Geforderte Beweise im Linux-Streit nicht vorgelegt

SCO - ein zahnloser Tiger?

23.01.2004
MÜNCHEN (CW) - Der richterlichen Auflage, Belege für die Behauptung vorzulegen, IBM habe geschützten Unix-Code für Linux verwendet, konnte SCO nur teilweise nachkommen. Nun sehen Beobachter die Chancen des Softwarehauses im Kampf gegen die Linux-Gemeinde schwinden.

Am 12. Dezember 2003 hatte ein Richter im US-amerikanischen Bundesstaat Utah SCO auferlegt, innerhalb von 30 Tagen beweiskräftige Dokumente für den Prozess gegen IBM vorzulegen. Dabei geht es insbesondere um die Vorwürfe, IBM habe SCO-eigenen Sourcecode in Linux implementiert, Geschäftsgeheimnisse missbraucht und das Unix-Business torpediert. Vorgelegt hat SCO nun ein rund 60 Seiten umfassendes Dokument, das aufgrund eines Gerichtsbeschlusses der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.

Bekannt ist allerdings eine gleichzeitig übergebene Erklärung des SCO-Anwalts Ryan Tibbitt, wonach das Beweisdokument nicht vollständig ist und SCO sich vorbehält, weitere Dokumente nachzureichen. Ein Grund für die Unvollständigkeit ist laut Tibbitt, dass verschiedene SCO-Manager wegen der Weihnachtsferien ihre Unterlagen nicht hätten beibringen können. Beobachter werten das als Versuch, das Verfahren zu verzögern, zumal SCO die Vorwürfe seit Frühjahr letzten Jahres erhebt.

Dass SCO jetzt nur ein 60-seitiges Dokument präsentierte, wird dem Unternehmen als Schwäche ausgelegt. Schließlich hatte das Unternehmen auf der Kundenveranstaltung "SCO Forum" im August letzten Jahres behauptet, Beweise dafür zu haben, dass 1,1 Millionen Zeilen Code aus 1549 Dateien in Linux aus dem Unix-System stammten. Nun relativierte der SCO-Anwalt, der Code sei "beinahe sicher" kopiert worden. Der Kläger scheint nicht viel Vertrauen in die Beweiskraft der vorgelegten Unterlagen zu haben.

Tibbitt erklärt den Mangel an Belegen auch damit, SCO verfüge nur über veraltete Versionen von AIX und Dynix/ptx, so dass ein Vergleich mit Linux schwer falle. Er forderte, IBM sollte den Quellcode neuerer Releases der Unix-Derivate herausgeben. Danach brauche SCO 90 weitere Tage für eine Analyse. Dieses Ansinnen hatte der zuständige Richter allerdings schon Anfang Dezember 2003 zurückgewiesen. Damit geht SCO mit leeren Händen in die nächste Verhandlungsrunde am 23. Januar.

Fraglich ist darüber hinaus, ob SCO überhaupt Urheberrechte an Unix für sich beanspruchen kann. Joseph LaSala, Vice President und Rechtsbevollmächtigter von Novell, dem einstigen Unix-Besitzer, hat in zwei inzwischen öffentlichen Schreiben an SCO-Chef Darl McBride erklärt, beim damaligen Verkauf von Unix an SCO habe Novell nur die Vermarktungs-, nicht aber die Urheberrechte veräußert. Dies belege der Anhang Nummer 2 des "Asset Purchase Agreement". Um die darin geregelte Möglichkeit zur Übertragung von Urheberrechten habe SCO nie nachgesucht.

SCO-Anwalt Tibbitts konterte darauf auffallend schwach: Er legte keine Interpretation der fraglichen Punkte des Anhangs vor, sondern erklärte lediglich, er betrachte SCO sehr wohl als Besitzer der Urheberrechte. Das zeigten auch Presseerklärungen anlässlich des Unix-Kaufs. Novell sei im Übrigen nur ein Handlanger von IBM bei dem Versuch, den Wert von SCO Unix und Unixware zu zerstören.

SCO wirft Novell darüber hinaus vor, durch die Übernahme des Linux-Distributors Suse den Unix-Kaufvertrag verletzt zu haben. Darin sei vereinbart, dass Novell nicht mit Produkten auf den Markt kommen werde, die SCO Konkurrenz machen würden. Suse Linux rivalisiere aber mit SCOs Betriebssystemen. Novell hat auf diesen Vorwurf noch nicht einmal reagiert. (ls)