Zehn Punkte sollen es allen recht machen

Schröder erklärt Internet zur Chefsache

22.09.2000
HANNOVER (hk/CW) - Kostenlose Web-Kurse für alle Arbeitslosen, Online-Bereitstellung aller Internet-fähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung sowie keine Steuern für die private Nutzung des Internet am Arbeitsplatz gehören zum Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung unter dem Motto "Internet für alle". Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte die Einzelheiten im Rahmen einer Veranstaltung der D21-Initiative auf der Expo vor.

Vorrangiges Ziel sei es, allen Bürgern den Internet-Zugang zu ermöglichen: "Eine Spaltung in Gewinner und Verlierer darf es nicht geben." Niemand dürfe ausgeschlossen werden, nur weil er nicht zu den Besserverdienenden gehöre.

Der Kanzler will sich dafür einsetzen, dass die steuerlichen Unklarheiten bei der Nutzung des Internet am Arbeitsplatz und zu Hause beseitigt werden: "Ich will den Kampf mit den Abteilungsleitern der Finanzverwaltungen gewinnen", sagte er unter dem Applaus seiner Zuhörer und widersprach damit Überlegungen der Finanzbürokratie in Bund und vor allem Ländern, wegen eines so genannten geldwerten Vorteils Einkommensteuer auf privates Surfen im Büro zu erheben.

Unklar ist unterdessen, ob es bei der ebenfalls vorgesehenen Urheberrechtsabgabe auf Computergeräte bleibt. "Die Industrie soll nicht belastet werden. Geistiges Eigentum muss aber auch im Netz geschützt und angemessen vergütet werden", erklärte Schröder.

Kompromiss in der Urheberrechtsfrage?Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin soll zu diesem heiklen Thema Gespräche mit D21 aufnehmen. Ein denkbarer Kompromiss wäre, die Abgabe nicht auf die Geräte, sondern auf die darüber genutzten Inhalte zu erheben - allerdings keineswegs zur Freude der Endverbraucher, für die sich die Internet-Nutzung zwangsläufig verteuern würde.

Ab Oktober, so eine weitere Ankündigung Schröders, sollen die Arbeitsämter jedem Arbeitslosen einen kostenlosen "Internet-Führerschein" anbieten. "Unser Land kann es sich nicht leisten, Begabungen zu vergeuden", so der Kanzler. Bis zum Jahr 2005 will die Bundesregierung zudem alle Internet-fähigen Dienstleistungen der Verwaltungen online stellen. "Die Daten sollen laufen, nicht der Bürger", fordert der Kanzler. Angefangen wird mit dem Bafög, das sich bald von der Antragstellung bis zur Rückzahlung komplett online abwickeln lassen soll. In Arbeit sei zudem auch ein Gesetzesentwurf zur Reform des Zivilprozesses, der die Möglichkeit vorsieht, Klagen online einzureichen. Als zentrale Anlaufstelle ist das Portal "Deutschland.de" vorgesehen.

Beim Thema E-Commerce beabsichtigt die rot-grüne Regierung, die rechtlichen Rahmenbedingungen "umfassend" zu reformieren, damit beispielsweise die digitale Signatur im Geschäftsverkehr die gleiche Rechtswirkung erhält wie die handschriftliche. Priorität haben weiter die Bekämpfung von kriminellen Inhalten im Internet sowie der Schutz des geistigen Eigentums im Web.

Außerdem versprach der Kanzler vor den 500 Kongressteilnehmern, dass bis Ende nächsten Jahres alle rund 44000 allgemeinbildenden Schulen sowie alle öffentlichen Büchereien mit PC und Internet-Zugang ausgestattet sind. Sein Ziel sei, dass "die Beherrschung des Internet Teil der Allgemeinbildung wird". Es seien zwar bereits "gewaltige Fortschritte" erzielt worden, diese reichten aber noch nicht aus. Schröder rief Unternehmen dazu auf, die Schulen als Sponsoren zu unterstützen.

Der Kanzler lobte die Informationswirtschaft mit ihren 1,8 Millionen Beschäftigten als den dynamischsten Wirtschaftsbereich. Er rechnet bis zum Jahr 2010 mit 750000 weiteren Stellen und geht davon aus, dass die Branche bis zum Jahr 2003 rund 60000 zusätzliche Ausbildungsplätze anbietet.

Als Vorsitzender der D21-Initiative kritisierte IBM-Chef Erwin Staudt die Steuerpolitik der Bundesregierung: "Die Internet-Technik darf nicht mit neuen Steuern und Abgaben belastet werden." Wenn internationale Unternehmen ihren Mitarbeitern weltweit PCs schenkten - nur in Deutschland nicht, weil da der Fiskus zugreife -, so sei dies das falsche Signal. Generell forderte Staudt ein höheres Tempo bei der Internet-Erschließung. "Wir machen fast alles richtig, aber wir machen fast alles zu gemächlich."

Volker Jung, Chef des IT-Branchenverbandes Bitkom und zugleich Siemens-Vorstand, kritisierte die Besteuerung von Aktienoptionen, die sowohl für Mitarbeiter als auch für Unternehmen von Nachteil sei. Sein Konzern habe gerade die Tochtergesellschaft Unisphere in den USA an die Börse gebracht. Dort seien die Bedingungen für Firmen und Beschäftigte viel attraktiver. Auch den Spitzensteuersatz bemängelte Jung und versicherte, dass es "wirklich nicht um mich geht". Wenn er einen jungen und gut ausgebildeten Ingenieur in die USA schicke, dann müsse er damit rechnen, dass dieser nicht mehr zurückkomme, weil er hierzulande den höchsten Steuersatz zahlen müsse.