Schrumpfmodell

15.04.1988

Die IBM tut sich schwer, die schlechten Verkaufsergebnisse der 9370 zu erklären (siehe Seite 1). Bei der Ankündigung im Herbst 1986 hatte man den Mund voll genommen, schwelgten die IBM-Marketiers in Phantasie-Zahlen. Großlippig gab die deutsche Blaumutter das Interessenten-Potential mit 500000 an - Filialen, Zweigstellen und Niederlassungen bundesrepublikanischer Unternehmen sollten mit den Abteilungsboxen bestückt (und beglückt) werden. Verkaufschef Bernhard Dorn war schon kurze Zeit nach der Markteinführung in einem CW-Gespräch mit dem Auftragseingang "mehr als zufrieden". Heute kann keine Rede davon sein, daß das Distributed-Processing-Produkt ankommt und von den IBM-Großkunden akzeptiert wird.

Es ist nicht bekannt, ob Dorn für die Schönfärberei einen internen Rüffel einstecken mußte. Ein Scheitern öffentlich einzugestehen, ist sowieso IBMs Sache nicht. Der Flop ist in Wahrheit aber schon da - und die Gründe sind offensichtlich: Die 9370 hat zu wenig von einem komfortablen, softwarefreundlichen Anwendungssystem - wie etwa die Schrägstrich-Maschinen. Deren Popularität wird das sperrige 370-Schrumpfmodell nie erreichen.

Hinzu kommt, daß das Marketing-Konzept wackelt: Mit ihrem Drei-Ebenen-Modell (oben Mainframe, in der Mitte 9370, unten PC) konnte die IBM bei den Anwendern bisher nicht landen. LANs auf PC-Basis kommen den Wünschen der Benutzer mehr entgegen - dezentrale Mini-Rechenzentren, in denen DV-Spezialisten das Sagen haben, stoßen überall auf Ablehnung. Anwenderschelte könnte das Ende der 9370-Ära einleiten, noch ehe sie richtig begonnen hat. Mit ihrem Angebot für verteilte Datenverarbeitung (Beispiel 8100) hat die IBM wahrlich kein Glück. Am Wünschen und Wollen (siehe Dorn) liegt es nicht - wohl eher am eigenen Unvermögen. Paradox, aber eine ganz neue Erfahrung: Als ob es bei der IBM jemals darauf angekommen wäre.