IT-Kompass: Unternehmens-IT im Fokus

Selbstbild und Fremdwahrnehmung divergieren

08.04.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Keine Trennung von IT und Business

Kraus mag das Glas aber nicht halb leer sehen: Wenn erkannt werde, dass die IT-Potenziale nicht voll ausgeschöpft würden, heiße das auch, "dass immer mehr Unternehmen erkennen, welche neuen Chancen die IT und die digitale Transformation eigentlich bietet". Dabei seien es vor allem die Fachbereiche, die diese Möglichkeiten bemerkt hätten - weshalb sie auch häufiger als ihre IT-Kollegen auf ungenutzte Potenziale hinwiesen.

Um den erkannten Mangel zu beheben, sei es notwendig, dass IT und Management eng zusammenarbeiteten: "Eine strikte Trennung zwischen IT-Abteilung und Business darf es nicht mehr geben", mahnt Kraus. Beide Seiten seien gefordert: Die Geschäftsleitung müsse den CIO als Bestandteil der Unternehmensführung sehen und in die strategische Planung einbeziehen. In den Fachbereichen hingegen müsse neben Business- auch IT-Wissen vorgehalten werden. Und das CIO-Team schließlich sollte sich mehr mit Innovationen und weniger mit operativen Themen beschäftigen.

Die Fähigkeit zu Innovationen gehört nach Ansicht der Business-Bereiche nicht unbedingt zu den Stärken der CIOs. Auf die Frage "Wer treibt Innovationen in der IT voran"? nannten die Fachbereichsleiter genauso häufig wie den CIO, also zu 37 Prozent, sich selbst beziehungsweise ihre Kollegen aus anderen Ressorts. Die IT-Chefs sehen das anders. Von ihnen betrachten sich 66 Prozent als die eigentlichen Innovatoren.

Fachbereiche wollen digitale Prozesse

"Dieses Ergebnis verdeutlicht die immense Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild der IT", konstatiert Kraus: "Die Fachbereiche nehmen vor allem die Innovationen wahr, welche ihre alltägliche Arbeit unterstützen." Die IT-Abteilungen hingegen konzentrierten sich oft auf technische Innovationen, die von den internen Kunden kaum registriert würden - beipielsweise Virtualisierungstechnik oder neue Management-Tools.

Die von Kraus angesprochene Diskrepanz zeigt sich auch in der Frage nach den Anforderungen an die IT. Die ITler selbst wollen die IT-Sicherheit gewährleisten, die IT-Performance erhöhen und die IT-Landschaft standardisieren. Die Fachbereiche halten das offenbar für selbstverständlich. Sie verlangen an erster Stelle mehr Untersützung bei der Optimierung und Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Wie der IDC-Analyst ergänzt, ist dies bereits im fünften Jahr die bei Weitem wichtigste Anforderung der Fachabteilungen an die IT.

Ausmaß der Zufriedenheit gesunken

Doch was genau erwarten Fachbereiche, wenn sie die Optimierung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen anmahnen? Kraus: "Die Abläufe werden mit IT-Tools digital abgebildet, Prozess-SLAs werden definiert, und bisher manuelle Teilschritte sollen einen möglichst hohen Automatisierungsgrad erreichen." So ließen sich zeitraubende und fehleranfällige Routineaufgaben vermeiden. Doch die "Verschlankung" der Backend-Prozesse ist nur der Anfang. Größeres Potenzial bieten Frontend-Prozesse mit den Kunden: "Sie haben direkten Einfluss auf den Geschäftserfolg."

Grundsätzlich sind vier Fünftel der Fachbereiche mit ihren IT-Bereichen mehr oder weniger zufrieden - etwa genauso viele wie 2014. Doch das "Ausmaß" der Zufriedenheit ist gegenüber dem vergangenen Jahr gesunken, so Mark Alexander Schulte, Consultant bei IDC. Die Marktforscher unterscheiden zwischen "sehr zufrieden", "zufrieden" und "eher zufrieden". Diemal wählten 41 Prozent der Anwender eine der ersten beiden Kategorien, im vergangenen Jahr waren das noch 58 Prozent.

Mark Schulte: "Das Ausmaß der Schatten-IT ist vielen CIOs nicht bewusst."
Mark Schulte: "Das Ausmaß der Schatten-IT ist vielen CIOs nicht bewusst."
Foto: IDC

"An diesen Werten werden die gestiegenen Erwartungen und Anforderungen an den IT-Bereich deutlich", sagt Schulte. Von ihren privaten Geräten und Apps wüssten die Anwender, wie intuitive, einfache und benutzerfreundliche Technik aussehe. Ähnliches erwarteten sie von ihrer Unternehmens-IT. Das aber könnten die meisten IT-Abteilungen nicht liefern.

Anwender fühlen sich unverstanden

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Die Fachbereiche haben zu 43 Prozent den Eindruck, die IT-Abteilung verstehe ihre Anforderungen zu wenig. 39 Prozent sind der Ansicht, die IT brauche zu lange, um neue Anforderungen umzusetzen. Die IT kontert mit dem Vorwurf, die Fachbereiche brächten zu wenig technisches Verständnis auf (55 Prozent). Hier sind sich IT und Business offenbar noch immer nicht nähergekommen. Nur die Mentalitäts- und Sprachunterscheide nivellieren sich ein wenig - aus Sicht beider Parteien.

Zwar sind mittlerweile 25 Prozent (2014: 17 Prozent) der Fachbereichsleiter willens, den Fachkräftemangel in der IT als mildernden Umstand zu werten. Dafür kreiden heuer 22 Prozent (2014: 17 Prozent) den IT-Bereichen an, es fehle ihnen an Beratungs-Know-how. Wie Schulte meint, steht die IT in der Pflicht, Wissen über Verfahren und Abläufe in den Fachbereichen aufzubauen, wenn sie ein "Partner auf Augenhöhe" sein wolle.

Was also muss passieren, damit eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen IT und Business möglich wird? Ein "tiefgehendes Verständnis der fachabteilungsbezogenen und technischen Anforderungen" halten 58 Prozent der ITler und 57 Prozent der Business-Mitarbeiter für wünschenswert - deutlich mehr als im Jahr zuvor (52 beziehungsweise 49 Prozent). Noch wichtiger sind der IT allerdings die "frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten" in die Projektplanungen (76 Prozent) sowie die "offene Kommunikation und Zusammenarbeit" (76 Prozent).

Das Business findet diese beiden Punkte ebenfalls wichtig, allerdings nicht im selben Maß (51 beziehungsweise 61 Prozent). "Viele CIOs haben es offenkundig noch nicht geschafft, ihre technische Kompetenz und ihren Mehrwert für strategische Projekte deutlich zu machen", kommentiert IDC-Berater Schulte die Ergebnisse. "Oft bleiben die Vorteile einer frühzeitigen Einbindung, etwa innovative Lösungskonzpete oder geringe Abstimmungsprobleme, ungenutzt."

Augenscheinlich gibt es auch Nachholbedarf in Sachen Offenheit. Viele Fachbereiche lassen die IT im Unklaren über ihre eigenen IT-Aktivitäten. So verfügt beinahe jeder zweite Business-Entscheider über ein separates IT-Budget. Und mehr als ein Viertel von ihnen räumt ein, IT-Leistungen an der zentralen IT vorbei zu beziehen. Die Gründe dafür sind die altbekannten: Die eigene IT sei zu teuer (17 Prozent), unfähig, die Anforderungen umzusetzen (38), zu langsam (34) oder unwillig, genau die Lösung anzubieten, die der Fachbereich (sic!) für die geeignetste hält (43). Die IT-Chefs sind sich über das Ausmaß dieser Alleingänge häufig nicht im Klaren: Bei ihren Schätzungen lagen sie im Durchschnitt zu niedrig.