Newcomer in Deutschland: Secunet Security Networks AG

Security-Dienstleister legt die Meßlatte für den Erfolg sehr hoch

10.12.1999
von Andrea Goder* ESSEN - IT-Systeme und Netzwerke sicher zu machen, darauf hat sich die Secunet Security Networks AG, Essen, spezialisiert. Finanziell gestärkt durch den im November erfolgten Börsengang, will das Startup-Unternehmen jetzt seinen Expansionskurs forcieren, was sich in der Bilanz zumindest bis 2001 in roten Zahlen niederschlagen dürfte.

Fälle von Computer- und Internet-Kriminalität treiben wilde Blüten und können Online-Anbietern herbe Verluste bescheren, wie ein vielleicht ungewöhnliches, aber zugleich einfaches Beispiel zeigt: Ein Weinbauer an der Mosel wird über Nacht Opfer eines Hackerangriffs, bei dem Unbekannte auf der Website Preismanipulationen vornehmen. Pech für den Weinhändler im Cyberspace, wenn in diesen Stunden größere Bestellungen via Web eingehen. Denn nachzuweisen, daß Hacker am Werk waren, dürfte in der Praxis schwierig werden. Und der Schaden könnte in die Hunderttausende gehen.

Schutz vor unliebsamen Eindringlingen bieten Online-Anbietern sogenannte Intrusion-Detection-Systeme - eines von mehreren Angeboten in der Produktpalette des IT-Dienstleisters. Vorgänge auf Rechnern und Netzwerken lassen sich so überwachen und bei Sicherheitsverletzungen Gegenmaßnahmen initiieren.

Neben Analyse und Beratung gehört auch die Implementierung und Wartung von Sicherheitslösungen ins Service-Angebot der Essener. Schulungen zum Thema Sicherheit runden das Dienstleistungsportfolio ab. Über Know-how verfügt das Unternehmen eigenen Angaben zufolge in den Bereichen Trust-Center, digitale Signaturen, symmetrische Verschlüsselung, Smartcards und Kryptografie. Als herstellerunabhängiger IT-Dienstleister bietet Secunet darüber hinaus eine breitgefächerte Produktpalette an, darunter Lösungen von Articon, Brokat oder Utimaco. In dem stark fragmentierten Markt für IT-Sicherheit wird es deshalb nicht nur für die Kunden zunehmend schwieriger, sich zurechtzufinden. "Allein bei Firewalls gibt es momentan bis zu 50 Lösungen im Markt", schätzt Vorstandschef Willi Mannheims.

So heterogen sich der IT-Security-Markt insgesamt präsentiert, so breit gestreut ist auch der Wettbewerb, in dem sich die Essener sehen. Angeführt wird das Feld der Konkurrenten von großen Anbietern wie Debis Systemhaus über internationale Player wie Entrust bis hin zu Neuen-Markt-Firmen wie ADS System oder Articon (demnächst Articon Integralis). Niedrige Markteintrittsbarrieren und vielversprechende Wachstumsperspektiven dürften in den nächsten Jahren weitere Neulinge auf den Plan rufen. So rechnet das Marktforschungs-Unternehmen Dataquest bis zum Jahr 2003 allein bei sogenannten Public-Key-Infrastrukturen (PKI) mit jährlichen Steigerungsraten von über 60 Prozent. Die Kehrseite dieser Medaille ist: Die Zersplittung des Marktes dürfte kein Dauerzustand sein. Branchenkenner rechnen mittelfristig mit einer Konsolidierung; verhältnismäßig kleine Anbieter wie Secunet laufen damit Gefahr, auf der Strecke zu bleiben beziehungsweise von einem größeren Konkurrenten geschluckt zu werden.

Ein intensiver Wettbewerb ist nur eine der Herausforderungen, vor denen die Anfang 1997 gegründete Secunet AG, die mehrheitlich der Essener TÜV Mitte AG gehört, steht. Noch ist der Börsenneuling - wie gerade erwähnt - trotz ambitionierter Vorgaben ein gutes Stück von dem entfernt, was gemeinhin unter kritischer Größe verstanden wird. Die heute auf 140 Mitarbeiter angewachsene Startup-Company steuerte jedoch von Beginn an einen ehrgeizigen Wachstumskurs. Erzielten die Essener im Gründungsjahr knapp sechs Millionen Mark Umsatz, wurden 1998 bereits 14,7 Millionen Mark verbucht. 90 Prozent der Einnahmen entfielen auf Dienstleistungen, zehn Prozent auf Hardwareprodukte.

Rückenwind erhalten die Newcomer von der Deutschen Telekom AG, die seit dem Börsengang 25 Prozent am Essener Unternehmen hält und mit diesem Schachzug Sicherheitslücken in ihrem eigenen Multimedia-Portfolio schließen will. Rund 36 Prozent des Umsatzes wurden nach Angaben von Secunet im letzten Jahr mit Projekten bei einschlägigen Netzbetreibern erzielt, ein nicht unerheblicher Teil davon dürfte allerdings auf Geschäfte mit dem prominenten Gesellschafter aus Bonn zurückzuführen sein. "Die Kooperation mit der Telekom beeinflußt unsere Unabhängigkeit nicht", betont Mannheims, der aber gleichzeitig nicht verhehlt, daß er mit der Telekom im Rücken auch in Zukunft große Kundenpotentiale erschließen möchte. Vordergründig geht es für Secunet jetzt jedoch darum, auch in anderen Branchen wie Banken und Versicherungen Fuß zu fassen.

Präsenz zeigen die Nordrhein-Westfalen in Deutschland heute bereits an sieben Standorten. Neben dem Ausbau der Geschäftsstellen soll das Kapital aus dem Börsengang jetzt vor allem in die Internationalisierung des Unternehmens fließen. Denn auch über die deutschen Grenzen hinaus haben die Essener die Meßlatte sehr hoch angesetzt. "Mittelfristig wollen wir der größte europäische Anbieter von Sicherheitslösungen werden", lautet Mannheims Zielsetzung. Ein Vorhaben, bei dem, vorsichtig formuliert, andere Wettbewerber einen Vorsprung haben. Zukäufe dürften deshalb, trotz anderslautender Bekundungen, bei den Essenern bald auf der Tagesordnung stehen.

Wie in den beiden Vorjahren will man jedenfalls bis auf weiteres vorwiegend aus eigener Kraft wachsen. Akquisitionen sind laut Mannheims "nicht die Hauptstrategie" des Unternehmens. Eröffnet wurde bislang eine Niederlassung in Prag - als Tor zu Osteuropa. 1998 entfielen auf Aktivitäten im Ausland fünf Prozent des Umsatzes; 30 Prozent sieht die Planung mittelfristig vor. Zur Wachstumsstrategie des Unternehmens gehört zudem, den Kunden in die Auslandsmärkte zu folgen. Ein wichtiger Türöffner dürfte auch hier die Telekom sein. Im Schlepptau des Bonner TK-Riesen haben die Nordrhein-Westfalen bereits einen Auftrag in Malaysia an Land gezogen.

Dataquest prognostiziert dem IT-Security-Markt auch insgesamt einen sprunghaften Anstieg. Nach 8,1 Milliarden Dollar im kommenden Jahr soll sich das Volumen bis 2003 auf weltweit 15,4 Milliarden Dollar nahezu verdoppeln. Rund die Hälfte wird dabei, so die Analysten, auf Services entfallen. Mannheims ist deshalb entsprechend optimistisch und rechnet in den nächsten Jahren mit jährlichen Steigerungsraten beim Umsatz von bis zu 50 Prozent. Bis zum Jahresende sind Einnahmen in Höhe von 21,7 Millionen Mark geplant, auf bereits 57 Millionen Mark soll der Umsatz im kommenden Jahr hochgeschraubt werden. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres gelang es, die Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um 41,4 Prozent auf 13,4 Millionen Mark zu steigern. Ein Auftragsbestand von rund zehn Millionen Mark spricht zudem für ein starkes Schlußquartal. Mit anderen Worten: Man liegt im Plan. Das starke Mitarbeiterwachstum und hohe Anlaufverluste werden allerdings auch bis auf weiteres die Bilanz rot färben. Auf 5,1 Millionen Mark soll sich der Fehlbetrag bis zum Jahresende belaufen. Und auch das Geschäftsjahr 2000 wird Secunet noch verlustreich abschließen.

Ungeachtet dessen scheinen die Anleger an der Börse Vertrauen in den "Zukunftswert" Secunet zu haben. Den ersten Handelstag (9. November 1999) schloß das Papier mit einem Kurs von 15,5 Euro knapp über dem Emissionspreis von 15 Euro ab und bewegte sich in der Folge auf einem Niveau um 20 Euro. Ende vergangener Woche schoß der Kurs dann sogar - allerdings ohne erkennbaren Grund - auf über 35 Euro.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.