"Schuleigener Computer für multifunktionalen Einsatz"

27.02.1978

MÜNCHEN (ee) - Bayern ist mit dem Praxis-Versurch, austaltseigene Computer für alle möglichen schulischen Aufgaben einzusetzen, unter den Bundesländern führend. Bisher waren die technischen Ergebnisse auch zufriedenstellend. Dennoch sehen Experten im Kultusministerium die landesweite Einführung des Modells noch in weiter Ferne. Der Grund: Niemand unter den Schulanwendern glaubt, jetzt eine Investitionsentscheidung verantworten zu können, solange die Preise nach unten gehen. Für die Versuchsschulen selbst bedeutet das - mit dem Weitermachen im Technischen auf der Höhe der Realität zu bleiben.

In Bayern laufen seit rund 10 Jahren Entwicklungsarbeiten für den Einsatz, der Datenverarbeitung an den Schulen. Die jüngsten Entwicklungen, objektiv verbesserte Leistung für weniger Geld anzubieten, haben die Möglichkeit eröffnet, unterschiedliche Projekte, die bisher teils auf Großanlagen, teils auf Tischcomputern gerechnet worden sind, nunmehr auf ein und derselben schuleigenen Anlage abzuwickeln.

Um für den Einsatz solcher Geräte die günstigsten Unterrichts- und Organisationsformen zu finden und um die Anforderungen zu erarbeiten, die an solche Rechner zweckmäßigerweise zu stellen sind, hat das Ministerium einen Versuch "Schuleigener Computer für den multifunktionalen Einsatz" eingeleitet, der sich auf folgende Anwendungsgebiete erstreckt:

UNTERRICHT

- Unterricht in Informatik beziehungsweise Datenverarbeitung (Einführung in eine Programmiersprache und die Technik des Problemlösens, Einführung in die Arbeitsweise eines Computers, praktische Übungen)

- Computereinsatz bei Rechnungen und Simulationen in verschiedenen Fächern

- Einsatz bei der Auswertung von Tests und Prüfungen sowie bei Selbstkontrolle des Schülers

- Computer als "Trainer" beim Einsatz von Übungsprogrammen (einfache Formen von programmgesteuertem Unterricht)

VERWALTUNGSARBEIT

- Die Schülerdatei liefert Schülerlisten in verschiedener Sortierung und Auswahl sowie Formblattausdrucke und Statistiken

- Die Kollegstufendatei unterstützt die vielfältigen Verwaltungs- und Beratungsarbeiten in der gymnasialen ,Oberstufe

- Einsatz bei weiteren Verwaltungsarbeiten ist unter anderem bei Stundenplanarbeiten möglich oder der Rechner dient als Schreibautomat bei Aufgaben der Textverarbeitung.

HARDWARE

Die am Versuch beteiligten Schulen verfügen über folgende Ausstattung:

- Zentraleinheit mit 16 KB, mit Datei-Management-Programmen und einer höheren Programmiersprache (jetzt BASIC), mit File-Handling, Unterprogrammen, Stringverarbeitung und üblichen mathematischen Funktionen

- Doppellaufwerk für Disketten (Ó 250 KB)

- Thermodrucker mit Plotfunktion und Zeilendisplay; alternativ Bildschirm

- Schnelldrucker mit 132 Zeichen/Zeile und zirka 100 Zeichen/Sekunde

- Markierungskartenleser

- Anschluß für Schulfernseher.

Für die Aufnahme eines bestimmten Fabrikats war vorausgesetzt, daß Hard- und Software bereits vorgeführt werden konnte und daß die Herstellerfirma bereit war, bei den Anwenderprogrammen kostenlose Programmierhilfe zu leisten (insbesondere durch Erstellung der Grundprogramme). Bis jetzt sind zwei Firmen am Versuch beteiligt, Olivetti mit dem System P 6060 und Wang mit dem System 2200.

BETEILIGTE SCHULEN

Durch das Zusammentreffen günstiger Umstände ist es möglich gewesen, in den Versuch nicht weniger als 17 Schulen einzubeziehen: die Zentralstelle für Programmierten Unterricht und Computer im Unterricht in Augsburg, sieben Gymnasien, drei Realschulen, drei Fachoberschulen und vier weitere berufliche Schulen mit Berufsschule, Wirtschaftsschule und Berufsoberschule. Damit ist es möglich, den Versuch in voller Breite zu beginnen und die vielfältigen Entwicklungs- und Programmieraufgaben im arbeitsteiligen Verfahren von den verschiedenen Schulen nach den Vorgaben des Ministeriums gleichzeitig durchführen zu lassen. Der Bund beteiligt sich durch Zuschüsse an den Investitionen und den Betriebskosten und die Stadt München unterstützt den Versuch durch die Mitarbeit eines ihrer Gymnasien.

ZWISCHENBILANZ UND AUSBLICK

Das glatte Anlaufen des Versuchs und die bisherigen Ergebnisse berechtigen zu der Hoffnung, daß die gesetzten Ziele planmäßig bis Sommer 1979 erreicht werden können. Dabei ist die Möglichkeit offen, daß das Versuchsprogramm durch die Einbeziehung der jüngsten Hardware- und Softwareentwicklung noch abgerundet wird, etwa auch durch Berücksichtigung weiterer Fabrikate. Das inhaltliche Interesse richtet sich dabei auch auf die Erprobung einer anderen höheren Programmiersprache - etwa PASCAL - oder die Anwendung von Mehrplatzsystemen. Ein wesentlicher Entscheidungsfaktor wird hier aber der Preis sein; denn der Versuch will keine Wege verfolgen, die von der Kostenseite her für eine allgemeine Einführung von vorneherein ausscheiden.

Falls es nach Abschluß der Versuchsarbeiten, die als offener Versuch angelegt sind, zu einer positiven Bewertung der Ergebnisse kommt, wird zu entscheiden sein, ob sich die technologische und preisliche Entwicklung auf dem Markt schon so weit stabilisiert hat, daß eine breiter gestreute Einführung angestrebt werden kann.

Ministerialrat Dr. Konrad Schmittlein ist Referent für Datenverarbeitung im Bayerischen Kultusministerium