Karriere-Ratgeber

Schwächen? Ich doch nicht!

25.10.2010
Über die eigenen Stärken und Schwächen zu reden ist nicht jedermanns Sache. Karriereratgeberin Birgit Zimmer-Wagner hat ein paar Tipps.

Ein Leser unseres Karriere-Ratgebers möchte wissen, wie er am besten auf die klassische Personalerfrage nach seinen Stärken und Schwächen reagieren kann.

Birgit Zimmer-Wagner: "Viele Bewerber schätzen sich eher schlechter ein."
Birgit Zimmer-Wagner: "Viele Bewerber schätzen sich eher schlechter ein."
Foto: Birgit Zimmer-Wagner, BewerberConsult

Personalexpertin und Coach-Frau Dr. Birgit Zimmer-Wagner antwortet: "Berufserfahrenen Kandidaten geben wir den Tipp, eine kurze Auflistung unter dem Motto `Meine Erfolge´ zu erstellen. Damit ist aber nicht nur die Veränderung der Position, etwa vom Gruppen- zum Abteilungsleiter, gemeint, sondern konkrete Erfolge in der Arbeit. Bei einem Vertriebler können das besondere Umsatzerfolge sein oder die Markteinführung eines neuen Produkts. Bei einem IT-ler, der projektorientiert arbeitet, könnte es sein spezifischer `persönlicher Erfolg´ sein wie gute Lösung, schnelle Umsetzung seiner Ideen innerhalb des Projekts, guter Erklärer oder erfolgreicher Krisen-Manager.

Ist diese `Bilanz des Erfolges` zu Papier gebracht, stellt sich die Frage: Mit welchen Mitteln oder Fähigkeiten habe ich diese Erfolge erreicht? Und das macht den so genannten USP (Unique Selling Proposition), die persönlichen, individuellen Stärken des Bewerbers aus. Arbeitszeugnisse geben hier erste Hinweise.

Wenn man sich unsicher fühlt, kann man entweder ein individuelles Coaching in Anspruch nehmen, oder man bindet gute Kollegen oder alte Arbeitgeber ein, die man aus der Zusammenarbeit kennt und die weit mehr als den rein fachlichen Rahmen beurteilen können.

Aus meiner Sicht ist die Frage der Schwächen weit schwieriger, zumindest auf den ersten Blick, und wir erleben es nicht selten, dass Kandidaten, die unreflektiert in ein Gespräch gehen, einfach sagen: "ich habe keine Schwächen". Hier geht es darum, eine gewisse Selbstkritik an den Tag zu legen, aber auch eine Problemlösungskompetenz. Dazu ein Beispiel. Ein Kandidat, der schnell und gut studiert hatte, bekam nach der dritten beruflichen Station die Frage gestellt: "Warum sind Sie nicht schon wesentlich weiter, wollen Sie keine Karriere machen, oder haben Sie noch andere Interessen?" Der Kandidat konnte plausibel argumentieren und erklären, warum er ein Spätzünder ist. Nicht sinnvoll sind Standardantworten, die aus Bewerberhandbüchern stammen und nicht zum Lebenslauf passen, zum Beispiel `Ich bin ungeduldig`, wenn der Bewerber zehn Jahre studiert hat.

Wenn Bewerber ihre Stärken und Erfolge kennen und erklären können, ergibt sich für sie automatisch ein `persönlicher Arbeitsmarkt` und der umfasst weit mehr als nur das fachliche Können.

In der Praxis hat sich herausgestellt, dass sich die meisten Kandidaten schlechter einschätzen als sie sind. Deswegen ist ein Coach hilfreich, weil er unbeeinflusst und von außen die Berufsbiografie anschaut. In diese Rolle kann der Bewerber auch selbst schlüpfen, etwa durch ein Videocoaching, wie wir es betreiben.