Sedisstudie: Pro und Kontra DV außer Haus

10.04.1981

Dipl.-Kaufmann Joachim Kanngiesser und Dipl.-Kaufmann Bernhard Langen,

beide beim Bifoa*

Kommerzielle Service-Rechenzentren (SRZ) mit traditionellem Dienstleistungsangebot unterliegen zur Zeit der Gefahr, sich vom DV-Servicemarkt verabschieden zu müssen, wenn sie ihre Position in diesem Markt nicht neu überdenken und sich mit dem momentanen Strukturwandel in der SRZ-Branche nicht auseinandersetzen.

Neue Angebote der SRZ

Branchenkenner bestätigen zwar auch in Zukunft der klassischen Batchverarbeitung im SRZ für kommerzielle Standardanwendungen wie Lohn- und Gehaltsabrechnung, Finanzbuchhaltung und Materialverwaltung eine gewisse Bedeutung, der relative Umsatzanteil dieser RZ-Leistung wird aber deutlich zurückgehen. SRZ müssen in Zukunft ihre Produkt- und Dienstleistungspalette qualitativ ausbauen duch das Angebot

- komfortabler Dialoganwendungssoftware,

- interaktiver Programmiersysteme,

- branchenspezifischer Anwendungssoftware und die

- Integration neuer Informations- und Kommunikationstechnologien.

Einige Vorreiter in der SRZ-Branche nutzen bereits ihre Chance als Pilotanwender des neuen Datenübertragungsdienstes Datex-P, dessen Probebetrieb im August 1980 von der Deutschen Bundespost aufgenommen wurde. Datex-P eignet sich aufgrund seiner Tarifstruktur insbesondere für Anwendungssysteme, bei denen zwischen SRZ und SRZ-Kunde kleine Datenmengen über mittlere beziehungsweise große Entfernungen übertragen werden. Transaktionen bei Dialoganwendungen verursachen demnach auf Basis von Datex-P wesentlich geringere Leitungsgebühren als beispielsweise bei HfD oder Datex-L-Übertragung. Die mit diesem neuen Datenübertragungsservice verbundenen Chancen verlangen aber auch Opfer in Form von Entwicklungs- und Programmierkapazitäten von den Pilotanwendern. Auch die neuen Entwicklungen in den Bereichen Teletex, Bildschirmtext sowie deren Integrationsmöglichkeiten müssen von SRZ im Hinblick auf eine qualitative Erweiterung ihres Produkt- und Dienstleistungsangebots ständig im Auge behalten werden.

Eine Gegenüberstellung von DvaH-Lösungen mit autonomen Kleincomputersystemen müssen SRZ unter reinen Kostenaspekten derzeitig (noch) nicht befürchten. Das ist ein zentrales Ergebnis der branchenbezogenen Wirtschaftlichkeitsvergleiche, die im Rahmen des Projektes "Sedis" durch das Bifoa (Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation, Köln) durchgeführt wurden,

Die Sedis-Fallstudien decken folgende (Teil-)Branchen und Berufssparten ab:

(1) Bauausführende Wirtschaft (Hochbau)

(2) Bekleidungsindustrie (Damenoberbekleidung)

(3) Textileinzelhandel (Damenoberbekleidung)

(4) Kfz-Händlerbetriebe (Fabrikat GM/OPEL)

(5) Zahnarztpraxen (Einzelpraxen)

Es wurden jeweils branchentypische Unternehmensstrukturen untersucht. Bei der Festlegung der Anwendungsbereiche und der Anforderungen an DV-Lösungen (zum Beispiel Zeit- und Mengengerüst) wurden zahlreiche Anwender befragt. Neben der reinen DV-außer-Haus-Lösung und autonomen Kleincomputersystemen wurden auch alle realisierten Kombinationen analysiert (zum Beispiel Verbundlösungen mit Datenkassen, intelligenten Terminals und Online-Applikationen, teilautonomen Kleinrechnerkonfigurationen für die hausinterne Abwicklung zeitkritischer Anwendungen und tagesaktuelle Auswertungen).

Insgesamt wurden 50 DV-Lösungsalternativen in den Kostenvergleich einbezogen. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit DV-Praktikern ein umfassendes Kostenerfassungsschema entwickelt.

Bei den Kostenvergleichsrechnungen stellte sich heraus, daß in den untersuchten Klein- und Mittelbetrieben

(1) autonome Kleincomputersysteme durchweg kostenintensiver sind als klassische RZ-Lösungen,

(2) Verbundlösungen in Form von Kleincomputer-Rechenzentrums-verbund nur eingeschränkt (zum Beispiel bei relativ kleinen Unternehmen) kostengünstiger sind als Inhouse-Lösungen,

(3) RZ-Lösungen mit Online-Applikationen über intelligente Terminals mit wachsender Nutzung von DÜ-Leitungen zur Zeit noch sehr teuer sind und mit hohem Anteil an Datenbankabfragen kostenintensiver sind als autonome Kleincomputerkonfigurationen

(4) sowohl RZ als auch Hardwarehersteller beziehungsweise Softwarehäuser mit Branchenschwerpunkten (zum Beispiel branchenspezifische Softwarezentren) deutliche Kostenvorteile erzielen,

(5) Pilotanwender beziehungsweise neue Zielgruppen (zum Beispiel Zahnärzte) entsprechende Kostenvorteile erzielen, wenn sie neue Kleincomputersysteme beziehungsweise RZ-Lösungen fahren

(6) die Kosten für weitgehend homogene Anwendergruppen (zum Beispiel Kfz-Händlerbetriebe) mit großem Marktpotential (zirka 20 000 potentielle DV-Anwender) aufgrund der Umlage auf viele Anwender vergleichsweise niedrig sind,

(7) die Kostendifferenz zwischen Inhouse- und RZ-Lösungen sich bei Berücksichtigung der meist schwer quantifizierbaren Personalkosten (zum Beispiel Kosten für Systembetreuung durch Sachbearbeiter) erhöht.

Pluspunkte

An dieser Stelle muß aber deutlich herausgestellt werden, AB bei einer abschließenden Beurteilung alternativer DV-Lösungen neben den Kosten zusätzliche Entscheidungskriterien wie Antwortzeitverhalten/Termintreue, System- beziehungsweise Anwendungsverfügbarkeit, Benutzerkomfort und Auswertungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind, Hier gewinnen dialogorientierte Kleincomputersysteme viele Pluspunkte,

* Die Autoren sind beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln (Bifoa) und beschäftigen sich im Rahmen des Projekts Sedis (=Strategische Entwicklung des Dienstleistungsangebots von Service-Rechenzentren) mit der Situation und möglichen Zukunftsperspektiven der Rechenzentrums-Branche.