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Schwarze Microsoft-Kasse gegen Linux?

16.05.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die "International Herald Tribune" und die "New York Times" haben gestern Teile eines vermeintlich hoch brisanten internen Microsoft-E-Mails veröffentlicht. Besagte E-Mail wurde bereits am 16. Juli vergangenen Jahres verschickt stammt aus der Feder des damaligen Vertriebschefs Orlando Ayala (inzwischen Leiter der Small and Mid Market Solutions and Partner Group) und ging unter anderem auch an hochrangige Management-Kollegen wie Konzernchef Steve Ballmer und die Spartenleiter Jim Allchin und Jeff Raikes. "Verliert unter KEINEN Umständen gegen Linux", soll Ayala an seine Vertriebler appelliert haben.

Den Berichten zufolge verfolgt Microsoft im Wettbewerb gegen das zunehmend populäre Open-Source-Betriebssystem inzwischen eine zweigleisige Strategie. Zum eine habe der Konzern ein "Education and Government Incentive Program" etabliert, aus dem der Vertrieb bestimmte Deals subventionieren kann. Zielgruppe dafür sind vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer in Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten sowie Indien und China. Zweitens bietet Microsoft seine Services wie Consulting günstiger an. Michael Sinneck, Vice President World Wide Services, verschickte nur Tage nach Ayalas Memo eine detaillierte Anweisung mit reduzierten Stundensätzen. Für das im Juni endende Geschäftsjahr 2003 soll das Unternehmen für seine Anti-Linux-Subventionen zusammen 180 Millionen Dollar vorgesehen haben.

Ein Microsoft-Sprecher wollte gegenüber "Computerwire" nicht näher auf den Inhalt der E-Mails eingehen, verteidigte aber prinzipiell das Vorgehen gegen Linux. "Die Nutzung von Discretionary Funds ist in der Geschäftswelt allgemein üblich. In diesem Fall haben wir auf ein IBM-Programm reagiert, mit dem sie ihre Preise gesenkt haben", so der Sprecher. Microsoft habe hierbei vollkommen im Einklang mit der amerikanischen und europäischen Rechtssprechung gehandelt.

Trotzdem geht das Gerücht, die EU-Kommission wolle im Zuge ihrer Kartellermittlung gegen Microsoft die jetzt bekannt gewordenen internen Dokumente zur genauen Prüfung anfordern. Von derartigen neuen Aktivitäten sei ihm nichts bekannt, wiegelte der Firmensprecher ab. (tc)