Microprocessor Report: Ohne Windows NT kein Geld

Schwarze Wolken am Himmel der RISC-Anbieter

28.02.1997

Intel habe sich, schreibt Linley Gwennap, eine gute Position erarbeitet, um künftig den Markt der Workstations und Server erfolgreich zu bearbeiten - eine Domäne, die bislang den Anbietern von RISC-Systemen vorbehalten war. Nur weil die Andy-Grove-Company es versäumte, nach der bereits 1995 vorgestellten 200-Megahertz-Variante des Pentium-Pro-Prozessors rechtzeitig noch leistungsfähigere Nachfolger vorzustellen, habe sich das Kräfteverhältnis nicht frühzeitig noch mehr zugunsten von Intel verschoben.

Doch schon in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres dürfte der Prozessormonopolist auf das 0,25-Submikron-Chip-Fertigungsverfahren umgestellt haben. Dann könne man, so Gwennap, mit Pentium-Pro-Chips rechnen, die mit 300 Megahertz getaktet sind.

Intels momentan bestes Pferd im Stall sei wegen seiner hohen Rechenleistung dermaßen gut vom Markt aufgenommen worden, daß es im so wichtigen NT-Umfeld insbesondere den Mips- und Power-PC-Prozessoren praktisch das Wasser abgegraben habe. Das wiederum bewog eine Reihe von Herstellern wie beispielsweise Amdahl oder Netpower, diesen RISC-Plattformen abtrünnig zu werden und sich auf die Intel-Hardware einzuschwören.

Eigentlich gefährlich werden der Pentium Pro und dessen Nachfolger aber für die Anbieter von Workstations und Servern auf RISC-Basis. Firmen wie Sun Microsystems oder die Silicon Graphics Inc. (SGI) erwirtschaften fast ihren gesamten Umsatz in diesen Produktsegmenten.

Beispiel Compaq zeigt Gefahr für RISC-Anbieter auf

Das Beispiel Compaq zeige, wie stark die Bedrohung ist, die für die RISC-Vertreter von Intel, Microsoft und deren De-facto-Bündnispartnern ausgehe. Letztere könnten mit Maschinen aufwarten, die bezüglich der Integer-, Fließkomma- und 3D-Rechenleistung denen von Einstiegs- und Midrange-RISC-Systemen mittlerweile kaum mehr nachstehen. Ihre Rechner bauen zudem auf weitverbreitete PC-Komponenten und böten deshalb ein wesentlich günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis.

Hewlett-Packard (HP) und DEC haben sich deshalb der Intel-Microsoft-Karawane angeschlossen und machen mit als "Workstations" bezeichneten Pentium-Pro-Systemen ihrer eigenen Workstation-Basis Konkurrenz. SGI und Sun, die solche Alternativen nicht anbieten, dürften aus diesem Grund im sogenannten Low-end- und Midrange-Segment erhebliche Schwierigkeiten bekommen.

Sun sei gerade dabei, sich sowohl als High-end-Server- wie auch als Thin-Client-Anbieter neu zu positionieren. Silicon Graphics hingegen sehe sich mittlerweile als Lieferant von Höchstleistungs- 3D- und Supercomputer-Systemen. Die US-Spezialisten glauben, daß mit solch einem Geschäftsmodell auf Jahre hinaus ein nur mehr langsames Wachstum programmiert sei. Das wiederum erschwere es den Forschungsabteilungen bei Sun und SGI, ihre RISC-Architekturen erfolgreich fortzuentwickeln.

Beide Unternehmen würden zudem das WWW und damit Web-Server als strategisches Betätigungsfeld und verheißungsvolle Marktchance erachten - eine Strategie, die Gwennap ebenfalls für sehr problematisch hält.

Mit dem Power-PC-Lager geht der "Microprocessor Report" nicht gerade freundlich um: Die Marktchancen seien für die Prozessorplattform von IBM und Motorola 1996 schneller geschmolzen als "Eiscreme auf einem heißen Chip". Hierzu hätten Apples Unternehmensprobleme erheblich beigetragen. Wegen dieser Schwierigkeiten büßte die Apfel-Company ein Drittel der Marktanteile ein.

IBM und Motorola vergaben die Chancen der 1992 so hoffnungsvoll gestarteten Chiparchitektur darüber hinaus vollends mit dem Eingeständnis, Windows NT sei nicht einmal in ihren eigenen System-Divisions ein Thema. Gwennap argumentiert, es sei vermessen, Microsofts Betriebssystem-Umgebung zu ignorieren. Systemhersteller hätten auf lange Sicht nur noch dann Erfolg, wenn sie NT auf ihren Rechnern vorhielten.

Mittlerweile kann nur noch ein einziger RISC-Hersteller mitbieten: Digital Equipment. Für die Robert-Palmer-Company sind die schlechten Nachrichten aus dem Power-PC-Lager nach Meinung des "Microprocessor Report" deshalb auch good news. Microsoft hat die Unterstützung für die Mips- und Power-PC-RISC-Architekturen eingestellt. Sun hat sich konsequent geweigert, NT anzubieten. DEC, das im vierten Jahr in Folge mit dem leistungsstärksten Prozessor - 1996 mit der mit 500 Megahertz getakteten "21164"-Alpha-CPU - aufwarten kann, wird darüber hinaus Ende 1997 den neuen Spitzenchip "21264" vorstellen. An diesem Prozessor, so der "Microprocessor Report", wird sich wieder die gesamte Branche messen müssen. Auch in Zukunft kann, so das Argument, DEC also im Server-Segment unter NT eine interessante Alternative sein.

Der Artikel im "Microprocessor Report" endet mit einem Verdikt, das den RISC-Anbietern in den Ohren klingen dürfte: Die Kombination des P6-, also des Pentium-Pro-Chips mit NT biete im Vergleich zu RISC-Unix-Systemen eindeutig Preis-Leistungs-Vorteile. Insbesondere in kostengünstigen Dual-Prozessor-Konfigurationen könne die Intel-Architektur fast allen RISC-Systemen das Wasser reichen. Ausgenommen seien nur noch ganz wenige Höchstleistungsmaschinen.

Daß einer der bekannten RISC-Anbieter über Nacht vom Markt verschwinden wird, ist ironischerweise deshalb nicht wahrscheinlich, weil RISC-Anwender in ihren dedizierten Software-Umgebungen gefangen sind. Die von Intel und Microsoft diktierten Marktgegebenheiten werden aber die Umsätze und vor allem Gewinne der RISC-Systeme-Anbieter in Mitleidenschaft ziehen.