Scotland Yard setzt auf Videofile:Computer identifiziert Fingerabdrücke

24.02.1978

LONDON - Rund 12 Milionen Mark will Scotland Yard, wohl das berühmteste Kriminalamt der Welt, sich einen neuen Computer kosten lassen, der die Suche nach Fingerabdrücken in einem Fünftel der bisherigen Zeitspanne erledigen soll. Dabei werden rund 25 Millionen Einzel-Prints - pro Person etwa zehn - nach dem sogenannten Henry-Klassifikstionssystem auf Videoband gespeichert.

Mit Hilfe verschiedener Hilfs-Programme können die Fingerabdrücke eines Festgenommenen nun binnen Sekunden statt bislang erst nach einer halben Stunde geprüft werden, ob sie bereits in der Datei vorliegen. Daneben kann die Fingerabdruck -Sektion der britischen Polizei auch eine Reihe besonderer Suchprogramme ablaufen lassen und routinemäßig unbekannte, am Tatort festgehaltene Abdrücke mit dem Speicherinhalt vergleichen - am Tag rund 55 000 mal. In der ersten Instalationsphase des neuen Ampex-Videofile-Sistem werden die bislang auf Papier festgehaltenen und manuell bearbeiteten Fingerspuren auf die Videobänder übertragen; zunächst sollen in zwei Jahren die 25 Millionen Abdrücke der Hauptsammlung auf 1oo Bänder gespeichert werden. Die Kapazität der Anlage erlaubt aber schon jetzt einen Ausbau auf rund 34 Millionen Finger-Muster.

Zum Schutz vor Maschinen-Ausfällen ist Scotland Yards neues Prachtstück in zwei Sektionen gegliedert: Im System A befindet sich die Haupt-Fingerabdruck-Sammlung, System B umfaßt als sogenannter "Latex-Index" die neueren Spuren von unbekannten Tätern, also vor allem solche Abdrücke, die Spurensicherer direkt am Tatort von Weingläsern und Türklinken abgenommen haben. Außerdem finden sich in "B" die Abdrücke von 50 000 Kriminellen, die nach Ansicht der Detekive im Großraum London ihr Unwesen treiben dürften. Von ihnen sind nicht nur die Papillaren-Muster, sondern auch Angaben über Alter, Rasse, Geschlecht sowie ihre typische "Arbeitsweise" festgehalten, ferner Informationen über ihr bevorzugtes Stadtviertel.

Nach Auskunft der Londener Polizei haben bereits mehrere ausländische Polizeibehörden Interesse für das neue Ampex -Videofile-System bekundet, das in einer abgemagerten Version übrigens auch den "Männern im roten Rock", der kanadischen berittenen Polizei, beim Aufspüren von Rechtsbrechern hilft. Immerhin reichen die 1200 Zeilen Auflösungsvermögen der Ampex-Anlage aus, selbst Fotos zu speichern und wiederzufinden. Die neue Anlage wird sich in sieben bis zehn Jahren allein durch personelle Einsparungen bezahIt machen, hofft die britische Polizei. Dabei sind die erwarteten Nutzeffekte aus der verbesserten Verbrechensaufklärung noch nicht berücksichtigt. Dazu ein paar Zahlen: Erst kürzlich mußten in einem Mordfall zum Vergleich der vorhandenen mit neu aufgefundenen Fingerabdrücken 8o Mann-Tage aufgewendet werden; mit dem neuen System sollen 16 Mann-Tage genügen. Dabei erscheint jeder Satz im Durchschnitt drei Sekunden lang auf dem Split-Screen-VergIeichsbildschirm.