Schwein gehabt

15.02.1985

In der Märzausgabe des CW-Schwestermagazins "micro computerwelt" setzt sich Dieter Eckbauer mit dem Problem der "PC-Kompatiblität" auseinander. Auszug:

"Machen wir ein Ham-and-egg-Joint-venture", schlug das Huhn dem Schwein vor. "Wie geht denn das?" fragte das Schwein. "Ich gebe das Ei dazu", erklärte das Huhn, "und du den Schinken." "Aber dabei gehe ich ja drauf", sagte das Schwein. "Das ist bei Joint-ventures nun mal so", beruhigte das Huhn.

Die "Porky-and-Bless-Story" gehört zum klassischen Repertoire von Leuten, die Sitzungen eröffnen und Seminaristen bei Laune halten müssen. Aber auch Leitartikler können sie in abgewandelter Form verwenden - wenn es etwa, wie in unserem Falle, um Kompatibilität geht. Dieser Zungenbrecher hat auch in die Endbenutzer- und Werbesprache Eingang gefunden, seitdem die IBM mit ihrem Personal Computer, kurz: PC, auf dem Kleinrechner-Markt für beträchtlichen Wirbel sorgt.

Doch was hat unsere Venture-Geschichte mit Kompatibilität zu tun? 1984 bereits hatte Big Blue die Apple Corp. als Marktführer im Bereich kommerzieller Mikros abgelöst. Dies gelang, weil die Konkurrenz der IBM ihre Referenz erwies, dem Mainframer das Zertifikat "PC-Industriestandard" gleichsam auf dem silbernen Tablett servierte.

Der Rechnerriese ließ sich nicht zweimal bitten und vereinnahmte die "Standard"-Idee als Marketing-Dreh. Der PC-König hatte jedoch Hilfe von Dritten nötig. Wollten die "blauen" Verkäufer expandieren, so mußten sie gestützt auf die Software-Produzenten vorgehen. Markt-Motto: Können Sie es sich noch leisten, nicht IBM-kompatibel zu sein? Die Masche zog. Kein Software-Autor, der sich nicht auf die Entwicklung von Programmen unter MS-DOS stürzte. Dies hatte zur Folge, daß ein entsprechendes MS-DOS-Angebot zum K.-o.-Kriterium für die Hardware-Auswahl wurde.

Wir sind beinahe wieder am Anfang (oder Ende) des "Schweine"-Zyklus. IBM-PC-Kompatibilität ist heute das Normale (Ausnahme: Apple). Dabei treiben einige Hersteller das Prinzip der IBM-Nachahmung auf die Spitze - andere wieder nehmen es mit der PC-Werktreue nicht ganz so genau. Ergebnis: Alle Mikros sind mehr oder weniger gleich wenige sind gleicher - die IBM verkauft. Mother Blue legt Eier und gackert - die IBM-Kompatiblen liefern den Speck. Um den Erfolg des Joint-venture muß man sich nicht mehr sorgen. Oder doch? Das Auto-Beispiel lehrt uns, daß erst zu klären ist, ob nun links oder rechts gefahren werden soll. Eine Benutzer-Konvention in diesem Sinne ist der sogenannte IBM-PC-Industrie-Standard jedoch nicht. Hier wurde lediglich festgeschrieben, was der Marktführer unter einem erfolgreichen Produkt versteht - unter Profitgesichtspunkten, versteht sich. Das ist ja nicht anstößig, aber wo bleibt der Anwender?

Wird sich IBM an den eigenen PC-Standard halten? Das muß man, angesichts heutiger Erkenntnisse, bezweifeln. Die Kompatiblen sind, was die technische Weiterentwicklung betrifft, von Big Blue abhängig, in der Weise, daß sie jede Hardware- und Software-Übung wohl oder übel nachturnen müssen - das liegt in der Natur der Sache. Unser PC-Dirigent wiederum wird seinen Spaß daran haben, die Kompatiblen nach seiner Preis-Pfeife tanzen zu lassen.

Die Auswirkungen kann man sich leicht vorstellen. Skepsis ist in der Tat angebracht. Kompatibilität nur in eine Richtung birgt Gefahren für die Branche. Merke: Ein Apple macht noch keinen offenen Standard, unter dem Kompatibilität erst Sinn machte.