CeBIT-Trends/Wildwuchs vermeiden

Schwierige Integration mobiler Mitarbeiter

19.03.2004
Bei welcher Zielgruppe sitzt die Geldbörse am lockersten? Diese Frage prägt in diesem Jahr die CeBIT. Die Antwort lautet: Bei der arbeitenden Bevölkerung. Sie soll die Branche nicht nur durch den Kauf von Hightech direkt stimulieren, sondern diese Technik in Form mobiler Geräte auch ins Unternehmen einschleusen. Dort ringen die IT-Abteilungen längst damit, die mitgebrachten PDAs und Smartphones auf sichere Weise einzubinden.Von Hermann Gfaller*

Die Akzeptanz für mobiles Computing ist überwältigend. So stieg der weltweite Umsatz für drahtlose Technik nach den Erhebungen der Marktforschungsgruppe Synergy Research aus Arizona im vergangenen Jahr um 40 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar. Die Marktforscher sind sich einig, dass die mobilen Rechner schon bald die Zahl der Desktop-PCs überrunden. Hinzu kommen die Millionen von Handys, die sich zunehmend in so genannte Smartphones verwandeln. Tatsächlich sind die mit Wireless-Techniken verbundenen Möglichkeiten verlockend. Sie eignen sich besonders für Startups, weil diese noch keine Investitionen in gewachsene Netzinfrastrukturen zu schützen haben und sich auch die Frage nach der Skalierbarkeit häufig noch nicht stellt. Über die drahtlosen Netze erhalten sie zudem einen preiswerten Internet-Zugang für ihre Kunden, ohne auf teure Mietleitungen von großen Anbietern zurückgreifen zu müssen.

Vorteile für Firmen und Mitarbeiter

Lokale Netze lassen sich heute drahtlos auch von Computerlaien aufbauen und sich vor allem weit einfacher und flexibler umorganisieren als klassische Local Area Networks (LANs). Mit einer Übertragungskapazität von 54 Mbit/s können sie auch leistungsmäßig mithalten. Je größer das Netz, desto mehr fällt die Kostenersparnis gegenüber dem aufwändigen Verkabeln ins Gewicht. Hinzu kommt, dass gerade die so genannten Wissensarbeiter in den Unternehmen ständig unterwegs sind, und sei es nur auf den Fluren des eigenen Unternehmens. "Floor Warriors" werden sie inzwischen auf Englisch genannt. Für sie ist es praktischer, mit Notebooks, Handheld-Geräten oder Tablet PCs an Sitzungen teilzunehmen, als Aktenmappen mit sich herumzuschleppen. Wichtige Informationen können sie sich dann einfach via Hotspot aus dem Unternehmensnetz besorgen.

Besonders groß sind die Vorteile von mobilen Systemen für Unternehmen mit Außendienstmitarbeitern, gleichgültig, ob es sich dabei um Manager auf Dienstreise, Lastwagenfahrer, Supporttechniker oder Verkäufer handelt. Sie alle sind künftig nicht mehr nur telefonisch zu erreichen, sondern lassen sich jederzeit über E-Mail oder Push-Dienste in die Arbeitsorganisation einbinden. Sie erfahren unterwegs von zusätzlichen Terminen, können von auswärts auf Unternehmensanwendungen zugreifen und Vertragsbestimmungen noch während des Kundengesprächs abklären. Über das zum Beispiel bei manchen Geräten von Palm One mitgelieferte Global Positioning System (GPS) lässt sich zudem die Fahrtroute elektronisch planen. War erfolgreichen internen Vertriebsmitarbeitern der Nutzen von Systemen für Customer-Relationship- Management (CRM) nur schwer vermittelbar, so werden die im Außendienst arbeitenden Kollegen dankbar sein, wenn sie Kundeninformationen überall abrufen können.

Tatsächlich sind es vor allem die Mitarbeiter selbst, die zu drahtlosen Techniken greifen. Mobile Geräte gehören längst zu ihrem Lebensstil. Viele karrierebewusste Mitarbeiter haben nichts mehr dagegen, ständig erreichbar zu sein. Außerdem stören E-Mails nicht in dem Maße wie Telefonanrufe. Unter dem Begriff "Dual Use" vermischt sich zunehmend der geschäftliche und private Gebrauch von Smartphone und Notebook. So wird der Wireless-Boom überwiegend von privaten Käufern getragen. Sie schafften laut Synergy Research im vergangenen Jahr für 1,6 Milliarden Dollar Notebooks mit entsprechenden Funktionen an. Das sind 66 Prozent mehr als 2002. Die Hersteller freuen sich über diesen Trend. In den vergangenen Jahren, als die Unternehmen ihr IT-Equipment nur zögerlich erneuerten, wurden die mobilen Geräte von den Mitarbeitern ins Haus gebracht und mit den betrieblichen Anwendungen verbunden.

Tatsächlich sind die Unternehmen bei der Anschaffung von drahtlosen Techniken weit zurückhaltender. So stieg das Geschäft mit Business-Kunden 2003 lediglich um neun Prozent auf knapp 870 Millionen Dollar. In fast allen Firmen fehlt eine Strategie für die Integration dieser Techniken und den Umgang mit ihnen. Selbst in Finnland, wo mobile Geräte besonders stark genutzt werden, sind laut Meta Group nur zehn Prozent darauf vorbereitet. Widerstand formiert sich: Von 158 durch die Meta Group befragten deutschen Unternehmen sieht mit 42 Prozent fast die Hälfte keine Notwendigkeit für den Einsatz mobiler Lösungen. Dabei sind sie längst Realität: Nach derselben, noch unveröffentlichten Umfrage werden in 94 Prozent der Firmen Notebooks und in 86 Prozent Handys eingesetzt. Die Anwender nennen E-Mail als wichtigsten Verwendungszweck.

Die Zurückhaltung der Firmen hat einen Grund: Hier wiederholt sich in verschärfter Weise ein Problem der späten 80er und frühen 90er Jahre. Damals eroberten sich die PCs an den IT-Abteilungen vorbei die Arbeitsplätze. Es kam zu einem Wildwuchs, der im Rahmen des Client-Server-Computings zur Entmachtung der einst zentralen DV-Abteilungen führte. Manche Unternehmen sind noch heute dabei, PC-Inseln über lokale Netze und Standardisierungsregeln in die Firmen-DV einzubinden.

Bei den jetzigen Geräten dürfte die Eingliederung noch schwieriger werden. So reicht die Vielfalt vom digitalen Schreib-Lese-Stift über das Handy zum Personal Digital Assistent (PDA) und Tablet PC bis hin zum Laptop. Insbesondere Handys sind in der Anschaffung so preiswert, dass ständig neue Modelle ins Unternehmen fluten. Hinzu kommen die vielen unterschiedlichen Wege, in denen auf Unternehmensdaten zugegriffen werden kann. USB-Sticks haben längst die Disketten abgelöst, und der Umgang mit ihnen ist ähnlich unkontrollierbar. Daten werden drahtlos über die in vielen Geräten eingebauten Infrarot- oder Bluetooth-Schnittstellen übertragen. Hinzu kommen die aus der TK-Industrie stammenden Kommunikationsverfahren UMTS und GPRS, die auch als PC-Karten für Notebooks angeboten werden.

Außerdem sind Funktionen und Eigenschaften mobiler Geräte ständig im Fluss und nicht klar voneinander abgegrenzt. Für welchen Mitarbeiter etwa ist ein Tablet PC besser geeignet als ein PDA oder ein Notebook? Wann reicht ein Handy? Solche Fragen machen es den IT-Abteilungen extrem schwer, die Anwender auf einige wenige Standards festzulegen. IT-Abteilungen, die wie etwa bei Daimler-Chrysler bereits Strategien für mobile Computing verfolgen, haben nach eigenem Bekunden Schwierigkeiten, ihre Vorgaben auch tatsächlich durchzusetzen. Wie etwa soll das Verbot von Foto-Handys kontrolliert werden, durch Leibesvisitation?

Es kann daher nicht wundern, dass die IT-Abteilungen alles andere als begeistert von mobilen Systemen sind. Überall lauern Gefahren für das Unternehmen. Dabei zielen die Befürchtungen in mehrere Richtungen. Zum einen besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter Viren einschleppen, zum anderen sind Funknetze ein leichtes Ziel für Hacker. Schließlich laden die Synchronisationsmechanismen Mitarbeiter dazu ein, unternehmenswichtige Daten mit nach Hause oder auf Reisen zu nehmen.

Viele der Gefahren wären im Prinzip relativ einfach zu beheben. Notebooks und in zunehmenden Maße auch PDAs und Handys werden mit Personal Firewalls und Antivirensoftware ausgeliefert oder lassen sich nachträglich damit ausstatten. Auch Verschlüsselungsfunktionen sind in der Regel vorgesehen. Die Sicherheits-Features müssen allerdings auch aktiviert und richtig eingestellt werden. Solange jedoch Geräte unkontrolliert ins Unternehmen strömen, bleiben die durchaus existierenden Mechanismen für die automatische Aktualisierung etwa der Virendefinitionen bei der Anmeldung im Firmennetz oft wirkungslos. Am ehesten hilft, die Benutzer nicht bei der Wahl des Handy-Modells, sondern auf Ebene der Übertragungsmethoden einzuschränken.

Es liegt in der Natur der Funkkommunikation, dass die Geräte schwieriger gegen unerwünschtes Mithören und Mitlesen zu schützen sind. Umso wichtiger ist es, Verschlüsselungsverfahren zu verwenden und im Falle von drahtlosen Netzen in geschlossenen Gebäuden die Signale der Basisstationen möglichst genau auf die Anwender auszurichten statt gleichmäßig in alle Richtungen. Hinzu kommen die üblichen Sicherheitsprobleme bei der Datenkommunikation via Internet. Hier bieten die Betreiber inzwischen auch für mobile Geräte gesicherte Verbindungen, Virtual Private Networks (VPNs) an.

Deutlich geringer sind jedoch die Möglichkeiten geworden, sich gegen Datenverlust zu schützen. USB-Sticks, Handys, PDAs und Notebooks gehen verloren oder werden gestohlen. Beruhigend ist allerdings, sich klar zu machen, dass die meisten Daten für Außenstehende keine Bedeutung haben, zumal wenn sie verschlüsselt sind.

Hauptaufgabe der IT-Abteilung bleibt es jedoch, die Geräte in die Unternehmens-DV zu integrieren. Auch dafür gibt es inzwischen eine Reihe von relativ sicheren Lösungen von Middleware-Anbietern wie Sybase oder Synchronisationsspezialisten wie Extended Systems, die dafür sorgen, dass Außendienstmitarbeiter vom Smartphone oder Notebook aus auf Unternehmensanwendungen wie Lotus Notes oder SAP zugreifen können. Die Infrastruktur ist inzwischen vorhanden, auch alle gängigen Protokolle werden unterstützt. Hinzu kommen Push-Dienste, mit denen die Kollegen außer Haus mit Neuigkeiten versorgt werden.

Probleme bereiten auch noch die WLAN-Hotspots. Zwar ist es in immer mehr Hotels oder Flughäfen möglich, sich in ein öffentliches Netz einzuwählen, um mit seinen Firmenanwendungen Kontakt aufzunehmen. Woran es jedoch fehlt, sind standardisierte Verfahren für das Wechseln von einem Hotspot in einen anderen. Wünschenswert wäre auch ein Roaming, das die WLAN-Gebühren zum Beispiel über die Telefonrechnung des Arbeitgebers einzieht. (bi)

*Hermann Gfaller ist freier Journalist in München.

Wegweiser

Lösungen für die sichere Integration von mobilen Geräten in die Unternehmens-DV gibt es auf der CeBIT unter anderen an folgenden Ständen zu sehen:

Palm (Halle 2, B36)

- Extended Systems: Synchronisation, Notes, SAP (auch auf den Ständen von Fujitsu-Siemens, Halle1, Stand 5e2 und Stand O2 Halle 12, B26)

- Good Technology: Mobilfunkzugriff auf Enterprise Messaging und Daten, Verschlüsselung

- I-Anywhere (Sybase-Tochter), mobile Datenbanktechnik, Middleware

- Ubitexx (Synchronisation, zentrales Sicherheits-Management)

Intellisync (Halle 3, Stand 58)

Mobiler Zugriff auf Unternehmens-Applikationen, E-Mail und PIM-Daten.

Psion Teklogix (Halle 17, Stand C60) Einbindung der eigenen Geräte in SAP-Systeme, Flotten-Management

Fujitsu-Siemens (Halle 1, Stand 5e2) Vorkonfigurierte Komplettlösungen unter dem Titel Managed Mobility

Sun Microsystems (Halle 1, Stand 8a1 und 8a2)

Javacard- und Sunray-Technologie sowie ein "Communication Appliance"

Symantec (Halle 6, Stand F20)

Sicherheitspaket "Mobile Essentials", Sicherheit für Handys, neu: für Nokia 9500 Communicator