Reinhard Sprenger über Führungsqualitäten

"Sehr gute Spieler sind selten gute Trainer geworden."

14.05.2013
Von Sven Ohnstedt
Wofür werden Führungskräfte eigentlich bezahlt? Reinhard Sprenger im Gespräch über die richtige Mitarbeiterauswahl, Bonuszahlungen und ehrenamtliche Besuche bei der Landespolizei.

Sie sagen, dass Führungskräfte für alles bezahlt werden, nur eben nicht für das Führen. Wieso?

'Ich mache das ausschließlich für mich!' Reinhard K. Sprenger.
'Ich mache das ausschließlich für mich!' Reinhard K. Sprenger.
Foto: DIS AG

Sprenger: Nun ja, weil man niemanden Führen sehen kann - es ist keine Sache an sich. Was machen denn Führungskräfte, wenn Sie führen? Sie sitzen beispielsweise in Meetings und sprechen mit Leuten. Oder sie sitzen im Flugzeug. Außenstehende etikettieren solches Verhalten, sie nennen es Führung.

Wofür werden Führungskräfte dann bezahlt?

Sprenger: In letzter Konsequenz: Um das Überleben der Organisation zu ermöglichen. Und dafür, dass sie dies erfolgreich tun. Alles andere ist Mittel zum Zweck.

Können Organisationen ohne Führungskräfte nicht überleben?

Sprenger: Führung entwickelt sich. Stellen Sie sich eine Gruppe von Menschen vor, die sich zu irgendeinem Zweck zusammengefunden hat. Der eine Teil der Gruppe möchte den linken Weg nehmen, der andere Teil den rechten. Es muss dann eine Instanz geben, die Verantwortung übernimmt und sagt, wo es lang geht - selbst wenn sie es selbst nicht so genau weiß.

Es bedarf demnach an Führung, um Zielkonflikte zu lösen.

Sprenger: Man kann sagen, dass es Führung einzig deswegen gibt, weil Krisen und Zielkonflikte auftreten. Natürlich bestehen auch noch andere Kernaufgaben, aber diese ist einer der Wichtigsten.

Zur Person

Reinhard Sprenger ist Management-Berater und Autor. Sein aktuelles Buch "Radikal führen" erschien im Campus-Verlag.

Welche Kernaufgaben bestehen noch?

Sprenger: Also ich würde sagen: Zusammenarbeit organisieren sowie Transaktionskosten senken, Zukunftsfähigkeit sichern und Mitarbeiter führen.

Besagte Zusammenarbeit stellt Ihres Erachtens den logischen Kern eines Unternehmens dar.

Sprenger: Ja. Menschen bringen Interessen und soziale Bedürfnisse in ein Unternehmen ein, wodurch die Komplexität deutlich zunimmt. Wäre die Zusammenarbeit nicht der logische Kern, so wäre es auch nicht notwendig, die ganzen Kosten dafür auf sich zu nehmen.

Demnach muss Zusammenarbeit möglich sein, um das Überleben des Unternehmens zu sichern.

Sprenger: Noch einmal: Wenn die Möglichkeit bestünde, das Problem alleine zu lösen, dann müsste man es eigentlich tun - allein um die Komplexität zu verringern. In diesem Sinne ist die Organisation von Zusammenarbeit wesentlicher Bestandteil der Unternehmensführung.

Sie halten aber nicht sonderlich viel von Arbeitsgemeinschaften.

Sprenger: Doch. Von Arbeitsgemeinschaften, die sich um ein Kundenproblem gruppieren, halte ich sogar sehr viel. Ich halte nichts von Teams in großen Organisationen. Aus meiner Sicht sind das eher politische Gremien: Jeder, der irgendwie zum Thema beitragen kann, wird hinzugezogen.

Fördert das Arbeiten im Team nicht den Teamgeist?

Sprenger: Mit diesem Begriff kann ich auch nicht viel anfangen. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn wir uns immer wieder an die kleinste und wichtigste Einheit der Wirtschaft erinnern: Die Interaktion mit dem Kunden. Im Idealfall steht also der Auftrag oder das Problem des Kunden im Mittelpunkt. Und um diesem gerecht zu werden, benötigt es Menschen, die zusammenarbeiten - vollkommen unabhängig davon, was bei jedem Einzelnen auf der Visitenkarte steht. Solche Organisationen funktionieren sehr gut. Und es käme niemand auf die Idee, von Teamgeist zu sprechen.

Es geht also gar nicht darum, den fachlich Besten einzustellen, sondern denjenigen, der am besten in die Gemeinschaft passt?

Sprenger: Jürgen Klopp sagte mal, dass er niemals einen Idioten einkaufen würde, der nur gut Fußball spielen kann. Das bringt es ganz gut auf den Punkt, denke ich.

Auch Borussia Dortmund hat Bedarf an guten Fußballern.

Sprenger: Das steht ja außer Frage. Aber was helfen die besten Leute, wenn sie nicht zusammenarbeiten können? Schauen Sie sich Real Madrid an. Dann können Sie sehen, wohin man kommt, wenn man versucht, eine Mannschaft aus Individualisten zusammenzustellen. Der FC Barcelona hat dagegen eine Spielidee, für die der Verein gute Spieler sucht. Wir sollten die Idee aufgeben, stets nur die Besten zu suchen. Wir sollten vielmehr die Richtigen suchen.

Die Richtigen?

Sprenger: Die Richtigen im Sinne von: die Passenden. Es gilt, den Kooperationsvorrang durchzusetzen. Das ist ein sehr zentraler Punkt.

Man kann nicht planen, welche Mitarbeiter gut miteinander auskommen.

Sprenger: Planen lässt sich das natürlich nicht. Man kann aber bei der Auswahl des Personals insbesondere auf die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft achten. Das kann man schon machen. Wobei wir aus dem Fußball wissen: Sehr gute Spieler sind selten gute Trainer geworden.

Naja…

Sprenger: Es gibt wenige Ausnahmen: Pep Guardiola beispielsweise, oder Arsène Wenger.

Oder Jupp Heynckes.

Sprenger: Heynckes oder auch Udo Lattek waren ordentliche Spieler, aber gewiss keine sehr guten. Ich vertrete ja nach wie vor die These, dass die sehr guten Spieler deswegen keine guten Trainer geworden sind, weil sie glauben, dass sie priviligierten Zugang zur Wahrheit hätten, also dass sie fachlich ebenfalls sehr gut seien.

Sie scheitern demnach an einer gewissen Selbstüberschätzung?

Sprenger: Ich glaube eher, das solche Leute denjenigen im Wege stehen, die es anders machen wollen - auf ihre eigene Art und Weise. Ein Trainer muss in erster Linie in der Lage sein, das Potenzial der Spieler zu heben, also deren Stärken zur Geltung zu bringen. Dazu muss er, wie gesagt, nicht unbedingt selbst ein guter Spieler gewesen sein.

"Bonuszahlungen sollten Sie meiden!"

Wo nehmen Trainer und Spieler ihre Motivation her?

Sprenger: Aus unglaublich vielen Quellen, die so unterschiedlich sind, wie Menschen selbst.

Ist es Führungsaufgabe, für Motivation zu sorgen?

Sprenger: Natürlich nicht. Die individuelle Motivation eines Menschen ist extrem belastbar, egal um was es geht: Der Erste möchte seine Familie ernähren, der Zweite hat ein Unterhaltungsbedürfnis, der Dritte weiß nicht, was er sonst tun sollte, und so weiter. Manche möchten sich für ein größeres Ziel einsetzen, also zum Beispiel eben das Überleben des Unternehmens sichern.

Größere Ziele sind doch legitim, oder?

Sprenger: Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber noch einmal: Das ist kein kollektives Phänomen, sondern ein individuelles. Und das ist sehr belastbar.

Angenommen, Sie wären mein Vorgesetzter. Wie würden Sie reagieren, wenn ich Ihnen offenbare, dass ich einzig bei Ihnen arbeite, um meine Familie zu ernähren?

Sprenger: Das würde mir voll und ganz ausreichen.

Tatsächlich?

Sprenger: Ich kenne zugegeben auch andere Ansichten. Im übertragenen Sinn: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann erzähle den Leuten nichts vom Schiffbau, sondern von der Sehnsucht nach dem weiten Meer. Davon geblendet werden sie alles unternehmen, um dieses Schiff zu bauen. Das finde ich totalitär.

Wozu Menschen in ihrer Sehnsucht nach Sinn fähig sind…

Sprenger: Der ganze Diskurs um Motivation ist ja nichts anderes als ein Sinnersatz. Einer der erhellensten Sätze, die ich zu diesen Thema kenne, lautet: Als wir den Sinn unserer Arbeit nicht mehr sahen, begannen wir über Motivation zu reden. Und der Sinn, den ein Mensch in seinem Job sieht, lässt sich nun mal nicht administrativ verordnen. Sinngebung ist etwas, was jeder individuell findet, wenn Sie es so wollen. Das sollte man den Leuten schon selbst überlassen.

Auch wenn sie nicht die vereinbarten Leistungen erbringen?

Sprenger: Wenn es ihnen an Leistungs- und Einsatzbereitschaft fehlt, sie also gar nicht wollen, dann müssen natürlich Konsequenzen gezogen werden. Aber wenn jemand seine Leistung erbringen möchte, aber es schlicht nicht kann, dann muss man ihm helfen.

Wie denn?

Sprenger: Das weiß der Betroffene im Regelfall selbst sehr gut. Die meisten Menschen wissen, welche fachlichen Defizite sie haben. Das man muss ihnen gar nicht erzählen. In so einer Situation geht es vielmehr darum, wie man solcher Schwäche begegnet, sprich: die Defizite kompensiert.

Mit Geld?

Sprenger: Es ist auch möglich und unter Umständen sogar notwendig, Geld in die Hand zu nehmen. Aber falls Sie damit Bonuszahlungen meinen: Das sollten Sie meiden! Mit Geld können Sie allenfalls die Leistungsbereitschaft kurzfristig erhöhen, niemals die Leistungsfähigkeit.

Wenn Sie das Verständnis eines Unternehmens von Leistung herausfinden möchten, dann schauen Sie zunächst auf Gehaltstabellen. Was ist so interessant daran?

Sprenger: Ein Gehaltssystem atmet einen ganz bestimmten Geist. Man kann sehen, was unter Leistung verstanden wird - und, vor allen Dingen, was ausdrücklich nicht unter Leistung verstanden wird. Kurzum: Was wird belohnt, was nicht? Ich erkenne daran demnach genau, welches Spiel in diesem Unternehmen gespielt wird.

Das müssen Sie erklären.

Sprenger: Mitarbeiter, die einzig oder zumindest vorrangig ihr Einkommen maximieren möchten, werden insbesondere durch ein Gehaltssystem angezogen, das die Addition von Einzelleistungen belohnt. Man kann das System allerdings auch derart gestalten, dass es den Kooperationsvorrang unterstützt, also die Zusammenarbeit belohnt - ein fundamentaler Unterschied! Ein solches System zieht natürlich auch andere Mitarbeiter an.

Was spricht gegen Mitarbeiter, die ihr Einkommen maximieren möchten, solange sie angemessene Leistung erbringen?

Sprenger: Wenn sich Einkommensmaximierer als Selbstoptimierer verstehen, dann macht es in aller Regel keinen besonderen Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Meistens bleiben solche Leute aber auch nicht lange - getreu der alten Weisheit: Wer für Geld kommt, geht auch wieder für Geld.

Im Kehrschluss: Sie benötigen ausschließlich Fremdoptimierer?

Sprenger: Nein, das trifft es nicht ganz. Man muss Selbstoptimierer sein, um Führungskraft zu werden. Aber als Führungskraft ist man dann vorrangig Fremdoptimierer. Bedeutet: Das, was man braucht, um Führungskraft zu werden, ist genau das nicht, was man braucht, um Führungskraft zu sein. Eine ganz wichtige Feststellung, denn die meisten Führungskräfte bekommen diesen Paradigmenwechsel nicht hin.

Wieso?

Sprenger: Weil sie sich nach wie vor als Selbstoptimierer verstehen und eben nicht als Fremdoptimierer. Und das Gehaltssystem unterstützt in aller Regel dieses Verständnis: Es belohnt Selbstoptimierung.

Wie stehen Sie denn zum Homo oeconomicus?

Sprenger: Das Modell wird derzeit von allen Seiten kritisiert. Ich bin und bleibe aber ein Anhänger dieser Theorie. Ich glaube, dass wir nach wie vor ausgeprägte Vorteilssucher sind. Allerdings, und das ist mir wichtig, darf man diesen Homo oeconomicus nicht nur auf materielle Vorteile reduzieren.

Sondern auch?

Sprenger: Es gibt auch immaterielle Vorteilssuche. Ich handle beispielweise immer und ausschließlich, weil es mir nutzt. Aber es kann mir auch nutzen, anderen Menschen zu helfen oder bei anderen Menschen etwas zur Entfaltung zu bringen. Ich persönlich empfinde Freude, wenn bei anderen Menschen etwas blüht.

Sind Sie tatsächlich derart romantisch?

Sprenger: Ich habe eine pädagogische Ausbildung. Ich finde es großartig, wenn ich dazu beitragen kann, dass sich Menschen entwickeln und unter Umständen sogar über mich hinauswachsen.

Bei aller Nächstenliebe: Auch Sie suchen eigene Vorteile, oder?

Sprenger: Ich arbeite seit vielen Jahren für die Polizei in Nordrhein-Westfahlen - ehrenamtlich, wie es heißt. Vor Ort wird mir stets gedankt, dass ich die Reise in Kauf genommen und den Vortrag gehalten habe. Und im Nachsatz wird noch einmal betont, dass ich das unentgeltlich mache. Ich entgegne dann fast schon rituell: Entschuldigen Sie bitte, ist ja schön, dass Sie das so sehen, aber ich mache das nicht für Sie! Ich bin kein Held und ich bin weder moralisch noch anständig. Ich mache das ausschließlich für mich!

Wieso tun Sie es dann?

Sprenger: Ich mache es, weil ich auf der Fahrt nach Hause das Gefühl haben werde, dass ich etwas richtig Tolles gemacht habe. Und weil ich Abend am Stammtisch wieder damit auftrumpfen kann, was für ein toller Hecht ich doch bin. Kurzum: Ich treibe auch Handel mit mir selbst. Und insofern handle ich dann auch ökonomisch. Dem kann ich mich nicht entziehen, selbst wenn ich es wollte.

"Nichts ist so praktisch wie die Philosophie"

Sie raten dazu, Kontrolle zugunsten des Vertrauens aufzugeben. Wieso?

Sprenger: Das stimmt so nicht ganz. Es gibt gar keine Gegenüberstellung zwischen Vertrauen und Kontrolle. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Das heißt: Ein gewisses Maß an Kontrolle stellt Vertrauen dar.

Man kontrolliert jemanden doch gerade deswegen, weil man ihm misstraut.

Sprenger: Wenn man nicht kontrolliert, kann man auch keine Aussage über Nicht-Kontrolle treffen - also über Vertrauen. Vertrauen und Misstrauen ergänzen sich wechselseitig.

Ihnen geht es folglich um das richtige Verhältnis zwischen Kontrolle und Vertrauen.

Sprenger: Ein gewisses Maß an Kontrolle scheint mir grundsätzlich wichtig zu sein. Sie müssen eine Pommesbude dennoch keinen so strengen Kontrollen unterziehen wie ein Atomkraftwerk.

Das liegt auf der Hand, ja.

Sprenger: Der Trend geht aber dahin, dass sich Pommesbuden an der Gefahrenklasse von Atomkraftwerken orientieren. Und daraufhin wundert man sich, dass die Transaktionskosten immens zunehmen.

Woran sollen sich Unternehmen Ihres Erachtens orientieren?

Sprenger: Am Leitbild der Fehlerfreundlichkeit. Natürlich muss ich kontrollieren - und zwar bis zu dem Punkt, an dem ich den Raum der Selbsterhaltungsvernunft verlasse. Ebendies darf ich nicht tun. Es darf strukturell nicht möglich sein, das Unternehmen durch einzelne Fehler an den Rand seiner Existenz gebracht werden. Dementsprechend darf auch nicht zu viel Kontrolle abgegeben werden.

Was raten Sie Unternehmen ganz konkret?

Sprenger: Ich denke, dass die meisten Unternehmen gut beraten sind, ihre Monitoring- und Reporting-Systeme klug und angemessen zu reduzieren. Ich spreche nicht davon, die Systeme einzustellen, sondern ausdrücklich davon, sie zu reduzieren. Wie gesagt: Ich bin der Überzeugung, dass wir derzeit eine übertriebene Misstrauenskultur pflegen, wodurch immense Transaktionskosten entstehen. Eine solche Kultur macht das Unternehmen träge und bürokratisch. Und letztlich steht senkt es auch die Motivation der Mitarbeiter, denn nur wenige Dinge sind so demotivierend wie ständiges Misstrauen.

Sie beraten DAX-Unternehmen. Nimmt Ihr Einfluss mit der Größe des Unternehmens ab?

Sprenger: Ja, definitiv. Großunternehmen sind Status-Quo-Unternehmen: Sie brechen immer nur rhetorisch zu neuen Ufern auf. Da können Sie eigentlich kaum etwas bewegen. Das ist wie der Tanker, der, wenn er bremst, erst einmal ein paar Kilometer weiter geradeaus fährt - mit allenfalls geringen Abweichungen. Es stimmt schon, dass meine Intervention in mittelständischen Betrieben häufig grundlegender ist. Immerhin kann ich in Großunternehmen häufig Schlimmes verhindern.

Sie arbeiten präventiv?

Sprenger: Natürlich leiden viele Unternehmen unter der Bürokratie, die vom Gesetzgeber auferlegt wird. Aber viele Probleme sind auch hausgemacht. Wieso muss das eh schon umfassende Reporting noch erweitert werden? Wieso muss erneut ein interner Markt eröffnet werden? Speziell diese internen Märkte sind ja unter Finanzleuten sehr beliebt, obwohl sie das Unternehmen, bezogen auf das Problem des Kunden, kein Stück voranbringen.

Alles hat nun mal seinen Preis.

Sprenger: Dafür zahlt der Kunde aber nicht. Ich war vor kurzem auf einem Berg in Chile. Dort bin ich einem begegnet, der vor Ort auf Knopfdruck etwa 50 Leistungskennzahlen abrufen konnte. Braucht man solche unternehmensinternen Dienstleistungen wirklich?

Werden Sie nur dann engagiert, wenn sich das Unternehmen tatsächlich ändern möchte?

Sprenger: Ganz im Gegenteil! Mein Engagement bietet oftmals lediglich einen gewissen Unterhaltungswert: Man wird von mir intellektuell einigermaßen durchgeschüttelt, um danach alles beim Alten zu lassen. Man hat sich ja sozusagen einmal richtig die Meinung sagen lassen.

Frustriert Sie das?

Sprenger: Meine Verbeugung vor der Selbstverantwortung der Unternehmen geht so weit, dass ich sage, was ich zu sagen habe. Was Unternehmen daraus machen, liegt in deren Verantwortung.

Sie wurden in Philosophie promoviert.

Sprenger: Richtig.

Und Sie bezeichnen Ihre Vorschläge als praktisch.

Sprenger: Stimmt, ja.

Passt das zueinander?

Sprenger: Ich trage hin und wieder etwas Lebensphilosophie vor, teils Jahrtausende alt. Sie müssen sich die Philosophie bei mir als ein Rauschen im Hintergrund vorstellen: Sie hilft mir manchmal, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. So betrachtet ist nichts so praktisch wie Philosophie, wie ich finde. Zumal sie einem die Wahl lässt, ob man ihr folgt - oder eben nicht. Diese Entscheidung ist jedem selbst überlassen.

Ihre Thesen, so sagen Sie, funktionieren auch im privaten Umfeld. Wieso?

Sprenger: Weil die meisten Thesen vorrangig das Privatleben betreffen. Es steht ja jeder grundsätzlich vor der Frage, mit welcher Qualität seines Bewusstseins er sein Leben tatsächlich leben möchte. Man muss folglich entscheiden, in welcher Beziehung man zu seinem Lebenspartner oder zu seinen Kindern stehen möchte. Wie soll man grundsätzlich mit seiner Lebenszeit umgehen? Es gibt kaum eine Führungskraft, die nicht darüber klagt, dass ihr zu wenig Freizeit bleibt.

Das dürften sie aber in aller Regel schon gewusst haben, bevor sie dem Arbeitsvertrag zustimmten.

Sprenger: Es liegt meistens ein Entscheidungsproblem vor: Man versucht alle möglichen Bedürfnisse zu befriedigen, was natürlich nicht geht. Was überbleibt, ist ein schlechtes Gewissen. Und das Gefühl, jemandem nicht zu genügend - allen voran sich selbst. Letztlich ist es die Weigerung, einen Preis zahlen zu wollen. Aber der ist halt fällig.

Halten Sie selbst an Ihre Ratschläge?

Sprenger: Das müssen Sie meine Kinder fragen.

Ihre Ansichten beeinflussen also auch Ihre Erziehung?

Sprenger: Sogar massiv! Meine älteren, längst erwachsenen Kinder halten nach wie vor sehr viel Kontakt zu mir. Ich erlebe es als große Ehre. Offensichtlich ist es nicht langweilig mit mir.

Ist Pep Guardiola der richtige Trainer für Bayern München?

Sprenger: Ich kann mir vorstellen, dass er für die Mannschaft der Richtige ist. Aber ob er für den Aufsichtsrat der Richtige ist?

Auch der Aufsichtsrat wird der Verpflichtung zugestimmt haben.

Sprenger: Das hat er damals auch bei Giovanni Trappatoni getan. Niemand kann mir erzählen, dass Trappatoni ein schlechter Trainer ist. Aber er passte nicht nach München.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CFOworld. (mhr)