IT-Projekt-Management

Scrum, Kanban, V-Modell XT – was bringt Erfolg?

22.01.2014
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Dennis Kalkofen ist bei MSG Systems als Projektleiter im Public Sector tätig. Zum erfolgreichen Abschluss seiner Projekte setzt er sowohl Scrum als auch das V-Modell XT ein.
Mathias Böni arbeitet bei MSG Systems als Experte für Kanban. Er setzt die Methode kombiniert mit V-Modell XT im Public Sector ein.
Dr. Holger Schmidt arbeitet bei MSG Systems als Experte für Kanban. Er setzt die Methode kombiniert mit V-Modell XT im Public Sector ein.
Je komplexer ein IT-Projekt, desto wichtiger der passenden Rahme und die am besten geeignete Vorgehensweise für das Projekt-Management. Grundsätzlich stehen dafür klassische Vorgehensmodelle wie das V-Modell XT und agile beziehungsweise „schlanke“ Methoden wie Scrum oder Kanban zur Verfügung. Aber muss die Frage lauten: Entweder – oder? Auch die Integration klassischer Methoden mit Scrum oder Kanban ist möglich und kann Vorteile bringen.

V-Modell XT: der Standard

Das V-Modell XT ist der etablierte und häufig geforderte Standard für die System- und Softwareentwicklung in der Öffentlichen Verwaltung. Er wird oft als unflexibel, aufwändig und schwergewichtig erachtet. Inwiefern stimmt das?

Old Style, aber effizient: Kanban arbeitet mit Pinboards und Papierkärtchen.
Old Style, aber effizient: Kanban arbeitet mit Pinboards und Papierkärtchen.
Foto: liubomirt, Fotolia.com

Tatsächlich bietet das modular aufgebaute V-Modell XT einen festen Rahmen für eine strukturierte, formalisierte, ergebnisorientierte Projektplanung. Es definiert Rollen, Schnittstellen und Entscheidungspunkte, die die Meilensteine im Projektfortschritt abbilden. Im Rahmen des "Tailoring" sieht das Vorgehensmodell aber explizit organisations- und projektspezifische Anpassungen vor. Damit bietet es mehr Flexibilität als gemeinhin angenommen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Anpassungen vorab geplant und dokumentiert werden.

Scrum und Kanban für dynamische Projekte

Agile Methoden wie Scrum setzen auf ein flexibles, iteratives und inkrementelles Vorgehen mit sich überlappenden Entwicklungsschritten. Dazu gehört eine klare Priorisierung der Anforderungen, die in "Product Backlogs" festgelegt sind und in "Sprints" abgearbeitet werden. Der Projektrahmen ist grobgranularer definiert; gegenüber dem V-Modell XT sind weniger Rollen und Artefakte vorgeschrieben.

Im Brennpunkt stehen hier Flexibilität und maximaler Kundennutzen. Der Prozess ist denn auch dahingehend optimiert, dass sich die Anforderungen im Laufe des Projekts ändern. Vorgaben zur Dokumentation gibt es kaum. So können sich diese Methoden schnell an dynamische Projekte anpassen und damit Aufwand sparen. Allerdings setzen sie stark auf eigenverantwortlich arbeitende Teams und auf Feedback durch den Kunden.

Nutzung von Scrum-Artefakten im Rahmen des V-Modells XT Agile Softwareentwicklung und planorientiertes Vorgehen können einander hervorragend ergänzen. Wie das gehen kann, zeigt dieses Beispiel.
Nutzung von Scrum-Artefakten im Rahmen des V-Modells XT Agile Softwareentwicklung und planorientiertes Vorgehen können einander hervorragend ergänzen. Wie das gehen kann, zeigt dieses Beispiel.
Foto: MSG Systems

Auch Kanban wird oft den agilen Methoden zugeordnet, hat aber einen anderen Ursprung: Es ist aus den "Lean-Prinzipien" der japanischen Automobilproduktion erwachsen. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zu Scrum: Bei der letztgenannten Methode gibt es Rollen und Spielregeln, um den Prozess zu strukturieren: Scrum Master, Product Owner, Daily Scrums, Product Backlogs, Sprints etc.

Bei Kanban ist das strukturierende Regelwerk deutlich weniger definiert. Zentrales Tool ist hier das Kanban-Board, das den aktuellen Status des Projekts mit Kärtchen für die einzelnen Aufgaben visualisiert. Das vereinfacht die Abstimmung zwischen allen Beteiligten. Wann eine Aufgabe abgeschlossen ist, bestimmen die "Definitions of Done", die das Team gemeinsam festlegt.

Scrum hat seine Vorzüge dort, wo es darum geht, sehr flexibel und agil auf geänderte Anforderungen einzugehen. Kanban stellt das Ziel in den Vordergrund, Probleme im Projekt transparent zu machen und zeitnah effizient zu lösen.

Im Video: Kanban – Grundlagen (1/2)

(Quelle: video2brain, Trainer: Patrick Lobacher)

Jede Methode hat ihre Berechtigung

V-Modell XT, Scrum oder Kanban - welche Methode am erfolgversprechendsten ist, hängt von vielen Projektparametern ab. Das sind insbesondere Projektvorgaben, Detailtiefe und Stabilität der Anforderungen, Komplexität des Projekts im Team vorhandenen Kenntnisse.

Tendenziell hat sich das V-Modell XT bei Projekten mit stabilenAnforderungen und klaren Rahmenbedingungen bewährt. Agile Methoden hingegen spielen ihre Stärken naturgemäß bei dynamischen Projekten aus. Scrum ist insbesondere dann effizient einsetzbar, wenn die Teammitglieder gute "Soft Skills" mitbringen - und bereits Erfahrung mit der Methode vorweisen können. Kanban wiederum ist hilfreich in Projekten mit vielen Abhängigkeiten, weil diese visualisiert und so den Umgang mit ihnen vereinfacht.

Die drei Methoden beziehungsweise Modelle lassen sich nahezu beliebig miteinander rmischen. Auf diese Weise kann jeweils die Kombination eingesetzt werden, die am wahrscheinlichsten zum Erfolg des Projekts beiträgt.

Scrum und V-Modell XT: ein Mittelweg

Agile Software-Entwicklung und planorientiertes Vorgehen schließen einander keineswegs aus - im Gegenteil. V-Modell XT und Scrum lassen sich deshalb zu einem innovativen Integrationsmodell kombinieren: Es bietet viel Flexibilität für dynamische Anforderungen; zudem lässt es sich leicht in mehrere Teilprojekte aufteilen und kostengünstig abwickeln.

Das V-Modell XT im Überblick
Das V-Modell XT im Überblick
Foto: MSG Systems

Last, but not least erfüllt diese Kombination die im öffentlichen Sektor unabdingbare Anforderung der V-Modell-XT-Konformität. Dazu ist es notwendig, dass der Gesamtprozess zu denselben Ergebnistypen führt wie beim V-Modell XT. Außerdem muss die Vorgehensweise den dort festgelegten Dokumentationsrichtlinien entsprechen. Das geschieht, indem die Anpassungen im Projekthandbuch oder einer organisationsspezifischen Prozessbeschreibung festgehalten werden.

Im Video: Kanban in der IT (2/2)

(Quelle: video2brain, Trainer: Patrick Lobacher)

Die Integrationsschritte

Für die Integration ist es wichtig, im Tailoring die Projektablaufstrategie festzulegen. Aufgrund ihrer höheren Flexibilität eignet sich eine "prototypische Strategie" zumeist besser dafür als eine "Inkrementelle Strategie" oder eine Entwicklung mit Hilfe früh festzulegender Komponenten.

Aber die Integration geht noch weiter. Zu diesem Zweck werden meist mehrere Entscheidungspunkte aus dem V-Modell XT zusammengefasst. Auf diese Weise lassen sich die geforderten Ergebnisse durch Sprints erarbeiten, beispielsweise solche zu den Themen Entwurf, Realisierung und Integration.

Nach dem Tailoring ist also zu definieren, welche Entscheidungspunkte durch Sprints erreicht werden sollen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Schnittstellen zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN). An den Entscheidungspunkten müssen alle zugehörigen Produkte und Dokumente fertiggestellt sein, damit vorhandene V-Modell-XT-Prozesse von Scrum nicht beeinträchtigt werden. 'Dazu werden die Produkte aus den Entscheidungspunkten in die Definition of Done oder ins Product Backlog aufgenommen.

Im letzten Schritt der Integrationsplanung müssen die Rollen und Prozesse feiner ausgestaltet werden. Das betrifft beispielsweise die Umsetzung der Schnittstellen zwischen den beiden Modellen.

Dieses Vorgehen lässt sich vor allem in Projekten mit eher schlanker Dokumentation anwenden. Denn bei kurzen Sprints steigen schnell die Aufwände - wegen des vom V-Modell XT geforderten Konsisthaltens aller Artefakte. Verlangen der Auftraggeber oder rechtliche Zwänge eine sehr umfassende Dokumentation, spricht das also eher gegen ein solches integrierte Vorgehen.

Im Video: Agile Softwareentwicklung - die Phasen eines Scrum-Projekts (1/2)

(Quelle: video2brain, Trainer: Udo Wiegärtner)

Kanban - Visualisierung für das V-Modell XT

Das V-Modell XT lässt sich auch mit der Kanban-Methode verbinden. Das ist sogar noch einfacher als die Integration mit Scrum. Die Entscheidungspunkte des V-Modell XT sind hier die Grundlage für die Definitions of Done. Ist diese Kernvoraussetzung berücksichtigt, lässt sich Kanban innerhalb des V-Modell-XT-Rahmens mit überschaubarem Aufwand einführen. Die Methode visualisiert ja erst einmal den Ist-Stand, und von dieser Basis aus wird der Entwicklungsprozess in seiner Gesamtheit gemeinsam und stetig in kleinen Schritten verbessert.

Sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, bringt die kombinierte Nutzung in nahezu allen Projekten große Vorteile mit sich - wie kürzlich ein Projekt in der öffentlichen Verwaltung belegte: Für die Neuentwicklung von Web-Interfaces lieferten die Entscheidungspunkte des V-Modell XT den Rahmen, der dynamische Prozess der Oberflächenentwicklung ließ sich durch dessen Entscheidungspunkte aber nicht realistisch abbilden. Erst die Kanban-Methode ermöglichte eine feingranulare Steuerung des Durchflusses sowie einen detaillierten Überblick über die Anforderungen, Prozessschritte und Schnittstellen zu Teilprojekten. Dank des evolutionären Vorgehens und der klaren Visualisierung bietet sie einfach mehr Transparenz. Kanban füllte hier quasi den Rahmen des V-Modell XT mit Leben-

Mehr Flexibilität durch Kombination

Bei der Entscheidung für ein Projektvorgehen sind immer viele Aspekte zu berücksichtigen. Ein wichtiger Faktor ist der jeweilige Grad an Agilität, Transparenz und Formalisierung im Projekt. Wichtig ist aber auch, ob das nötige Know-how und vor allen Dingen das Commitment aller relevanten Stakeholder für ein bestimmtes Vorgehen vorhanden sind.

Vorausgesetzt, die nötigen Voraussetzungen sind erfüllt, bietet eine Integration des V-Modells XT um Scrum oder Kanban meist Vorteile: Zum einen wird der Standard eingehalten; zum anderen rmöglicht ein integriertes Vorgehen hohe Flexibilität durch effiziente Prozesse und zielgerichtete Investitionen in die Features mit dem höchsten Nutzen. (qua)

Im Video: Scrum - Sprint, die Taktfrequenz des Projekts (2/2)

(Quelle: video2brain, Trainer: Udo Wiegärtner)