Selbst bei 400 000 Anschlüssen im Jahr 1986 wäre Btx im Grunde schon ein Erfolg

05.08.1983

Mit den Diebold-Bildschirmtext-Experten Eberhard Holler und Michael Kaminski sprachen Helga Biesel und Claudia Marwede-Dengg

Der Bildschirmtext-Markt ist zur Zeit ein beliebtes Spekulationsobjekt speziell der deutschen und US-Marktforscher. Auch in der Diebold-Studie werden Prognosen betroffen. Die Zahlen verwundern auf den ersten Blick wegen ihrer großen Bandbreite: Bis Ende ´85 gibt es also zwischen 150 000 und 310 000 Btx-Terminals und bis ´88 1,1 bis 2,2 Millionen. Selbst wenn man nun optimistische und pessimistische Aussagen zugrunde legt: Wie ist diese enorme Differenz zustande gekommen?

Diebold: Das Problem liegt einfach darin, daß Btx ein neues, Medium ist. Es gibt keine Vergangenheitswerte, auf die man aufbauen kann; man kann nicht extrapolieren und auch keine Analogieschlüsse ziehen. Deswegen sind Prognosen über Bildschirmtext schwierig. Diebold hatte jedoch den Vorteil, im Auftrag der Bundespost ein Prognosemodell zu entwickeln. Dieses Projekt steht jetzt kurz vor dem Abschluß. Innerhalb des Prognosemodells wird die Ausbreitung und die Nutzung von Bildschirmtext im privaten und im gewerblich-kommerziellen Sektor untersucht. Hier haben Experten-Interviews, Workshops und weitere Befragungen stattgefunden, und es wurde auf die Voruntersuchung in Düsseldorf zurückgegriffen. Darüber hinaus wurde die Media-Analyse mit zirka 20 000 Haushalten zu Rate gezogen, um das Ganze repräsentativ zu machen. Die Ergebnisse wurden in einem Modell abgebildet. Anschließend haben die ersten Prognoseläufe stattgefunden. Das heißt, wir haben unter verschiedenen Annahmen Prognoseläufe durchgeführt. Da das Prognosemodell noch nicht vollständig ist, haben wir es durch unser Wissen und unsere Erfahrungen ergänzt und schließlich eine Prognose gewagt.

Damit wird schon die Bandbreite deutlich. Sie liegt für 1985 bis 150 000 bis 310 000 Anschlüssen. Das sind zirka 100 Prozent. Zur Erläuterung sollte man auf die Einflußgrößen eingehen, die die Ausbreitung von Bildschirmtext bestimmen. Diebold hat zahlreiche Faktoren untersucht. Diese wurden für die einzelnen Gruppen der Beteiligten private Nutzer, kommerzielle Nutzer und Informationsanbieter - separat bewertet. Die drei wichtigsten sind jeweils: im privaten Sektor die Gerätepreise, sprich der Decoderpreis, ferner Qualität und Umfang des Angebots und drittens - sicherlich ein sehr wichtiger Punkt - die Postgebühren. Zum kommerziellen Nutzer: Hier steht an erster Stelle das Informationsangebot, gefolgt von besonderen Anwendungen wie zum Beispiel die Möglichkeit, geschlossene Benutzergruppen zu bilden. Ein weiterer wichtiger Faktor für den kommerziellen Nutzer ist die Zuverlässigkeit des Netzes und dessen schneller Ausbau.

Beim Informationsanbieter steht an erster Stelle die Zuverlässigkeit des Netzes. An zweiter Stelle folgen die Gebühren, deren Hauptanteil vom Informationsanbieter getragen werden muß. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage: Wie stellt sich Bildschirmtext im Vergleich zu bestehenden und zukünftigen Medien dar?

Vielleicht noch ein Wort zu den Bandbreiten der Diebold-Prognose. Wenn man auf das Jahr ´86 abstellt, auf das auch die Bundespost ihre Planzahl von einer Million Teilnehmern ausrichtet, so sollte man hier durchaus das Wort "Planzahl" betonen. Die Post selbst spricht immer von Planzahlen.

Diebold sieht für 1986 die Untergrenze bei 430 000 und die Obergrenze bei 770 000 Anschlüssen. Selbst bei 400 000 Anschlüssen im Jahr 1986 wäre Btx im Grunde schon ein Erfolg, denn das wäre eine fundierte Grundlage für Investitionsentscheidungen künftiger Informationsanbieter.

Unsere Bandbreite relativiert sich auch, wenn man sich das prognostizierte schnelle Wachstum vor Augen führt. Zwar sind wir bei ungünstigerem Verlauf ´88 erst bei 1,1 Millionen Anschlüssen. Diese 1,1 Millionen Btx-Terminals, sind aber schon mehr, als zum gleichen Zeitpunkt an normalen Datenterminals vorhanden sind.

Heute haben wir zwischen 400 000 und 500 000 Datenterminals und können von einem jährlichen Wachstum von rund 20 Prozent ausgehen. Wenn wir die Btx-Zahlen von 1987 oder 1988 nehmen, dann wird Bildschirmtext mehr Endgeräte haben, als es heute "klassische" Datenterminals gibt. Das macht die gewaltige Entwicklung, die von Btx ausgeht, ersichtlich.

Wie viele von den 1,1 Millionen Terminals sind Mehrzweckterminals, die heute vielleicht als Datenterminals einzuordnen wären nicht als reine Btx-Terminals?

Diebold: Etwa ein Viertel der Anschlüsse erstreckt sich auf die privaten Haushalte. Dort handelt es sich um Fernsehgeräte in der Wohnstube. Ein weiteres Viertel wird im sogenannten semiprofessionellen Bereich installiert sein, also bei Ärzten, Freiberuflern, Landwirten. Die restlichen 50 Prozent werden sich bis ´86/æ87 im gewerblich-institutionellen Bereich, also in Firmen, etablieren. Hier ist ganz klar von der Entwicklungslinie auszugehen, daß Datenterminals und auch Textterminals bildschirmtextfähig werden. In großen Unternehmen wird ein Großteil ohnehin Mehrzweckterminals sein.

Also auch Personal Computer?

Diebold: Auch Personal Computer. Der Trend geht einfach in Richtung kommunikationsfähige Multifunktionsterminals. Anhand von aktuellen Aufträgen und Projekten im Beratungsgeschäft merken wir, daß die Hersteller die Bedeutung von Bildschirmtext erkennen und fragen: Wie werden unsere Produkte bildschirmtextfähig? Wo sind die Märkte? Was müssen wir tun?

Sie haben für Bildschirmtext in der Studie auch die Marktsegmente untersucht. Da sind wir etwas über die Prozentzahlen und über die Verteilung gestolpert. Sie haben gesagt, 65 Prozent entfallen auf die Btx-Endgeräte beziehungsweise Peripherie, 25 Prozent auf Rechner und Software sowie 10 Prozent auf Dienstleistungsgruppen. Uns erscheint die Zahl von 25 Prozent für Computer und Software und auf der anderen Seite 65 Prozent für Endgeräte, wenn man jetzt die Preise der Geräte anschaut, doch etwas ungleichgewichtig.

Diebold: Man muß, wenn man sich die Prozentzahlen vor Augen führt, daran denken, daß der Hauptmarkt durch die Endgeräte bestimmt wird. Die Menge macht´s. Daher stammen auch die 65 Prozent. Die Aufteilung bezieht sich auf den Umsatz im Jahr 1988 - 2,3 bis 4,8 Milliarden DM -, und da rechnen wir bei ungünstigen Rahmenbedingungen, wie gesagt, mit 1,1 Millionen Endgeräten.

Rechner und Software beziehen sich vorwiegend auf die externen Rechneranschlüsse. 1986 erwarten wir 500 bis 1000 externe Rechner und 1988 1 000 bis 2000. Diese externen Rechner werden im wesentlichen Front-/Endrechner mit der entsprechenden Schnittstellensoftware sein. Das ergibt, bezogen auf 1,1 Millionen Terminals, die erwähnten 25 Prozent.

Die Anwendungssoftware ist also dabei ausgeklammert?

Diebold: Ja, weil schwer zu definieren ist, wo Bildschirmtext aufhört. Beim externen Rechnerverbund ist Bildschirmtext nichts anderes als Datenfernverarbeitung über die Kommunikationsinfrastruktur Bildschirmtext. Wenn die Online-Auftragsabwicklung über Bildschirmtext abgewickelt wird, fragt sich, inwieweit das dann noch zum Bildschirmtext zählt. Wir haben da einen Schnitt gemacht.

Damit wäre die relativ niedrige Zahl geklärt.

Diebold: Die externen Rechner sind insoweit berücksichtigt ausschließlich für den Anschluß an Bildschirmtext eingesetzt werden. Vielleicht sollten wir an der Stelle noch einmal betonen daß Bildschirmtext die klassischen Datenübertragungsverfahren nach unten hin erweitert, so daß sich mit Btx auch der gelegentliche Abruf von online verfügbaren Informationen und Dienstleistungen lohnen wird.

Es gibt ja nun eine Menge offiziellen und anderen Begleituntersuchungen. Was ist das Besondere der Diebold-Studie und wer speziell ist die Zielgruppe?

Diebold: Mit dieser Studie wenden wir uns an Hersteller sowie an gegenwärtige und potentielle kommerzielle Nutzer und Informationsanbieter.

Die Hersteller stehen vor der Frage: Sollen wir in diesen Markt einsteigen? Ist das der richtige Markt für uns? Müssen wir unsere Produkte dahin ausrichten? Da kann man mit einer Umfeldbetrachtung und entsprechenden Marktzahlen Hilfestellung geben. Die Informationsanbieter auf der anderen Seite stehen vor dem Problem: Sollen wir hier Programme machen? Sollen wir einen externen Rechneranschluß installieren? Sollen wir uns mit Bildschirmtext nach außen öffnen? Die wollen natürlich auch wissen, wie sich die Anschlußzahlen entwickeln.

Sie haben hauptsächlich selbst recherchiert?

Diebold: Teils... teils. Wir haben auch Elemente der Begleituntersuchungen einbezogen, vor allen Dingen im Prognosemodell, das wir zusammen mit der Forschungsgruppe Bildschirmtext der Universität Trier entwickelt haben. Im Rahmen des Modells wurde das vorhandene Wissen auf eine repräsentative Basis gestellt.

Insgesamt kann man wohl sagen, daß die Studie gegenwärtig das Aktuellste auf dem Markt ist, was in knapper Form umfassend über Bildschirmtext berichtet. Wir berichten über die internationale Situation, die zugrundeliegenden Technologien, insbesondere aber über die Situation in unserem Land und die gesamte Übergangsphase sowie die bereits diskutierte Marktentwicklung.

Hätten Sie sich in Bildschirmtext so vertieft, wenn Sie nicht den Postauftrag gehabt hätten, die Prognose zu erstellen?

Diebold: Wir haben uns bereits vorher mit Bildschirmtext auseinandergesetzt und zwar sehr früh. Denken Sie nur an den ersten Bildschirmtextkongreß in Düsseldorf, den Diebold im Dezember 1980 veranstaltet hat. Der Postauftrag war keineswegs der zentrale Motor für die Erstellung dieser Studie. Das ergab sich einfach aus der Situation.

Von 1980 bis heute hat sich sehr viel in Sachen Btx auf- und abbewegt, und es sind erhebliche Investitionen getätigt worden. Haben Sie in jüngster Zeit überprüft oder festgestellt, wie hoch sich die Investitionen der Informationsanbieter belaufen?

Diebold: Wir haben heute über 1800 Informationsanbieter. Dieser Zahl stehen gegenwärtig zirka 6000 Benutzer gegenüber und das ist natürlich ein gravierendes Mißverhältnis. Daraus sieht man, daß die Informationsanbieter - die Industrie, der Handel, die gewerblichen und auch die öffentlichen Institutionen - erkannt haben, daß Bildschirmtext eine wichtige Sache sein wird. Sie haben in Rahmen des Feldversuchs investiert ...

... in Anwendungssoftware, die Sie aber aus Ihrer Untersuchung an sich herausgelassen haben.

Diebold: Wenn man an den externen Rechnerverbund denkt, ist das sicher richtig. Die Versandhäuser haben zum Beispiel Millionenbeträge investiert. Auch die Banken, die über externen Rechneranschluß verfügen, haben Millionen aufgewendet. Diebold ist überzeugt, daß sehr viele Unternehmen bereits konkrete Anwendungen in der Schublade haben, mit denen sie auf den Markt gehen, sobald Bildschirmtext richtig losgeht. Hier handelt es sich auch um Unternehmen, die bisher noch nicht als Informationsanbieter aufgetreten sind.

Irgendeine Zahl wurden Sie nicht nennen wollen?

Diebold: Das ist wegen der unterschiedlichen Struktur der Informationsanbieter sehr schwierig. Aber ein dreistelliger Millionenbetrag ist sicherlich realistisch.

Es ist einige Unzufriedenheit entstanden, weil sich diese Investitionen durch die Verzögerung der bundesweiten Einführung in IBM-Technik und durch eine veränderte Post- und Medienpolitik der neuen Bundesregierung noch nicht so verzinsen, wie man das angenommen hatte.

Diebold: Die Post hat bei der Einführung von Bildschirmtext einen wesentlichen strategischen Pluspunkt erreicht. Sie hat nämlich so mächtige Informationsanbieter gewonnen, daß die Frage, ob Bildschirmtext eingeführt wird oder nicht - und diese Frage stand ja im Raum - eindeutig mit Ja beantwortet werden mußte. Verständlicherweise hat zwar durch die Terminprobleme der IBM eine gewisse Verunsicherung stattgefunden. Andererseits muß man aber feststellen, daß die Post gleichzeitig gesagt hat, sie könne bereits Ende ´85 rund 90 Prozent der Telefonteilnehmer Bildschirmtext zum Nahtarif bieten. Das ist unseres Erachtens die wesentliche Größe. Was nutzt es, wenn Bildschirmtext im Herbst ´83 in vollem Umfang startet, aber erst 1988 der Letzte in Hintertupfing zum Nahtarif angeschlossen werden kann? Wenn man an das Anwendungsspektrum von Btx denkt, vor allem an die Ab-und-Zu-Benutzung die sich bei Bildschirmtext durchaus lohnt, dann sind es gerade diese Entwicklungsgrößen die wichtig sind.

Eine Reihe von Informationsanbietern ist durch diese Verzögerung doch irgendwie verärgert.

Diebold: Sicher, daneben ist aber auch zu bedenken, daß eine ganze Reihe von Anbietern über die Verzögerung gar nicht einmal so böse ist.

Das werde also bedeuten, daß man jetzt nach der anfänglichen Verärgerung im Grunde ganz froh ist über die gewonnene Zeit und sie bis Mai verstärkt nutzen will?

Diebold: Das würden wir auch so sehen, vor allem bei Informationsanbietern, die heute am Anfangspunkt ihrer Planung sind.

Wir sprachen vorher schon über das Umfeld von Bildschirmtext, über konkurrierende oder ergänzende Medien. Mittlerweile ist es ja so, daß die Planung für Bildschirmtext und für Kabelfernsehen nahezu parallel laufen. Machen sich die beiden Medien nicht Konkurrenz und werden nicht letztendlich dadurch die Chancen von Bildschirmtext gemindert, der von der Bedienung her als interaktives Medium sicherlich etwas komplizierter als Kabel-TV ist?

Diebold: Da gilt es zu unterscheiden. Bei Bildschirmtext haben wir es mit einem sogenannten interaktiven schmalbandigen Dienst zu tun; schmalbandig, weil die Übertragungsraten gering sind, und interaktiv, weil es über das Telefonnetz geht, das heißt man kann im Dialog arbeiten. Bei den Kabelprojekten, die jetzt in Ludwigshafen, München, Berlin und Dortmund anlaufen, handelt es sich um Pilotprojekte. Bildschirmtext hingegen startet ´83/Æ84 als öffentlicher Fernmeldedienst.

Wir meinen nicht die Pilotprojekte, sondern die Verkabelungspläne.

Diebold: Die Kabel liegen noch nicht, es wird daran gearbeitet. Bis wir eine flächendeckende Breitbandverkabelung haben, wird es noch sehr lange dauern. Diese Kabel sind heute von der Intention her nur für sogenannte Verteildienste und nicht auf interaktive Dienste ausgelegt. Das heißt, es werden mehr Fernsehprogramme in die Kabel eingespeist und auch für Kabeltext á la Videotext können Kanäle reserviert werden. Folglich ist das etwas anderes als Bildschirmtext - also auch keine Konkurrenz dazu.

Die Werbeetats können sowohl in das eine Medium als auch in das andere Medium einfließen, Informationen können über Kabel-TV genauso an den Mann gebracht werden und zwar mit weniger Aufwand und für den Empfänger bequemer.

Diebold: Auch bei der Werbung muß man unterscheiden. Man wird wahrscheinlich Werbung über Bildschirmtext nur in einem bestimmten Segment anbieten können. Nehmen wir an, Sie suchen ein Kraftfahrzeug oder eine Wohnung. Dann haben Sie einen ganz konkreten Wunsch. Dies ist eigentlich schon keine Werbung im engeren Sinne mehr, sondern das ist ein Markt, wo Partner zusammengeführt werden. Sie werden bei Btx kaum auf die Idee kommen, ausgesprochene Werbung abzurufen. Da hat das Kabelfernsehen im Rahmen seiner Programmausstrahlung, wie der Werbefunk, seine Funktion.

Man kann auch sagen: Über Kabel kommt Bewegtbild, und das ist sicherlich ansprechender als eine Informationsseite, die man irgendwo abruft. Das Medium ist nicht kopflastig. Wenn man an Pay-TV denkt, dann kann Werbung sehr günstig mit eingebracht werden. Aber es wird noch einige Zeit dauern, bis wir in Deutschland eine flächendeckende Verkabelung haben. Bis dahin wird sich auch Bildschirmtext weiterentwickeln; Bildschirmtext steht als interaktiver Dienst erst am Anfang seiner Entwicklung. Denkt man darüber hinaus an das sogenannte ISDN (Integrated Services Digital Network), dann wird sich auch Bildschirmtext erweitern: Man wird höher auflösende Grafiken abrufen und schneller übertragen können.

Vielleicht noch ein Gesichtspunkt: Kabel tendiert mehr in Richtung Unterhaltung - und Unterhaltung läßt sich besser mit Werbung kombinieren, Bildschirmtext ist dagegen weniger ein Unterhaltungsmedium als vielmehr ein "ernsthaftes" Medium, bei dem es um die Befriedigung eines gezielten Informationswunsches geht. Deswegen läuft die anfängliche Entwicklung doch sehr stark in den gewerblich-kommerziellen Bereich hinein.

Wir meinen aber, gerade dadurch, daß die Netze für beide Medien getrennt sind, könnte man sich durchaus vorstellen, daß Bildschirmtext ein mehr oder weniger kommerziell genutztes Medium bleibt und Kabel mehr oder weniger ein Unterhaltungsmedium. Wenn man jetzt diese zwei Medien nebeneinander sieht, fragt man sich, wie es mit dem Zeitbudget der Leute und ihrer Finanzkraft ausschaut. Sind sie bereit, für zwei unterschiedliche Dinge Geld auszugeben oder entscheiden sie sich nicht doch nur für ein Medium?

Diebold: Das hängt von der Qualität der Inhalte, also von der Qualität der Informationen ab.

Der Faktor Geld spielt aber für den privaten Nutzer zweifelsohne - Sie sagten das am Anfang schon im Hinblick auf die Gebühren und die Decoderpreise - eine wichtige Rolle. Wenn zweimal Gebühren verlangt werden, für Btx acht Mark und für Kabelfernsehen neun Mark, dann könnte das doch wohl für die Einführung von Btx prohibitiv sein. Haben Sie diesen Gedanken in Ihrer Studie berücksichtigt?

Diebold: Die Studie selbst befaßt sich primär mit Bildschirmtext. Dessen ungeachtet haben wir im Rahmen der Marktprognose diese Gesichtspunkte bei den Einflußfaktoren berücksichtigt. Es ist übrigens interessant, daß solche neuen Techniken und Produkte immer eine bestimmte Anzahl von Fortschrittsgläubigen finden, die sofort auf diese neuen Sachen zugreifen, koste es was es wolle.

Es gibt ja Leute, die sagen: Das sind die "innovativen Spinner".

Diebold: Von diesen "innovativen Spinnern" gibt es bei uns schätzungsweise 500 000. Die sind heute beinahe etwas überfordert, weil die Innovationszyklen sehr sehr kurz werden. Da gibt es Bildplatten, Kamera-Recorder, Stereoton und eine Vielzahl von neuen Produkten, die diese Käufergruppen immer wieder als Motor brauchen, um im Markt erfolgreich zu sein.

Auf dem amerikanischen Markt ist die Entwicklung umgekehrt verlaufen. Dort gibt es bereits Kabelfernsehen und eingeführte elektronische Datenbanken. Marktforscher sagen für die Einführung von Bildschirmtext oder, wie es international heißt, Videotex daher große Schwierigkeiten voraus. Wäre es nicht gescheiter gewesen, so wie man das ursprünglich vorgehabt hat, Bildschirmtext in ein Vakuum hineinzuproduzieren und seine Vorbereitung abzuwarten, um dann eventuell mit einem zweiten elektronischen Medium nachzuziehen? Jetzt ergibt sich durch die medienpolitischen Ambitionen im Postministerium eine Drängelei auf dem Markt, die für Bildschirmtext möglicherweise nicht sehr gut ist.

Diebold: Sicherlich hängt das auch von den politischen Strömungen ab. Die Amerikaner haben eine etwas andere Situation. Dort sind sehr stark Time-Sharing-Dienste verbreitet,. dort hat man schon heute eine umfangreiche Verkabelung, Pay-TV und in bestimmten Ortsnetzen bereits Rückkanäle. Es gibt aber kaum Bildschirmtext, wenn man von bestimmten Pilotanwendungen und Spezialanwendungen absieht. Das liegt natürlich auch daran, daß es fast keine einheitliche Telekommunikationsinfrastruktur gibt. Sie wird von Privatfirmen wie AT&T und die anderen Netzbetreiber geprägt. Die können nicht wie die Bundesregierung als Monopolinhaber sagen: Wir investieren dreistellige Millionenbeträge in eine einheitliche flächendeckende Infrastruktur.

Wir haben das erste Mal eine Situation, daß Europa auf einem bestimmten Gebiet Vorreiter spielt und wir daher nicht sagen können, daß die Amerikaner uns um zwei bis vier Jahre voraus sind und sich bei uns eine ähnliche Entwicklung nachvollziehen wird. Hier ist es eher umgekehrt. Wenn das kein Signal ist!

Lassen Sie uns aber noch einmal auf das Kabel-TV mit Rückkanal zurückkommen: Wenn wir das hätten, wäre die Konkurrenzsituation zum Bildschirmtext sicher stärker.

Wenn man das interaktive Kabelsystem hätte, wäre es auch möglich, Bildschirmtext darüber abzuwickeln.

Diebold: Sobald Bildschirmtext über das ISDN abgewickelt wird, können wir auch neben Texten und Daten hochauflösende Festbilder abrufen. Damit würde sicher eine Reihe von Anwendungen zusätzlich erschlossen.

Der nächste Schritt wird in den neunziger mit interaktiven Breitbanddienst vollzogen werden. Dazu aber ist die Glasfaser Voraussetzung. Das kann das Koax-Kabel nicht. Man kann zwar mit -dem Kupferkabel über den Rückkanal auch interaktive Dienste von Punkt zu Punkt schalten, zum Beispiel zu einer Gemeindeversammlung, einer politischen Veranstaltung oder zu einem Volkshochschulkursus. Aber das ist keine freie Kommunikation, da kann der Herr A nicht mit einem beliebigen Herrn B eine vermittelte Bewegtbildinteraktion vornehmen. Das ist der Glasfaser vorbehalten.

Wobei wir schon mitten in einer Netzdiskussion sind,...

Diebold: Was wir heute Bildschirmtext nennen und wie wir seinen Anwendungs- und Leistungsumfang, das wird sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren sehr stark ändern. Die Frage ist, ob man das hinterher überhaupt noch Bildschirmtext nennt.