Zehn Jahre Angewandte Informatik an der Uni Karlsruhe:

Schwerpunkt-Fach für Wirtschaftsingenieure

13.11.1981

KARLSRUHE - Die Informatik spielt innerhalb der Wirtschaftswissenschaften eine zentrale Rolle. Diese Erkenntnis habe sich zwar noch nicht an allen Hochschulen voll durchgesetzt, die Universität Karlsruhe jedenfalls bewerte das Fach sehr hoch, bemerkte Professor Dr. Wolfgang Stucky bei einer Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen des Instituts für Angewandte Informatik und Formelle Beschreibungsverfahren.

Die Geschichte des Instituts ist recht ungewöhnlich. Es wurde von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften gegründet, da für den 1970 konzipierten Studiengang des Wirtschaftsingenieurs das benötigte Lehrangebot für Informatik fehlte. So kam es, daß es heute an der Karlsruher Uni eine Fakultät für Informatik gibt und ein Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren im Rahmen der von den Geistes- und Sozialwissenschaften abgespaltenen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften.

Das Institut wurde im Herbst 1971 unter Zusammenschluß des Lehrstuhls für Angewandte Informatik I und des Stiftungslehrstuhls für Organisationstheorie und Datenverarbeitung (Mittlere Datentechnik) gegründet. Der Stiftungslehrstuhl war 1970 aufgrund eines Stiftungsvertrages zwischen der Universität und den Firmen Akkord Elektronik GmbH Herxheim, Matth. Hohner AG, Trossingen, Kienzle Apparatebau GmbH, Villingen, und Ruf-Buchhaltung Hegenauer und Heilmann, Karlsruhe entstanden. Obwohl ursprünglich auf drei Jahre begrenzt, bestand die Stiftung schließlich bis 1978, da sich die Etatisierung der Stellen des Lehrstuhls wegen fehlender öffentlicher Mittel immer wieder hinauszögerte. Zwischenzeitlich wandelte sich der Kreis der Stifterfirmen. Die Stiftung ermöglichte es dem Lehrstuhl, bereits ab 1970 Vorlesungen und Seminare über Teilbereiche der Informatik im Rahmen der Ausbildung zum Diplom-Wirtschaftsingenieur anzubieten.

Rektor Prof. Dr. Heinz Draheim würdigte bei der Festveranstaltung das Wirken des Instituts. Sein ungewöhnlicher Weg zeige, daß man nicht immer warten müsse, bis der Staat alles mache. Außerdem sei die Existenz des Jubilars ein Beweis, daß die Universität Karlsruhe in der Lage sei, ihr Programm zeitgerecht zu gestalten und neuen Entwicklungen in Forschung und Lehre Rechnung zu tragen.

Methodisches Rüstzeug

Prof. Dr. Thomas Ottmann, der zusammen mit Prof. Dr. Stucky das Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren leitet, erläuterte, die Informatik wolle dem künftigen Diplom-Wirtschaftsingenieur das methodische Rüstzeug vermitteln, das heute zur Lösung wirtschaftlich-technischer Fragestellungen mit Hilfe quantitativer Methoden nötig sei. Das Lehrangebot des Instituts umfaßt neben Einführungsveranstaltungen und Vorlesungen aus den Forschungsschwerpunkten Algorithmen und Datenstrukturen sowie Datenbank- und Informationssysteme Vorlesungen aus den Gebieten Systemanalyse, Kommerzielles Programmieren, Compilerbau, Betriebssysteme, Formale Sprachen und Komplexitätstheorie.

Um die Nachteile von Massenveranstaltungen zu mindern und die Ausbildung praxisnah zu gestalten, bemüht sich das Institut um neue Wege in der Darbietung der Lehrinhalte. So halte man bereits Videovorlesungen ab, in denen der Stoff großer Einführungsveranstaltungen über Bildschirm mehrfach kleinen Gruppen von Studenten vorgespielt werde. Im Anschluß an die Vorlesung Systemanalyse werde Studierenden die Möglichkeit geboten, bei Firmen im Karlsruher Raum ihr theoretisch erworbenes Wissen im praktischen Einsatz zu vertiefen und zu ergänzen. Zu Beginn dieses Semesters hat die Universität eine größere Anzahl von Kleincomputern beschafft, mit denen die Studenten wöchentlich für eine bestimmte Zeit exklusiv arbeiten können.

Typische Gebiete

Die Wechselwirkung von Lehre und Forschung übertrage am Institut das Spektrum der Lehre in natürlicher Weise auf die Forschung, Typische Forschungsgebiete seien Formale Sprachen und Automatentheorie, Algorithmen und Datenstrukturen, Realtime-Programmierung, Datenbank- und Informationssysteme, Systemanalyse, Systemplanung und Kleinrechneranwendungen.

Seit einem Jahr wird vom Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Untertitel "Firmen - Produkte - Methoden - Forschung" durchgeführt. Sie dient dazu, den Kontakt zwischen Hochschule, insbesondere für Studenten höherer Semester, und der EDV-Praxis zu vertiefen. Bisher fanden acht solcher DV-Gespräche statt mit der Software AG, Diebold, Philips, IBM, Intel, Sharp, Tandem und Triumph-Adler.

Das jubilierende Karlsruher Institut sieht sich als eine Heimstatt die Entwicklung und den Einsatz von Informationssystemen insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben.

Karlsruher Diplom-Wirtschaftsingeniuere mit ihrem tiefen Informatik-Background sind in der Wirtschaft sehr gefragt.