Schweizer Entwickler des Mac-OS fuer IBMs Power-PC bekommen keine Lizenz "Macworld": Apple stellt sich im Konkurrenzkampf selbst ein Bein

25.08.1995

MUENCHEN (IDG) - Was der Riese aus Kalifornien nicht anpacken wollte, haben sechs Software-Entwickler in der Schweiz in weniger als sechs Monaten bewaeltigt: Das Softwarehaus Quix Computerware hat das Macintosh-Betriebssystem auf IBMs Power-PC-Rechner portiert. Jetzt waere es an Apple, den Schweizern gruenes Licht fuer den Feinschliff ihres Prototypen zu geben, doch die Verantwortlichen mauern. Vergibt Apple damit eine weitere Chance im Konkurrenzkampf mit Intel und Microsoft?

Auf der Apple-Hausmesse Mac World Expo in Boston veroeffentlichte die amerikanische Zeitung "Macworld" den Testbericht eines neuen Betriebssystems: Die Umsetzung des Mac-OS auf IBMs Rechner entsprechend der Power Reference Platform (Prep) sei ein Erfolg, die Schweizer Firma Quix habe ganze Arbeit geleistet (siehe Testergebnisse). Doch Euphorie will bei Andy Grawehr, Geschaeftsfuehrer von Quix Computerware in Ebikon, nicht aufkommen. Jim Gable, bei Apple verantwortlich fuer die Lizenzvergabe, ueberbrachte laut "Macworld" am 11. Juli 1995 persoenlich einen Brief, in dem er Grawehrs Bitte um eine Lizenz ablehnte:

"Grundsaetzlich wollen wir, dass sich die Allianz von Apple, IBM und Motorola auf die Common Hardware Reference Platform (CHRP) konzentriert." (CHRP ist eine Erweiterung von IBMs Prep- Definition, an der Apple zur Zeit zusammen mit IBM und Motorola arbeitet, Anm. d. Red.) Quix sei ein zu kleines Unternehmen, um ein zuverlaessiger Partner zu sein, ausserdem ist es laut Gable wahrscheinlich nicht in der Lage, den Prototypen zum fertigen Produkt zu machen, ohne dass dabei Abstriche in puncto Qualitaet in Kauf genommen werden muessten.

Es sei zu befuerchten, dass "wenn das Produkt ein Erfolg wuerde, und sei er auch noch so klein, IBM und andere Firmen ebenfalls verlangten, dass die naechste Version des Mac-OS auf Prep-Rechner portiert werde". Das sei aber fuer die Apple-Entwickler eine grosse Belastung.

Die "Macworld" zitierte zusaetzlich einen nicht namentlich genannten leitenden Apple-Mitarbeiter mit den Worten: "Die Demo von Quix sieht gut aus, aber die haben da Sachen zusammengebastelt, die nie mit der grossen Zahl von Anwendungsprogrammen auf dem Markt getestet wurden, wie man das bei Apple machen wuerde. (...) Unsere Entwickler haben sich mit den Leuten von Quix unterhalten und dabei graue Haare bekommen."

Grawehr nannte diese Einschaetzung falsch und naiv, da bis heute niemand bei Apple das Quix-Betriebssystem eines naeheren Blickes gewuerdigt habe - von einer kurzen Vorfuehrung einmal abgesehen.

Ganz im Gegenteil haetten die Tests der "Macworld" gezeigt, dass der Prototyp sehr wohl zuverlaessig und schnell arbeitet und sich mit dem Original auf Apples Power-Mac-Rechner messen kann. Doch Apple habe noch nicht einmal festgelegt, welche Qualitaetsrichtlinien die Quix-Software zu erfuellen habe.

Jon Fitch ist einer der Konstrukteure der Power-Mac-Rechner von Apple und leitet heute bei der Firma Power Computing den Bau von Mac-Clones. Nach seinen Worten hatte Apple selbst die Portierung des Mac-Betriebssystem auf IBMs Prep-Rechner geplant, doch das Projekt wurde nicht weiterverfolgt, weil die Nachfrage wahrscheinlich die Anstrengung nicht rechtfertigen wuerde. Unueberwindliche technische Schwierigkeiten koenne er sich nicht vorstellen, da das Mac-OS bereits mit drei unterschiedlichen Unix- Dialekten zurechtkomme und auf Amiga- und Next-Rechnern genutzt werden koenne.

Rick Oehler, bei IBM verantwortlich fuer die Entwicklung von Systemsoftware, bestaetigte diese Einschaetzung. Er fuegte hinzu, dass die bisher fehlenden Funktionen (siehe Testergebnisse) des Quix- Betriebssystems noch einige Arbeit erforderten, was aber kein unueberwindliches Hindernis darstelle.

Hardwarenah codierte Applikationen laufen nicht

Laut Oehler werden nur die Applikationen Probleme machen, die direkt auf Apples Spezialhardware in den Power-Macs zugreifen, statt die entsprechenden Funktionen ueber das Betriebssystem aufzurufen. Es sei aber in jedem Fall besser, diese wenigen Programme auf den Muell zu werfen, da sie auch Apples eigenen Richtlinien nicht entspraechen, als das Betriebssystem mit zusaetzlichen Schutzfunktionen zu ueberlasten.

Was diese Inkompatibilitaeten angeht, steht Quix beileibe nicht alleine: Die Mac-Clone-Hersteller Power Computing und Radius wuerden gerne eigene Chips in ihre Rechner einbauen. Alle Anwendungen, die sehr hardwarenah geschrieben sind, wuerden dann aber nicht mehr auf ihren Rechnern laufen.

Glen Miranker, Vice-President im Bereich Hardware beim Clone- Hersteller Firepower, bringt die Sache auf den Punkt: "Jedes Programm, das direkt auf die Apple-Hardware zugreift, wird auf den CHRP-Macs, die naechstes Jahr auf den Markt kommen sollen, nicht mehr laufen."

Hundertprozentige Kompatibilitaet kann auch Apple nicht bieten. 17 Fehler seien bisher in der Version 7.5 des Mac-Betriebssystems gefunden worden, die, so schreibt die "Macworld", zu Programmabstuerzen oder Anomalitaeten fuehren wuerden. Kompatibilitaet sei eher ein Wert fuer die Werbestrategen: Reichen 98 Prozent aus, oder muessen 99 Prozent aller Anwendungen kompatibel mit einer neuen Version eines Betriebssystems sein?

Apple koenne sich einfach nicht entscheiden, ob die Quix-Software eine Chance oder eine Bedrohung fuer die eigenen Geschaefte sei, analysiert die "Macworld". Einerseits wolle man ueber den Mac- Clone-Markt das Mac-Betriebssystem weiter verbreiten, andererseits zeigen die bisherigen Lizenznehmer Daystar und Radius wenig Ambitionen zum Einstieg ins Massengeschaeft. Selbst der Mac-Clone- Anbieter Power Computing beschraenkt sich gegenwaertig auf den US- Markt. Und IBM zeigt wenig Interesse, Apples derzeitige Mac- Rechner nachzubauen und dafuer eine Lizenz fuer das Mac-OS zu erwerben. Erst Ende Juli hatte Big Blue unmissverstaendlich klargemacht, dass man zwar am Mac-OS interessiert sei, aber nur, wenn es auf die Prep- oder CHRP-PCs portiert werde.

Apple fuerchtet das Aus fuer seine eigenen OS-Plaene

In der Firmenzentrale von Apple fuerchte man wahrscheinlich am meisten, dass die Prep-Rechner den fuer kommendes Jahr geplanten Umstieg auf die CHRP-Macs verwaessern koennten. Dieser Schritt sei fuer Apple aber enorm wichtig. Spaetestens bis Ende 1996 sollen die aktuelle Version 7.5 des Mac-OS und auch die kommende Ausfuehrung 8.0 umgestellt werden - eine Arbeit, die Apple so viel Geld kostet, dass sie zum Erfolg werden muss.

Apple fuerchte, so die "Macworld", Hersteller von Prep-Rechnern mit dem Mac-OS koennten der Spindler-Company Kunden wegschnappen. Doch spaetestens wenn die CHRP-Rechner mit Mac-OS von IBM oder anderen Herstellern auf den Markt kommen, gibt es diesen Konkurrenzkampf ohnehin. Wenn Apple also wirklich einen Markt fuer Mac-kompatible Rechner schaffen wolle, dann muesse man in Cupertino auch das Risiko in Kauf nehmen, zumindest zeitweise Marktanteile zu verlieren.

Das Quix-Betriebssystem braechte Vorteile fuer Apple

Das Quix-Betriebssystem braechte aber auch drei wesentliche Vorteile fuer Apple:

- Insgesamt liessen sich mehr Mac-Rechner absetzen, weil ploetzlich Firmen wie IBM, Firepower, Motorola, Toshiba, Canon und das taiwanische New-PC-Consortium mit Prep-Rechnern mitmischen wuerden. Diese Geraete waeren attraktiv, da neben dem Mac-OS auch das Betriebssystem Windows NT und eines Tages auch OS/2 Warp genutzt werden koennten.

- Das Angebot an Mac-Rechnern wuerde reichhaltiger, und Apple koennte sich wieder ganz auf die teuren und gewinntraechtigen Geraete mit neuentwickelter Hardware konzentrieren.

- Eine Prep-Version des Mac-OS braechte Apples Betriebssystem in eine gute Position im Vergleich zu Windows 95 oder dem wichtigeren Konkurrenten Windows NT. Der Marktbeobachter und Apple-Spezialist Peter Hartsook argumentiert: Windows NT habe sich lediglich deshalb noch nicht richtig durchgesetzt, weil nur wenige Applikationen dafuer erhaeltlich seien. Apple koenne sich dagegen damit bruesten, dass "es 1000 Applikationen fuer die Prep-Version des Mac-OS gibt, waehrend man bei NT eigentlich auf das Office-Paket von Microsoft beschraenkt" sei.

Schliesslich solle Apple nicht vergessen, wo die wahre Gegnerschaft sitze, kommentiert Firepower-Manager Miranker: "Die Konkurrenz kommt von Intel und Microsoft, nicht von anderen Power-PC-Herstellern."

Testergebnisse laut "Macworld"

Geprueft wurde Software, die mit dem Mac-OS von Quix genutzt werden kann. Als Rechner dienten Prep-Prototypen von Motorola und Firepower.

Adobe Illustrator 5.5

Adobe Pagemaker 5.0a

Adobe Photoshop 3.0.1

Adobe Premiere 4.0

Adobe Type Manager 3.8.1

Aladdin Systems Stuffit Deluxe 3.0.6

Applescript (Grundfunktionen)

Apple Macintosh PC Exchange 2.0

Apple Quicktime 2.0

CE Software Quickeys 3.0

Claris Filemaker Pro 2.1v3

Claris Macwrite Pro 3.0

Data Description Datadesk 3.0

Doneba Canvas 3.0

Disinfectant 3.6 (Shareware)

Fractal Design Painter 2.0

Insignia Solutions Softwindows 1.0, 2.0 1)

Macromedia Freehand 5.0

Microsoft Excel 5.0

Microsoft Foxpro 2.6

Microsoft Word 6.0.1

Microsoft Works 3.0 2)

Novell Wordperfect 3.1

Quarkxpress 3.2.1 3)

SCSI Probe 3.8 (Shareware)

Specular International Infini-D 2.6

Symantec Norton Utilities 2.0 4)

Wolfram Research Mathematica 2.2

Im Betriebssystem fehlen noch die Funktionen fuer

- die Eingabe ueber die ADB-Schnittstelle,

- Appletalk und Peripherie,

- Diskettenlaufwerke,

- die Netzanbindung,

- PCI-Steckkarten,

- Klangwiedergabe,

- Grafikkarten und

- den Wecker sowie andere Funktionen, die auf die Rechneruhr zugreifen.

1) Die Beta-Version 2.0 konnte manchmal den Fensterinhalt nicht vollstaendig anzeigen.

2) Aufruf des Kalenders bringt den Rechner zum Absturz.

3) Stuerzte einmal ab, der Fehler konnte aber reproduziert werden.

4)Norton Speedisk und Disk Doctor