Klage gegen Anwender soll schlechte Geschäftszahlen in den Hintergrund drängen

SCO lässt den Linux-Streit eskalieren

12.03.2004
MÜNCHEN (CW) - SCO hat in den USA Daimler-Chrysler und den Autoteilehändler Autozone verklagt, weil sie angeblich durch die Nutzung von Linux Unix-Rechte verletzen, ohne die von SCO geforderten Lizenzgebühren zu zahlen. Dass Anwender sich auf SCOs Forderungen nicht einlassen, zeigen die schlechten Geschäftszahlen für das erste Quartal 2004.

Die ersten März-Tage hat SCO für eine massive PR-Kampagne genutzt. Zuerst verkündete das Unternehmen, der Website-Hoster EV1Servers.net habe eine Linux-Lizenz für seine Server unterzeichnet. Der genaue Wert des Vertrages wurde nicht mitgeteilt, dem Hoster sei ein Rabatt wegen der - ungenannten - großen Zahl seiner Linux-Rechner gewährt worden. EV1Servers.net begründete die Übereinkunft damit, es sei "wichtig, die Unsicherheit zu beenden".

SCO erklärte, außer dem Hoster hätte "eine Hand voll" weiterer Großunternehmen Linux-Lizenzen abgeschlossen. Genannt wurden die Firmen Computer Associates, Leggett & Platt und Questar. Letztere bestätigte, für ihre sieben Linux-Server rund 5000 Dollar Lizenzgebühren bezahlt zu haben. Angesichts des niedrigen Preises habe man sich nicht dem Risiko eines Gerichtsverfahrens aussetzen wollen. Der Fabrikant Leggett & Platt dagegen dementierte, eine unternehmensweite Lizenz erworben zu haben. Vielleicht habe eine Tochtergesellschaft Lizenzen genommen.

CA reagierte sogar angesäuert: Man habe lediglich Unixware-Lizenzen über die Canopy Group gekauft, und zwar im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit deren Tochter Center 7 vom August letzten Jahres. Die hatte CA wegen Verletzung von Verträgen und Lizenzbestimmungen in einer anderen Sache verklagt. Die Canopy Group ist mit 38,7 Prozent auch größter SCO-Aktienbesitzer. Sam Greenblatt, Chef der Linux Technology Group von CA, nannte die Darstellung von SCO "völlig falsch". Er griff insbesondere SCO-Chef Darl McBride an, dessen Taktik darin bestehe, "Kunden einzuschüchtern und zu bedrohen".

Am 3. März 2004 holte SCO zum immer wieder verschobenen Schlag gegen Linux-Anwender aus. Das Unternehmen reichte Klagen gegen Daimler-Chrysler und Autozone, den größten US-amerikanischen Händler von Autoteilen, ein. SCO verlangt Schadensersatz in einer gerichtlich festzusetzenden Höhe für die Verletzung der eigenen Unix-Rechte durch die Nutzung von Linux. Beide Unternehmen wollten keine Stellung nehmen, weil sie die Klageschriften noch nicht gesichtet hätten.

SCO verklagt eigene Kunden

Daimler-Chrysler verwendet Linux unter anderem auf einem Cluster für die Simulation von Crash-Tests. Autozone aus Memphis, Nevada, hat seit Ende der 90er Jahre seine gesamte IT von SCOs Unix-Variante Open Server auf Linux umgestellt. Laut SCO hat das Unternehmen dabei mit Hilfe von IBM "shared libraries" aus Open Server in Linux implementiert, um in der neuen Umgebung alte Anwendungen weiterbetreiben zu können.

Jim Greer, ein ehemaliger Autozone-Angestellter, der für die Migration auf Linux verantwortlich war, nannte die SCO-Anschuldigungen "falsch". Autozone habe eigene Libraries verwendet, er selbst habe diese portiert und die Aufsicht über die Migration der Altanwendungen gehabt. Letzteres sei "trivial" gewesen, "denn unser Code setzte nicht auf SCO-spezifischen Features auf, sondern auf unseren Libraries".

Verschiedene Beobachter und Analysten werten SCOs Klagen gegen Daimler-Chrysler und Autozone als Ablenkungsmanöver. Denn am Tage ihrer Einreichung musste der Unix-Anbieter triste Geschäftszahlen vorlegen. Für das am 31. Januar beendete erste Quartal des Geschäftsjahres 2004 berichtete SCO einen Nettoverlust von 2,25 Millionen Dollar. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres hatte das Minus noch 724000 Dollar betragen.

Zum Umsatz von 11,4 Millionen Dollar trugen die Softwarelizenzen gerade 20000 Dollar bei. Im vorhergehenden dritten Quartal waren es noch 10,3 Millionen Dollar gewesen - dank Unix-Lizenzgebühren von Sun und Microsoft. Demgegenüber hat SCO im letzten halben Jahr 12,3 Millionen Dollar an Anwaltskosten für die Verfahren gegen IBM, Red Hat und Novell ausgegeben. Die Investment-Firma Decatur Jones Equity Partners LLC senkte daraufhin die Umsatzprognose für SCOs Lizenzgeschäft für das laufende Jahr von sieben Millionen auf null Dollar. Nach diesen Zahlen fiel der Preis der SCO-Aktie auf weniger als zwölf Dollar. Mitte Dezember 2003 hatte er noch die 20-Dollar-Marke erreicht.

Geld von Microsoft?

Vor dem Hintergrund der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung von SCO fielen Spekulationen auf fruchtbaren Boden, Microsoft könne das Unternehmen weit umfangreicher unterstützt haben, als bisher bekannt war. Anlass bot eine dem Linux-Propagandisten Eric Raymond zugespielte E-Mail eines externen Finanzberaters von SCO an dessen Manager Chris Sontag und den Finanzchef Robert Bench. Darin heißt es: "Microsoft wird uns 86 Millionen Dollar beigetragen haben, Baystar inklusive." Die Formulierung war Anlass für Spekulationen, Microsoft sei der Drahtzieher hinter der Investment-Firma Baystar. Die hatte sich im Oktober letzten Jahres überraschend mit 50 Millionen Dollar an SCO beteiligt. SCO bestätigte die Existenz der E-Mail, dementierte aber die Darstellung. Der Berater habe wohl einige Fakten durcheinander gebracht. (ls)

Gerichtsgeplänkel

SCO hat vor Gericht gegen IBM einen kleinen Erfolg erringen können. Die zuständige Richterin forderte Big Blue auf, zwar nicht - wie von SCO verlangt - den Code aller AIX- und Dynix-Versionen offen zu legen. Aber 232 Files muss IBM innerhalb von 45 Tagen herausrücken. Dann hat SCO in 45 weiteren Tagen aufzuzeigen, welche Stellen daraus in Linux kopiert worden seien. SCO darf die Vorlage weiterer Files beantragen. Außerdem muss Big Blue alle Dokumente von IBM-Chef Sam Palmisano und weiteren Managern vorlegen, die für die Ausrichtung des Unternehmens auf Linux von Bedeutung sind.