Seagate und Western Digital streiten ueber Fast ATA oder Enhanced IDE Unterschiedliche Standards bei Festplatten schaffen Verwirrung

15.07.1994

MUENCHEN (wm) - Mit Festplatten ab 528 MB und einer Transferrate ueber 4 MB/s sind die konventionellen Schnittstellen, das BIOS und der ISA-Bus ueberlastet. Es gibt zwei rivalisierende Weiterentwicklungen - "Enhanced IDE" und "Fast ATA" von Western Digital beziehungsweise Seagate.

Das Basic Input/Output System (BIOS), der ISA-Bus und die AT- Schnittstelle der heute ueblichen Art haben ausgedient. Ihr Zusammenspiel macht es unmoeglich, mehr als 4 MB Daten pro Sekunde zu uebertragen oder Festplatten mit einer Kapazitaet ueber 528 MB anzuschliessen.

Mit der Einfuehrung des Local Bus im PC koennen Daten wesentlich schneller transportiert werden - je nach Typ (VESA oder PCI) und PC-Taktfrequenz mit bis zu 100 MB/s. Damit bot sich Festplattenherstellern die Moeglichkeit, die AT-Standard- Schnittstelle ihrer Produkte weiterzuentwickeln. Mit mehreren Vorteilen: Die Schnittstelle und die Kabel bleiben gleich, so dass Anwender eine alte langsame und eine neue schnelle Festplatte gleichzeitig benutzen koennen. Es wuerde noetig sein, die Schnittstellen-Chips und das BIOS an die neue Geschwindigkeit anzupassen, doch war absehbar, dass die Umstellung wesentlich billiger wird als der Schritt zur SCSI-Schnittstelle.

So entwarfen 1993 die Festplattenhersteller den Prozessor-I/O- Modus 3 (PIO-Mode 3) gemeinsam mit dem amerikanischen Normierungsinstitut ANSI. Er definiert eine maximale Uebertragungsrate von 11 MB/s zwischen Festplatte und AT-Adapter.

Bei der gleichen Gelegenheit verstaendigten sich die Firmen auch auf zwei Moeglichkeiten, um Festplatten mit einer Kapazitaet ueber 528 MB im PC nutzen zu koennen. Durchgesetzt hat sich bis heute "Logical Block Addressing", womit sich 8,4 GB grosse Festplatten verwalten lassen. Wie beim PIO-Mode 3 muss dabei das BIOS des PCs geaendert werden. Inzwischen haben die grossen BIOS-Hersteller beide Standards umgesetzt, so dass neue PCs wahrscheinlich ab Sommer dieses Jahres beide Moeglichkeiten bieten werden.

Unstimmigkeiten gab es erst, als Western Digital Ende 1993 das BIOS um zwei zusaetzliche Funktionen erweitern wollte:

- An die AT-Schnittstelle sollten sich auch andere Geraete, zum Beispiel CD-ROM-Laufwerke, anschliessen lassen und

- es sollte moeglich sein, zwei AT-Adapter in einen PC einzubauen, um bis zu vier Festplatten nutzen zu koennen.

Alle vier Funktionen fasste Western Digital unter dem Namen "Enhanced IDE" zusammen, doch das ANSI hat sie bis heute nicht standardisiert, obwohl Western Digital und eine ganze Reihe von BIOS-, Adapter- und Hauptplatinenherstellern die Definition uebernommen haben.

Seagate dagegen wollte nicht so viele Funktionen in ein Paket packen, verkuendete eine eigene Definition, in der nur der PIO-Mode 3 und Logical Block Addressing festgeschrieben werden und nannte sie "Fast ATA". Laut Hans-Dieter Blaser, Verkaufsleiter der deutschen Niederlassung, ist Enhanced IDE so komplex, dass PCs damit unnoetig teuer wuerden. Kunden muessten fuer etwas zahlen, dass sie wahrscheinlich nie nutzen wuerden. Deshalb werbe man fuer die billige und einfache Loesung Fast ATA.

Bei Western Digital relativiert man diese Kritik. Enhanced IDE sie zwar teurer, doch betrage der Unterschied wahrscheinlich weniger als 20 Dollar. Wer heute nur den halben Schritt mache und sich fuer Fast ATA entscheide, muesse morgen erneut Geld ausgeben, wenn er die Zusatzfunktionen nutzen wolle. Es sei wahrscheinlich, dass Enhanced IDE eines Tages zur universellen PC-Schnittstelle werde.

"Der Vergleich zwischen Fast ATA und Enhanced IDE verwirrt die Kunden nur", sagte Gary Marks, Vice-President Marketing von Western Digital. Und irritierte Anwender zoegerten den Kauf so lange hinaus, bis sich die Hersteller geeinigt haetten - eine Situation, die weder Seagate noch Western Digital nutze.