Zweiter Versuch mit Backup im Fels

Schweizer bauen Bank für Daten in Gebirgsfestung

10.04.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Tief im Fels des Berner Oberlands betreibt die SIAG AG unter dem Label "Schweizer Bank für Daten" ein Backup-Rechenzentrum. Von Soldaten bewacht steht der ehemalige Armeebunker neben Firmen nun auch Privatkunden als Datentresor zur Verfügung.

"In keinem Land sind Geheimnisse so gut aufgehoben wie in der Schweiz", bewerben die Betreiber der "Schweizer Bank für Daten" ihr Backup-Angebot. Kein Aufbewahrungsort sei so sicher wie das Innere eines Berges. Deshalb haben sich die Verantwortlichen der SIAG Secure Infostore AG eine ehemalige Gebirgsfestung der Schweizer Armee für ihr Backup-Rechenzentrum ausgesucht. Hunderte Meter tief in den Felsen des Berner Oberlands hatten die Eidgenossen seit den 60er Jahren ihre Militärflugzeuge gebaut. Seit einigen Jahren steht an diesem Ort, dessen Lage die Verantwortlichen nicht näher beschreiben wollen, ein voll ausgestattetes Rechenzentrum.

Biometrische Erkennungsverfahren sollen den Zugang in die Alpenfestung der SIAG AG absichern.
Biometrische Erkennungsverfahren sollen den Zugang in die Alpenfestung der SIAG AG absichern.
Foto: SIAG AG

Die Felsenfestung für die Daten funktioniert nach Angaben der Betreiber vollkommen autark. Eine eigene Stromversorgung aus einem Wasserkraftwerk sichert das Rechenzentrum gegen Ausfälle bei der Energiezufuhr ab. Ein Gebirgssee speist die Klimaanlage sorgt für die notwendige Kühlung der Rechner. Für die Sicherheit haben die Verantwortlichen ein Kamera-gestütztes Überwachungssystem installiert. Zugangsberechtigungen basieren auf einem biometrischen Gesichtserkennungssystem. Ehemalige Festungssoldaten bewachen die Anlage rund um die Uhr.

Die Daten übertragen die Kunden via Internet in die Alpenfestung. Eine 448-Bit-Verschlüsselung sichert den Transfer ab. Mittels der Software "Swissvault", die Anwender von der Website der Schweizer Bank für Daten herunterladen können, lassen sich die Verzeichnisse und Dateien auswählen, die gesichert werden sollen. Die Verbindung in den Armeebunker ist nach Angaben der Betreiber redundant ausgelegt. Neben Breitband-Zugängen lassen sich die Daten auch via Satelliten-Verbindung in das Rechenzentrum überspielen. Zusätzlich werden die Daten in einem zweiten, rund zehn Kilometer entfernt liegenden Data Center gespiegelt, das über ein Glasfasernetz angebunden ist.

Backups ab sechs Euro im Monat

So sicher wie das Geld in Schweizer Banken sollen die Daten im Schoß der Alpen lagern, lautet das Motto der Schweizer Bank für Daten (SBD).
So sicher wie das Geld in Schweizer Banken sollen die Daten im Schoß der Alpen lagern, lautet das Motto der Schweizer Bank für Daten (SBD).
Foto: Schweizer Bank für Daten

Die Backup-Offerte der Eidgenossen richtet sich an eine breite Anwenderschaft. Privatpersonen können ihre Daten ab einem Gigabyte und sechs Euro pro Monat sichern. Angebote für Firmen beginnen ab 22 Euro pro Monat. Dafür lassen sich bis zu drei Server und acht Arbeitsplätze anbinden. Als Speicherplatz stehen bis zu 500 GB zur Verfügung. Ab 309 Euro im Monat erhalten Anwender dedizierte Backup-Server in der Festungsanlage und können dort beliebig viele Clients und File-Server sichern. Der Speicherplatz ist dabei nicht limitiert. Firmen können außerdem separate Speicherräume und -anlagen im Berg mieten. Dort stehen dann auch eigene Arbeitsplätze zur Verfügung, von denen aus die Unternehmen einen Notbetrieb ihres Geschäfts sicherstellen können.

Die Einsatzszenarien für die Datenfestung sind aus Sicht der Verantwortlichen vielfältig. Beispielsweise würden gerade kleine und mittelgroße Firmen Backups, soweit diese überhaupt angelegt würden, meist im gleichen Gebäude lagern. Kommt es zu einer Katastrophe wie beispielsweise einem Brand, sind in aller Regel die Daten auf den Rechnern und auch die Sicherungen verloren. Nur eine externe Ablage helfe hier weiter. Außerdem könnten Unternehmen Informationen, die möglichst geheim bleiben sollen wie zum Beispiel Verhandlungen über größere Deals oder Übernahmen im Datenbunker ablegen und dort einem kleinen Personenkreis Zugriff darauf gewähren. Privatpersonen können persönliche Dokumente im Alpenbunker lagern, beispielsweise eingescannte Ausweispapiere. Kommen die Dokumente im Ausland abhanden, lässt sich die Identität mit einem schnellen Zugriff auf den Datensafe nachweisen und damit Ersatzpapiere beantragen.

Datenfestung in den Alpen - löchrig wie ein Schweizer Käse?

So sicher die Daten tief im Berg gelagert werden, ist das Geschäftsmodell der Betreiber allerdings nicht. Bereits vor einigen Jahren hatte die Schweizer Firma Mount10 einen ähnlichen Geschäftsversuch unternommen und scheiterte damit (siehe auch: Ärger um Ende der Schweizer Datenfestung). 2003 meldete die Mount10 Service AG, eine Tochter der Mount10 Holding AG Konkurs an. Die Pleite sorgte für einige Unruhe bei den Eidgenossen. Unklare finanzielle Verwicklungen zwischen der Holding und der Service-Tochter, Vorwürfe der persönlichen Bereicherung und nicht beglichene Forderungen der Gläubiger sorgten, dafür, dass die Angelegenheit vor Gericht endete. Letztendlich wirkten sich die Querelen auch auf die Sicherheit der Datenfestung aus. So hatte bereits im Vorfeld die Schweizer Armee ihre Wachdienste wegen nicht bezahlter Rechungen eingestellt. Zulieferer hätten aus dem gleichen Grund ihre Arbeit im Bunker unterbrochen. Damit seien Experten zufolge die hohen Sicherheitsstandards, die die Betreiber versprochen hätten, nicht mehr gewährleistet gewesen.

Das Management unter dem Verwaltungsratspräsidenten Adrian Knapp wies die Vorwürfe damals zurück. Mit der Liquidation der Servicetochter sei alles korrekt abgewickelt worden. Allerdings, so räumte Knapp ein, seien in der Vergangenheit wohl einige Entwicklungen falsch eingeschätzt worden. Ob die Betreiber mit dem erneuten Anlauf mehr Glück haben, muss sich erst noch zeigen. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass Hanspeter Baumann und Christoph Oschwald, die Verantwortlichen bei der SIAG AG, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Beide Manager saßen vor Jahren auch im Verwaltungsrat der Mount10 Holding. (ba)