CIO des Jahres 2019 – Mittelstand – Platz 3

Schwan Cosmetics führt Prozesse als MVP ein

21.11.2019
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Wie baut man die IT in einer weltweit dezentralen Organisation vom "Supporter" zum zentralen "Business Driver" um? Bernd Preuschoff von Schwan Cosmetics hat es vorgemacht.
Bernd Preuschoff von Schwan Cosmetics gewinnt ebenso wie Norman Brand von Apetito den Platz drei in der Kategorie Mittelstand. Beide IT-Manager haben die gleiche Punktzahl erreicht.
Bernd Preuschoff von Schwan Cosmetics gewinnt ebenso wie Norman Brand von Apetito den Platz drei in der Kategorie Mittelstand. Beide IT-Manager haben die gleiche Punktzahl erreicht.
Foto: Schwan Cosmetics

Die Digitalisierung spielt in der traditionell dezentral aufgestellten Schwan Cosmetics International GmbH schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle - zunächst in der Produktentwicklung, später auch für das Aussteuern der weltweiten Geschäftsprozesse. Für den weltweit dezentral aufgestellten Hersteller von Kosmetikstiften wie Kajal, Eye- oder Liplinern war es ein komplett neues Vorgehen, agile Methoden wie z.B. Design Thinking auch auf Geschäftsabläufe anzuwenden. Heute ist Schwan Cosmetics in der Lage, Prozesse als Minimum Viable Products (MVP) einzuführen und iterativ im laufenden Betrieb zu verbessern.

Die Jury sagt: "Mit der Konsolidierung der Länder-IT-Organisationen zu einer globalen Unternehmens-IT wurde mit zeitgemäßen Methoden und modernen Technologien die Grundlage geschaffen für eine IT-getriebene, digitale Ausrichtung des Gesamtunternehmens. Die globale IT trägt maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei und führt das Traditionsunternehmen in das neue Zeitalter der Kosmetikindustrie."

Bernd Preuschoff, der in der Rolle eines Senior Vice President Digital Transformation & Global Strategy die Rollen des CIO, CDO und Chief Strategy Officer auf sich vereint, hat diese Veränderungen im Konzern angestoßen und ganz nebenbei der "alten" IT ein neues Image gegeben. Heute heißt sie "Digital Technology". Noch vor zwei Jahren gab es in elf Landesgesellschaften voneinander unabhängig agierende IT-Bereiche. Sie wurden lokal gemanagt, was zu einem Flickenteppich an Prozessen und IT-Landschaften geführt hatte. Im Konzern war die IT eine reine Support-Funktion, die in strategische Fragen nicht eingebunden war.

Zu Beginn stand am Anfang 2017 die Gründung der Digitaleinheit "Schwan Digital Studio", das erfolgreich digitale Produkte entwirft und dabei hilft, den Konzern zu transformieren. Preuschoff erhielt dann im November 2017 die Aufgabe, globale IT und Digital Studio zu einem Team zu verschmelzen. "In a digital world, there is no Business without IT", lautete die Maxime, die der CDO/CIO ausgab.

Globale Governance-Prozesse gestalten

Zunächst entwarfen Preuschoff und sein Team das MVP einer Governance-Matrix, um Transparenz in die weltweiten Anforderungen zu bringen und für einheitliche Vorgehensweisen in den Landesorganisationen zu sorgen. Bald darauf fanden Workshops mit den weltweiten IT-Leitern statt, in denen mithilfe von Personas und Empathy Mapping sowie Elementen aus Six Sigma die globalen Governance-Prozesse gestaltet wurden.

Schwan Cosmetics implementierte rund 300 globale und lokale Prozesse in der Cloud-basierten Collaboration- und Workflow-Lösung Smartsheet und schaltete diese als MVP zum Juli 2018 live. Parallel nahm der Konzern in Microsoft Power BI ein globales KPI-Cockpit in Betrieb, um die weltweiten IT-Vorgänge nachvollziehen und steuern zu können.

Weltweite Einführung der SAP Cloud Platform

Drei Monate später definierten die IT-Verantwortlichen dann die zentrale Strategie "Closer2One". Auch dies geschah auf Basis der Design-Thinking-Methode über mehrere Iterationen. Die Strategie soll Nähe zum Kunden garantieren (Closer) und gleichzeitig die Standorte integrieren (One), um Mitarbeitern eine einheitliche User Experience zu verschaffen. In diesem Zusammenhang wurden wichtige strategische Entscheidungen getroffen, etwa die weltweite Einführung der SAP Cloud Platform zur Darstellung digitaler Use Cases.

Natürlich gab es in diesem weltweiten Change-Prozess auch Widerstände, die vor allem in der dezentralen Historie begründet sind. "Die Landesorganisationen hatten viele Freiheiten. Im Wesentlichen wurde über das Jahresergebnis gesteuert", blickt Preuschoff zurück. Mittelfristig eine konzernweit einheitlich hohe Umsetzungsgeschwindigkeit zu erreichen und die "Matrix der globalen IT mit Leben zu füllen", sei jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung.

Bei den digitalen Produkten, darunter eine Augmented-Reality-Lösung für den Maschinenbau auf der Basis von Microsoft Hololens (die mit dem Digital Champions Award der Wirtschaftswoche ausgezeichnet wurde) oder der im September 2019 gelaunchte "Color Visualizer", der Kunden eine digitale Ausarbeitung von Kosmetikfarben ermöglicht, arbeiten Digital Studio und der "Digital Technology" genannte zentrale IT-Bereich eng zusammen. "Innovate like a startup & scale like an enterprise" ist dabei das Leitmotto.

Preuschoff ist es innerhalb von weniger als zwei Jahren gelungen, die IT vom Supporter zum Business Driver umzubauen. Die Belohnung folgte auf dem Fuße: Der IT- und Digitalchef war als einziges Nicht-Mitglied der Geschäftsführung eingebunden, als es galt, die Business-Strategie des Konzerns neu auszurichten. Seit dem 15. April führt Preuschoff nun auch die globale Strategieabteilung, so dass die IT heute de facto die Geschäftsstrategie des ganzen Konzerns verantwortet.