Gewerkschaften stellen düstere Prognose:

Schriftenleser verdrängen Arbeitskräfte

06.05.1983

MÜNCHEN (pi) - Das "Zettelzeitalter" in deutschen Banken und Sparkassen geht jetzt endgültig zu Ende. Schriftenlesesysteme sollen im Unterschied zu bisher eingesetzten Beleglesern alle Machinen- und Handblockschriften verarbeiten.

Der Zahlungsverkehr ist trotz fortschreitender Automatisierung ein Defizitbereich im Dienstleistungsangebot der Banken und Sparkassen geblieben. Deshalb gibt es Bestrebungen mit Gebührenanhebungen die Fehlbeträge zu reduzieren. Darüber hinaus soll mit Auszugdruckern, Bildschirmtext, automatischen Kassentresoren und Kundenselbstbedienung dieser arbeitsintensive Verlustbringer kostengünstiger gestaltet werden.

Mit diesem Ziel hatten sich bereits 1979 einige Großbanken und die Siemens AG zusammengefunden. Das SLS, dessen öffentliche Premiere für die Hannover-Messe angesetzt ist, wird 70 bis 80 Prozent der anfallenden Belege elektronisch erfassen. Nach einer Erprobungsphase bei der Dresdner Bank in Frankfurt und der Berliner Bank rechnet die Branche

mit seinem raschen Einsatz auf breiter Front.

Derzeit werden noch weit über die Hälfte aller Belege manuell bearbeitet, die Originale transportiert und den Kunden ausgehändigt. Jeder Beleg geht durch mehrere Hände, wobei Kosten in Höhe von 45 bis 60 Pfennige pro Überweisung entstehen. Bei der Anwendung der neuen elektronischen Belegleser (SLS) rechnen die Banken nur noch mit einem Kostenaufwand von 25 Pfennig.

Augenfälligste Veränderung für die Kunden werden neue Überweisungsformulare sein. So verzichtet die Deutsche Bank in Zukunft auf ihre traditionell hellblauen Belege und führt stattdessen - wie alle SLS-Anwender - gelbe Überweisungsaufträge im Postkartenformat (DIN A6) ein. Maximal 900 Zettel kann SLS stündlich lesen, erfassen und im Verbund mit anderen EDV-Geräten an die Empfänger senden. Diese erhalten statt des Originalbeleges einen maschinell erstellten Ersatz, den sie mit ihrer Kundenkarte am Auszugsdrucker des Instituts abrufen können, ohne zusätzlich am Kundenschalter anstehen zu müssen. Denkbar ist auch, daß die Banken bei Großkunden ganz auf papierene Belege verzichten und nur noch Datenträger mit Informationen an die Empfänger weitergeben.

Im bankinternen Arbeitsablauf ergeben sich aus dem neuen Verfahren erhebliche Veränderungen, vor allem für die Beschäftigung der Mitarbeiter im Zahlungsverkehr. Wo heute über zehn Millionen Belege am Tag von Bankangestellten erfaßt, sortiert und versendet werden, sind künftig nur noch die zwei bis drei Millionen von Hand zu bearbeiten, die sich etwa wegen schlechter Lesbarkeit nicht elektronisch erfassen lassen.

Die deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) und die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) rechnen deshalb mit einem deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich. Die DAG schätzt, daß 15 000 Stellen der neuen Technik geopfert werden. Aufzuhalten ist die Entwicklung von der manuellen Belegbearbeitung zu elektronischen Erfassungs- und Übertragungsmethoden nach Ansicht beider Gewerkschaften nicht. Man wolle auch nicht den "Heizer auf der E-Lok" erzwingen, hieß es bei der DAG.