Web

"Schreibfehler": Microsoft verrechnet sich um 965 Millionen Dollar

26.03.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Aufgrund eines "Schreibfehlers" ("clerical error") hat Microsoft in den beiden letzten Quartalsberichten eine falsche Zahl verbreitet. Wie die Gates-Company mitteilte, belief sich die Summe der noch nicht realisierten Einnahmen im ersten Geschäftsquartal (Ende: 30.September 2001) auf 1,88 Milliarden anstatt der gemeldeten 914 Millionen Dollar. Bei den "unearned revenues" handelt es sich um Rücklagen aus den Erträgen beim Softwareverkauf, die für Upgrade-Versionen, Fehlerbehebung, Gutscheine und andere Service-Aktivitäten gebildet werden. Diese Einnahmen tauchen erst dann in den Geschäftsberichten auf, wenn diese Leistungen auch erbracht worden sind.

Die Summe des neu hinzugekommenen "unearned revenue" bezifferte Microsoft statt der ausgewiesenen 1,1 Milliarden nun mit 2,07 Milliarden Dollar. Auch bei der Berechnung der Zahlen für die erste Hälfte des Fiskaljahres 2002 ergab sich daraus ein Folgefehler, da die falschen Zahlen übernommen wurde. Demnach beliefen sich die noch nicht verdienten Einnahmen zum Jahreswechsel auf 3,83 Milliarden statt 2,86 Milliarden Dollar. Die neu angefallenen "unearned revenues" stiegen von 3,84 Milliarden auf 4,79 Milliarden Dollar.

Microsoft erklärte, dass die Fehler jedoch keine Auswirkungen auf die Umsatz- und Ergebniszahlen hätten, da die Werte zwar falsch gemeldet, aber korrekt bilanziert wurden. Außerdem würden sich die beiden Fehler gegenseitig aufheben. Nach Angaben einer Sprecherin liege die berichtigte Zahl im Rahmen der früheren Finanzberichte. Dennoch wurde Investoren ein falscher Eindruck über die (zukünftige) finanzielle Situation des Unternehmens vermittelt.

Das "Wall Street Journal" hatte bereits 1999 auf die allgemeinen Gefahren dieser Bilanzierungspraxis hingewiesen. So kann Microsoft damit auch den Erfolg des operativen Geschäfts beeinflussen, indem bestimmt wird, wann ein Umsatz "verdient" ist. Damit ist das Unternehmen in der Lage, durch den Griff in die Bilanztrickkiste die Wachstumszahlen auch bei schlechter Absatzlage nach oben zu korrigieren. Die Redmonder hatten diesen für die IT-Branche eher ungewöhnlichen Wert mit der Einführung von "Windows 95" in ihre Bilanzen aufgenommen. (mb)