Selbstdiagnose aus dem Internet

08.06.2001
"Ich hab im Internet ein neues Medikament gegen meine Rückenschmerzen gesehen." Bei diesem Satz verdrehen viele Apotheker die Augen. Allerdings kann die eigenmächtige Recherche durchaus von Nutzen sein.

Nach Expertenschätzungen können Nutzer derzeit auf mehr als 15 Millionen Websites Gesundheitstipps abrufen, Ärzte per Mausklick suchen oder Hilfen zur Raucherentwöhnung finden. Doch die Bundesärztekammer mahnt zur Vorsicht bei medizinischen Informationen aus dem Internet. "Man sollte lieber vorher zum Arzt gehen und fragen, ob man einer Empfehlung aus dem Internet trauen kann", meint Otmar Kloiber, Dezernent in der Geschäftsleitung der Bundesärztekammer.

Doch auch Ärzte können irren - und dann ist Eigenrecherche angesagt. So beispielsweise bei einem Münchner Kinderarzt, der den Ausschlag in der Hand des kleinen Patienten auf einen ersten, kurzen Blick hin als "Krätze" diagnostizierte und das Pestizid "Lindan" verordnete, das im Verdacht steht, krebserzeugend zu sein. Die etwas beunruhigte Mutter schaute sich zuhause im Internet nach alternativen Medikamenten um - und wurde prompt fündig. Den Gang zur Apotheke konnte sie sich dann auch noch sparen.

Denn beim Betrachten der Bilder von Krätze-befallenen Patienten wurde sie stutzig: Keinerlei Ähnlichkeit mit dem Ausschlag ihres Kindes! Dann muss man wohl doch jemand fragen, der sich damit auskennt. Der daraufhin konsultierte Hautarzt stellte eine Allergie fest. Und Lindan wurde vorschriftsmäßig entsorgt. So hebt denn auch Edwin Smigielski vom Bonner Bundesgesundheitsministerium auch die positiven Seiten von "Mediportalen" im Internet hervor. Sie könnten beispielsweise die "Patientensouveränität" stärken, als Informationsforum bei der Schulung von chronisch Kranken und als neues Handelsforum im Apothekenbereich dienen.

Grundsätzlich nicht erlaubt sei ein Versandhandel im Apothekenbereich, die Regierung ist aber laut Smigielski bemüht, hier zusammen mit den Apotheken neue Lösungen zu erarbeiten. Beispielsweise bietet als erste Organisation nun der Apothekerverband Nordrhein einen Medikamenten-Bestellservice per Internet an. Ein Direktversand ist der Service aber ausdrücklich nicht. Kunden können vielmehr die gewünschte Arznei über eine Apotheke ihrer Wahl bestellen und später dort abholen. Arzneimittel-Direktversand im Internet bietet dagegen die niederländische Internet-Apotheke Doc Morris.

Sie verschickt ihre Medikamente per Kurier - auch an deutsche Kunden. Das Sortiment enthält eigenen Angaben zufolge ausschließlich zugelassene und geprüfte Arzneimittel aus Europa. Mit dem Dienst beschäftigen sich allerdings aufgrund der unklaren Rechtslage zahlreiche Juristen.