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Selbständige verzichten auf Lebensqualität

23.03.2016
Von 


Christa Weidner ist seit 1989 in unterschiedlichen Rollen und Positionen in der IT tätig. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter mit neuer Software arbeiten können und wollen. Ihre Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, schützt Entscheider, Projektleiter sowie weitere Schlüsselpositionen davor, falsche Entscheidungen zu treffen und hilft, die Potenziale der IT maximal auszunutzen. Sie unterstützt namhafte Konzerne und Unternehmen des Mittelstands unterschiedlicher Branchen. Im Juni 2016 hat die IT-Beraterin den  „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2016“ erhalten.

Was eine gute Agentur auszeichnet

Sollten wir wegen Scheinselbständigkeit auswandern? "Das geht bei mir nicht", antworten viele IT-Selbständige. Eine Antwort, die meist spontan, ohne wochenlanges Überlegen, Grübeln und der ernst gemeinten Suche nach einer Lösung kommt. Diese Antwort zeigt: Man möchte am Status Quo festhalten. Veränderung ist unerwünscht, insbesondere wenn sie von Außen diktiert wird. Das entspricht nicht dem Selbständigen-Style und engt ein.

Doch wollen wir unser Land verlassen, weil es neue Regelungen zur Scheinselbständigkeit gibt? Ich plädiere dafür, die Auswirkungen genauestens zu analysieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein Modell, das dazu führen wird, dass wir pro Einheit Lebenszeit einen höheren Nutzen für unsere Kunden erreichen, gute Argumente für ein höheres Honorar haben, höhere Erlöse für unsere Leistung erzielen und gleichzeitig weniger von unserer Lebenszeit einsetzen müssen.

"Das werden die Kunden nicht bezahlen", höre ich viele Selbständige widersprechen. Die Selbständigen, die froh darüber sind, dass es Agenturen gibt, die sie an die Kunden verkaufen, da Akquisition der Prostitution gleichkommt. Ja, ich arbeite auch für meine Kunden via Agenturen, weil es keine andere Chance mehr gibt, an Aufträge zu kommen.

Doch wünsche ich mir eine Agentur, die sich um mich kümmert und nicht als verlängerter Arm des Einkaufs unserer Kunden agiert (siehe hierzu: Ein Traum von einer Agentur). Wir werden nicht mehr nur mit unserem Fachwissen glänzen können, sondern mit Nutzen argumentieren müssen. Wir kennen die Probleme, Schmerzen und Nöte unserer Kunden. Dafür müssen wir Zeit und Geld in die Hand nehmen, um den Veredelungsprozess mit Leben und Inhalt zu füllen. Auch bei mir hat sich die Lösung nicht über Nacht aufgedrängt, sondern es hat mehrere Kundenprojekte und verschiedenste Anforderungen bedurft, bis ich heute sagen kann: "Von mir bekommen Sie die perfekte Bedienungsanleitung für Software."

Mehr bieten als Know-how

Entwickeln Sie Methoden, Tools, Serviceprogramme, Serviceangebote, Werkzeuge, Pakete, Abonnements, die Sie Ihren Kunden anbieten. Schaffen Sie eine Verpackung für Ihre Dienstleistung. Reichern Sie Ihre Zeit mit vorgefertigten und vorgedachten Bausteinen und Modulen an. Kurzum: Bieten Sie mehr als nur Ihr Know-how und Ihre Erfahrung in Lebenszeit-Einheiten an.

"Der Kunde will aber Berater, die vor Ort im Team arbeiten" lautet das Gegenargument. "Das ist um 20 Prozent effizienter, als wenn in virtuellen Teams gearbeitet wird." Dann wird sich der Kunde wohl festangestellte Mitarbeiter und Berater oder Mitarbeiter aus der Zeitarbeit einkaufen müssen! Wir werden als Selbständige diese Rolle nicht mehr übernehmen können. Wir werden weniger vor Ort und weniger mit Dritten zusammen arbeiten können und sehr viel mehr selbständig an unseren Liefergegenständen und Lösungen arbeiten.

Ich selbst mache übrigens nicht die Erfahrung, dass ich effizienter arbeite, wenn ich vor Ort tätig bin. Ganz im Gegenteil, viel zu viel Energie wird von der Organisation selbst abgesaugt. Hier ein Meeting, dort ein Projektleiter mit einer Sonderaufgabe oder einer neuen Anforderung und dort ein netter Kollege, der gerne einen Plausch abhält. Räumlichkeiten und Arbeitsplatzbedingungen, die Abstellkammern gleichen und jeden kreativen und konzentrierten Gedanken verhindern. Wenn unsere Kunden die Reisekosten und Reisezeiten wieder bezahlen würden, dann gäbe es dieses Argument ganz sicher nicht mehr. Aber so ist es angenehmer und einfacher, wenn sie die Berater und Selbständigen um sich scharren. Und wir machen alle mit. Ist das echte Selbständigkeit?

Natürlich ist es von Vorteil, wenn ich die Projektkollegen kenne, wenn ich weiß, wer für welches Thema zuständig ist, wer mir auf dem kurzen Dienstweg helfen kann. Doch ist die Vorort-Tätigkeit tatsächlich der einzig mögliche Weg, um das zu erreichen? Die Un-Selbständigen machen es uns doch vor: Die arbeiten immer mehr von zuhause. Führungskräfte, die globale Teams leiten und zum Zusammenarbeiten bewegen. Warum also sollte das gerade bei uns ein unverzichtbares Element in der erfolgreichen Zusammenarbeit sein? Ich kann sehr viel effizienter arbeiten, wenn ich Ort und Zeit selbst auswähle. Ergebnisse lassen sich schneller erreichen. Setze ich außerdem meine vorgefertigten Bausteine und Tools ein, wäre es so, als hätte ich den Turbo eingeschaltet. Auch, wenn wir dann mehr Honorar pro Stunde bekommen, zahlt der Kunde in der Summe weniger - eine Win-Win-Situation für alle. Vorausgesetzt: Wir wollen etwas ändern.