Diebstahlsicherung für Web-Inhalte

Schutz von Copyrights darf E-Commerce nicht abwürgen

21.07.2000
MÜNCHEN - Verfahren zum Copyright-Schutz sollen dem weit verbreiteten Klau von Texten, Grafiken sowie Audio- und Videodaten aus dem Internet Einhalt gebieten. Eine Reihe von Firmen entwickeln Softwaresysteme, die Inhalte vor Dieben schützen, dabei aber den Online-Verkauf digitaler Produkte nicht behindern sollen. CW-Bericht, Frank Niemann

Sowohl Firmen als auch Privatpersonen sind wenig begeistert, wenn beispielsweise Fotografien, Zeichnungen, Texte oder andere urheberrechtlich geschützten Inhalte ohne ihr Einverständnis weiterverwendet werden. Digitaler Content lässt sich beliebig oft kopieren und verbreiten. Insbesondere der Erfolg des MP3-Formats für Musik hat die Debatte über den Schutz von Copyrights angefacht.

Inhalteanbieter, die mit ihrer Ware Geld verdienen wollen, stecken deshalb in einem Dilemma: Einerseits müssen sie Texte, Bilder und Grafiken möglichst anschaulich im Internet präsentieren, damit Kunden sie auch kaufen, andererseits sollen sich Surfer nicht einfach bedienen können, ohne vorher zu bezahlen. Wie groß der Markt für digitale Güter zukünftig sein wird, hat das Marktforschungsunternehmen IDC ermittelt. Die Analysten beziffern den weltweiten Umsatz mit Online-Büchern und Zeitschriften, Musik, Software und Spielen im Jahr 2003 auf 275 Milliarden Dollar.

Doch nicht nur Firmen, die Inhalte verkaufen, haben mit Copyright-Verstößen zu kämpfen. Alle auf der Website zugänglichen Präsentationen, Funktionsdiagramme oder Hintergrundinformationen lassen sich herunterladen, verändern und unter dem eigenen Label weiterverwenden.

Aus der Not machen einige Softwarehersteller eine Tugend und entwickeln Programme, die Content vor unerlaubtem Weitergeben, Kopieren oder Ausdrucken schützen sollen. Diese Systeme belegen Inhalte mit Zugriffsrechten. So können beispielsweise Surfer zwar ein Bild auf einer Website betrachten, es jedoch erst nach Bezahlen des Kaufpreises als Datei herunterladen oder ausdrucken. Damit das funktioniert, benötigt nicht nur der Content-Provider, sondern auch der Online-Konsument eine spezielle Software.

Die Firma Pan Amp aus Hamburg entwickelte mit der "Secure Trademark Added File Technology" (Staft) ein System zum Schutz von Urheberrechten. Bei diesem Verfahren installiert der Inhaltsanbieter den "Staft Merchant Server". Mit der Software bearbeitet er den Content, der beispielsweise in den Formaten Doc (Word), MP3 (Musik), HTML (Web-Seiten), Wav (Audio) sowie ausführbare Exe-Files vorliegt.

Der Kunde benötigt das kostenlos von Pan Amp zur Verfügung gestellte Windows-Programm "Staft-Client", um auf die Dateien zuzugreifen. Er kann jedoch nur Inhalte nutzen, für die er vorher bezahlt hat. Staft basiert auf digitalen Zertifikaten, die dem Käufer mit dem Kauf eines Produkts zugestellt werden. Jede formatierte Datei existiert dabei nur einmal. Darin sind die Nutzungsrechte hinterlegt. Nach Angaben der Hamburger Softwareschmiede wäre Staft auch in der Lage, beispielsweise bei einer 30-Tage-Testversion einer Software dafür zu sorgen, dass der Tester das Programm nur innerhalb des erlaubten Zeitraums nutzen kann. Die Vergabe von den sonst üblichen Paßwörtern könnte sich der Softwareanbieter dann sparen. Laut Firmenangaben wird Pan Amp demnächst ein Kooperationsabkommen mit einem Hersteller von E-Commerce-Portalen abschließen. Außerdem wollen die Hamburger ihren Staft-Client auf Java portieren. Die plattformunabhängige Variante soll im letzten Quartal 2000 auf den Markt kommen.

Das kalifornische Startup-Unternehmen Vyou geht einen anderen Weg. Der Anbieter muss die Inhalte nicht verändern, um sie mit Zugriffsrechten zu versehen. Vielmehr fügt er den Dateien Auszeichner (Meta-Tags) bei, in denen die Befugnisse des Konsumenten gespeichert sind.

Wie das Staft-System von Pan Amp basiert auch Vyous Verfahren auf einer Client- und einer Server-Komponente, wobei die Website des Content-Anbieters einmalig ein Plugin für seinen Browser lädt. Siemens Industriebereich Anlagenbau und technische Dienstleistungen (ATD) unterzeichnete gerade ein Vertriebsabkommen mit Vyou. ATD möchte im Rahmen von E-Business-Projekten dieses Werkzeug verwenden. Der Konzern überlegt, mit der Copyright-Technik Inhalte innerhalb seines eigenen Intranet zu schützen. So sollen auf den internen Websites abgelegte Powerpoint-Präsentationen zwar allen Mitarbeitern zur Ansicht bereitgestellt werden, aber nicht jeder soll diese ausdrucken oder verändern dürfen.

Speziell auf den Schutz von hochauflösenden Bildern hat sich die kalifornische Firma Alchemedia spezialisiert. Deren Lösung "Clever Content" basiert auf einem Active X Control beziehungsweise einem Browser-Plugin. Der Surfer kann Grafiken, die mit Clever Content geschützt sind, nur über diese Browser-Module anschauen. Sie unterbinden das Kopieren der Grafikdatei von der Web-Seite auf die Festplatte des Internet-Anwenders beziehungsweise das Ausdrucken. Zwar lässt sich die gesamte Seite auf dem Printer ausgeben, doch statt des Bildes erscheint dabei ein Farbmuster. Den Klick mit der rechten Maustaste, die normalerweise ein Popup-Menü des Browsers öffnet, hat Alchemedia mit der Funktion "Clever Links" belegt. Dieses Fenster kann der Content-Anbieter, der den "Clever Content Server" einsetzt, mit Hyperlinks auf die Seite belegen, über die der Surfer das Bild erwerben kann.

Im Gegensatz zu der auf Images spezialisierten Firma Alchemedia hat sich Contentguard den Copyright-Schutz für jede Form der digitalen Distribution von Inhalten auf die Fahnen geschrieben. Microsoft und Xerox betreiben das Unternehmen gemeinsam. Das verwendete Verfahren zum Schutz von Urheberrechten basiert auf einer patentierten Technologie, die am Xerox Palo Alto Research Center (Parc) entstand. Die Firma wirbt damit, ein komplettes System für alle Marktteilnehmer in der Wertschöpfungskette des digitalen Publizierens zu haben, und zwar von der Erstellung bis zur Verbreitung zum Konsumenten. Kern der Lösung ist die Extensible Rights Markup Language (XrML), eine XML-basierte Auszeichnungssprache, mit der sich Nutzungsrechte sowie Lizenzierungsmodelle für digitale Inhalte spezifizieren lassen. Darüber hinaus beinhaltet Contentguard eine Reihe von Softwareprodukten: einen Webshop, einen Server zur Rechteverwaltung und Nutzungskontrolle sowie ein Programm, mit dem Inhalte mit Zugriffsrechten versehen werden können. Zur Zeit bietet die Firma ihre Produkte jedoch nur in den USA an.

Interessierte können XrML kostenlos bei Contentguard in Lizenz nehmen, denn die Firma ist bestrebt, ihre Auszeichnungssprache als Standard für das Digital Rights Management (DRM) zu etablieren. Auf der Website führt Contentguard eine Reihe von Firmen auf, die XrML-Entwicklung unterstützen. Mit von der Partie sind Adobe, Bertelsmann Services Group, Hewlett-Packard, Time Warner sowie St. Martin´s Press, ein Mitglied der Holtzbrinck-Gruppe. Trotz der Bemühungen um eine DRM-Norm legte die Firma XrML bisher keiner Standardisierungsorganisation wie etwa dem World Wide Web Consortium (W3C) vor.

Ob Contentguard beziehungsweise XrML sich tatsächlich einmal als Standard für den Copyright-Schutz durchsetzen werden ist noch offen. Auf Gegenliebe dürfte die Technik vor allem bei Content-Providern stoßen, die Texte und Grafiken schützen wollen - beispielsweise Anbieter elektronischer Bücher. Sie fürchten nämlich, dass es ihnen so ergehen könnte wie der Musikbranche, die ihre Existenz durch File-Sharing-Programme wie das der US-Firma Napster bedroht sieht. Mit Napsters Tool können Surfer Lieder über das Internet untereinander austauschen. Wie viel die E-Book-Anbieter zu verlieren haben, belegt eine Studie des Beratungsunternehmens Andersen Consulting. Demnach wird der Umsatz mit elektronisch vertriebener Literatur im Jahr 2003 bereits eine Milliarde Dollar betragen.

Obwohl sich die Musikbranche enorm unter Druck gesetzt fühlt, ist ein allgemein gültiges DRM-Verfahren für diese Industrie offenbar nicht abzusehen. "Die Plattenlabels verfolgen sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle bei der Online-Distribution von Liedgut", meint Dave Richards, Vice President Consumer Products bei der amerikanischen Softwarefirma Real Networks, die PC- und Server-Software für die Audio- und Videoverbreitung im Internet herstellt. So existiert eine Reihe von Digital-Rights-Management-Systemen für Musik von Firmen wie Sony, IBM, AT&T, Intertrust und Liquid Audio. Real Networks bietet selbst keine Copyright-Schutzlösung an, seine Programme unterstützen aber solche Verfahren. Die "Real Jukebox", eine Musikbibliothek für den PC, über die der User auch via Web Songs einkaufen kann, arbeitet mit zehn verschiedenen DRM-Verfahren zusammen.

Copyright-Verletzung

Im März sorgte der digital im Internet angebotene Roman von Stephen King, "Riding the Bullet" für Aufsehen: Einem Computerexperten war es gelungen, den Krypto-Schutz zu knacken und das 66-Seiten-Werk unverschlüsselt ins Web zu stellen. Zum Lesen des Buches war eigentlich eine spezielle Lesesoftware des amerikanischen Softwareherstellers Glassbook Inc. erforderlich, die sich Endkunden kostenlos laden könnten. Diese decodiert die Datei und erlaubt dem PC-Nutzer dann das Schmökern am Rechner.

Steven King dürfte mit der Veröffentlichung via Web trotzdem zufrieden sein: Allein in den ersten 24 Stunden wurde sein Roman 400000-mal vom Netz geladen - jeweils zum Preis von 2,50 Dollar.

Abb:So stellen sich Firmen wie Contentguard die Wertschöpfungskette im Content-Business vor. Quelle: Contentguard