Anwenderbericht Bieber Eisen Baustoffe GmbH + Co KG:

Schrift für Schritt zur integrierten Gesamtlösung

24.08.1979

Ulf Bauernfeind

Über die Notwendigkeit, im Handel integrierte DV-Gesamtlösungen zu schaffen, wird viel geredet und geschrieben. Doch der Weg zu diesem Ziel ist in der Regel weit, wie das Beispiel der Bieber Eisen Baustoffe GmbH + Co KG in Bischoffen zeigt. Der Anwender arbeitet seit 1972 mit einem eigenen Computer, hat jedoch die totale EDV-Integration aller Arbeitsgebiete noch nicht erreicht, dafür aber auf Teilgebieten -effektive Lösungen gefunden. So berücksichtigt - trotz aller Eingaben über die Tastatur - der Programmkomplex "Auftragsbearbeitung" auch alle Sonderfälle einer Stahl- und Baustoff-Großhandlung. Vollintegration besteht zwischen der Fakturierung und der Finanzbuchhaltung. Die Gesellschaft arbeitet nun schon fast sechs Jahre mit einem MAI-System und hat ihre Programme ständig verbessert.

Das Unternehmen, das heute über 100 Mitarbeiter beschäftigt, wurde um 1890 von drei Brüdern - Schuhmachermeistern -, gegründet. Heute wird es wieder von den drei Brüdern Rolf, Heinz und Ernst Bieber geleitet. Geschäftszweck ist Handel mit Baustoffen, Stahl und Bauelementen und in zwei Märkten auch mit dem gesamten Baumarktprogramm. Fast 20 eigene Lkws, meist Züge, beliefern vor allen Dingen Wiederverkäufer und Wiederverarbeiter. Einen relativ großen Anteil am Umsatz macht das Streckengeschäft aus, bei dem die Ware direkt ab Hersteller an den Kunden geht. Seit Eröffnung der beiden Baumärkte 1978 zählen auch Bauherren und Heimwerker zu den Käufern.

Typische Probleme der Baustoffbranche

Als sich die Brüder Bieber 1972 entschlossen, Teilbereiche ihres Unternehmens auf EDV umzustellen, konnten sie auf eine wissenschaftliche Untersuchung zurückgreifen. Wolfgang Riedel vom Lehrstuhl für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung der TU Braunschweig hatte sich für seine Diplom-Arbeit bei den Biebers umgesehen. Der Titel des später mit "sehr gut" bewerteten Scripts lautete: "Untersuchung über den Einsatz eines DV-Systems in einem Großhandelsbetrieb für Eisen und Baustoffe". Als typische Probleme des untersuchten Unternehmens und damit der gesamten Branche ermittelte Riedel

- das breitgefächerte Artikelsortiment;

- ein sich ständig wandelndes Artikelsortiment;

- unterschiedliche Preise und Rabatte je Kunde und je Artikel;

- die Mobilität der Preise und Rabatte und

- täglich relativ hohe Datenmengen für Fakturierung und Buchhaltung.

Relativ hohe Datenmengen, das heißt 3000 Kundenstammsätze, 5000 Artikelstammsätze, 50 000 Aufträge jährlich, täglich im Durchschnitt 180 zu fakturierende Rechnungen, in Spitzenzeiten bis zu 400.

Mit wissenschaftlicher Akribie nahm der Diplomat nicht nur die Branche und die innerbetriebliche Struktur des Hauses Bieber unter die Lupe, sondern auch das Angebot an Rechnern der Mittleren Datentechnik. 13 Systeme von 11 Herstellern wurden nach folgenden Kriterien untersucht: Zentraleinheit, Eingabe, Magnetplattenspeicher, Ausgabe/ Drucker, sonstige Peripherie, Programmierung, Konfiguration für Bieber mit Kosten, Software (Kosten) und Schulung.

Aufgrund der bei den einzelnen Systemen genannten Vor- und Nachteile und anhand des Preis-/Leistungsvergleichs empfahl Riedel drei Systeme (MAI Basic/ Four Modell 400, Singer System 10 und Wagner Wac 400). Rein vom Preis her gesehen lag MAI deutlich vor den Mitkonkurrenten, die im übrigen in der' Zwischenzeit vom Markt verschwunden sind.

Man entschied sich schließlich für ein System MAI 400, wobei der Preis allein: nicht den Ausschlag gab. In dieser Preisklasse konnte damals nur MAI Dialogverarbeitung mit Bildschirmarbeitsplätzen bieten. Und die Vorteile der Dialogverarbeitung wollte man auf jeden Fall nutzen, denn sie waren in der Arbeit von Wolfgang Riedel klar aufgezeigt. Es wurde folgende Konfiguration installiert: CPU MAI 400 mit 16 K für den Anwenderbereich, zwei Bildschirme, zwei Plattenlaufwerke (Fest-/Wechselplatte) mit insgesamt 8,4 und ein Stahlbanddrucker mit einer Leistung von 200 Zeilen in der Minute. Anfang 1973 stockte man die Plattenkapazität auf insgesamt 12,6 MB auf.

Der Bischoffener Anwender war sich von vornherein darüber klar, daß er nur schrittweise zu einer integrierten DV-Gesamtlösung kommen konnte. Priorität bekam der Bereich der Auftragsabwicklung. Da hierfür kein sofort einsatzfähiges Programmpaket auf dem Markt war, lag es nahe, Wolfgang Riedel von der TU Braunschweig mit der Erarbeitung der entsprechenden Applikationen zu beauftragen. Nach einjähriger Entwicklungsarbeit legte der TU-Mann ein Softwarepaket "Fakturierung Eisen/Baustoff-Großhandel" vor, das praxisnah ist und die Besonderheiten der Branche berücksichtigt. Es gliedert sich in die Bereiche

Fakturierung mit Lieferscheinerfassung, Lieferschein-Storno, Druck der Rechnungen, Rechnungs-Storno;

Dateipflege mit Artikelstamm-, Kundenstamm-, KD-Vereinbarungen-

Neuaufnahme/Änderung/Löschung;

Management-Informationssystem mit Stammsatzabfragen, Umsatzabfragen, Statisten;

Kundenstatistik mit Kunden-, Fahrzeug-, Artikel-, Artikelgruppen-Statistik,

Riedel hielt es bei einem Realtime-System wie der MAI 400 mit Multiprogramming für notwendig, die Lieferscheinerfassung vom Druck der Rechnungen zu trennen, da sonst der Drucker während der Erfassungszeit für andere Programme blockiert würde. Nach beendeter Lieferscheinschreibung oder wenn die entsprechenden Dateien voll sind, braucht das Programm - "Drucken der Rechnungen" lediglich gestartet zu werden. Es läuft dann ohne weitere Bedienung automatisch ab unter voller Ausnutzung der Druckerleistung, wobei auch Sammelrechnungen gebildet werden können. Vor Beginn der jeweiligen Lieferschein-Erfassung wird. auf dem Bildschirm eine Hintergrundmaske aufgebaut mit den für die Erfassung erforderlichen Spalten. Sie bleibt während des gesamten Vorgangs auf dem Bildschirm erhalten und erleichtert so der Bedienungskraft die Arbeit. Die variablen Daten werden in der Maske als foreground eingegeben und am Ende eines jeden Lieferscheins gelöscht.

Umfangreiches, aber einfaches Rabattsystem

Das Erfassungsprogramm beinhaltet ein umfangreiches, aber einfach zu bedienendes System von Rabatten und Zuschlägen. Grundsätzlich können Rabatte/Zuschläge auf Menge, Gesamtmenge oder Betrag gewährt werden. Ein Zuschlag oder Rabatt ist vom Programm her möglich auf die gesamte letzte Artikelgruppe oder nur auf die letzte Artikelzeile, auf den Gesamtbetrag der Artikelgruppe oder nur auf den Gesamtbetrag der Artikel und auf jede Zeilenkombination innerhalb der Artikelgruppe

(nach vorheriger Löschung der Summenspeicher). Da auch Kombinationen der Bezugsgrößen Menge, Gesamtmenge oder Betrag möglich sind, kann selbst der schwierigste in dieser Branche auftretende Rabatt/Zuschlagsfall gelöst werden. Dies ist besonders für den Stahlhandel wichtig, bei dessen Rechnungen oft viele Artikel der gleichen Gruppe mit verschiedenen Preisen, Rabatten und Zuschlägen versehen werden.

Die große Variabilität des Programmkomplexes ergibt sich auch aus der Tatsache, daß pro Artikel bis zu drei verschiedene Preise mit bis zu drei verschiedenen Abrechnungsarten im Stammsatz gespeichert werden können, ebenso artikelbezogene Zuschläge.

Während die Auftragsbearbeitung relativ schnell "computerisiert" war, dauerte dies im Bereich der Finanzbuchhaltung wesentlich länger. Hier setzt man ebenso wie für die Lohn- und Gehaltsabrechnung Standardprogramme des Essener Softwarehauses "basic-edv" ein. Das Fibu-Programm mußte aufgrund der besonderen internen Struktur der Baustoffe GmbH stark modifiziert werden. Seine Implementierung- fiel obendrein in eine Phase starken Umsatzwachstums, das wiederum Änderungen der betrieblichen Ablauforganisation erforderlich machte. Mitte 1973 wurden die ersten Teilbereiche der Finanzbuchhaltung auf EDV umgestellt, bis 1976 dauerte es dann, bis die komplette Fibu "stand".

Durch Umsatzzuwachs und Übernahmen der Fakturierungs- und Finanzbuchhaltungsarbeiten der beiden neueröffneten Baumärkte reichte die Kapazität der mm 400 nicht mehr aus. Sie wurde daher im März 79 durch ein festplattenorientiertes System MAI 410 abgelöst. Da die 400 mit der 410 softwarekompatibel ist konnten alle Programme 1/1 umgestellt werden. Bei der neuen Konfiguration stehen im Hauptspeicher für die Anwenderprogramme 40 KB bereit, ein dritter Bildschirm kam hinzu und der Stahlbanddrucker wurde durch einen Matrixdrucker mit einer Leistung von 300 Zeilen in der Minute abgelöst. Die Festplatte hat eine Kapazität von 42 MB. Der organisatorische Spielraum des Systems reicht aus, um ein weiteres Wachstum des Unternehmens und die Übernahme neuer Aufgabengebiete bewältigen zu können.