum Einsatz, aber auch die Position im Sitz wird ausgewertet. Aus den Daten wird eine Reaktionszeit prognostiziert. Diese kann extrem gering sein - aber auch bei 13 bis 15 Sekunden liegen, zum Beispiel wenn der Mensch am Steuer des Connected Car eingenickt sein sollte. Für solche Fälle ist ein Notfallprogramm angedacht, das beispielsweise den Warnblinker aktiviert und das Auto an den Straßenrand manövriert.

Selbstfahrende Google-Autos: Die Macht des Computers

Der Internet-Riese Google, der bereits seit 2009 am Projekt autonomes Fahren arbeitet, entschied sich für eine radikalere Lösung. Die zukünftigen Google-Autos sollen gänzlich ohne Pedale und Lenkrad auskommen - die Kontrolle über das Fahrzeug wird also zu einhundert Prozent in der "Hand" eines Computers liegen. "Es war eine schwierige Entscheidung", räumt Chefentwickler Chris Urmson ein. "Aber wenn Sie in einem Auto sitzen, das die ganze Zeit von allein alles richtig macht, schwindet Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich dann plötzlich ins Verkehrsgeschehen einschalten müssen, haben Sie nicht den Überblick über die Situation, den Sie üblicherweise hätten."

Die kalifornische Straßenverkehrsbehörde DMV (California Department of Motor Vehicles) legte Googles weitreichenden Plänen für die selbstfahrenden Autos zunächst einmal Steine in den Weg: Sie schlug eine Regelung vor, nach der auch in Zukunft jederzeit ein Fahrer mit Führerschein in der Lage sein müsse, die Kontrolle über das Auto zu übernehmen. "Das konserviert den Status-Quo", kritisierte Urmson daraufhin in einem Blogbeitrag. Kurz davor war ein Google-Auto in Mountain View angehalten worden, weil es aus der Sicht eines Polizisten zu langsam fuhr und den Verkehr behinderte.

Ethik-Probleme & Volvos forscher Vorstoß

Bei der Mobilität der Zukunft gibt es viele weitere Unsicherheitsfaktoren und jede Menge unbeantworteter Fragen: Wie soll sich ein Computer bei einem unvermeidbaren Unfall verhalten? Wen soll er vorrangig schützen? Google will dieses - auch ethische - Problem mit Algorithmen lösen. "In unserem Fall versucht das Auto zuallererst, Fußgängern und Radfahrern auszuweichen", sagt Google-Entwickler Urmson. "Dann vermeidet es den Kontakt mit anderen fahrenden Fahrzeugen. Und erst an dritter Stelle kommen stillstehende Objekte wie Bäume."

Der schwedische Autobauer Volvo preschte jüngst mit einem radikalen Lösungsvorschlag für eine damit verbundene zentrale rechtliche Frage vor: der schwedische Konzern will bei eventuellen Unfällen mit seinen selbstfahrenden Fahrzeugen die volle Haftung übernehmen. Das wäre ein radikaler Umbruch, denn nach den bisherigen Regelungen ist ausschließlich der Fahrer am Steuer verantwortlich. Ob andere OEMs sich anschließen, dürfte zumindest fraglich sein. Die Bundesregierung fordert in einem Strategiepapier, Verkehrsregeln und Haftung anzupassen - und auch die Fahrausbildung. Bei Continental hofft hingegen vor allem auf die Fähigkeit der Software, Unfälle zu vermeiden. "Wenn ich ein selbstfahrendes Auto habe, werde ich in eine solche Situation gar nicht erst kommen", sagt Ralf Lenninger. "Das ist ja schließlich der Gag am selbstfahrenden Auto." (dpa/fm)