Gastkommentar

Schon wieder Reinkarnation?

24.03.2000
Ingo Wenzel, Vorstandsvorsitzender der DAA Systemhaus AG, Hügelsheim

Wer an Reinkarnation glaubt, könnte an unserer IT-Welt die reine Freude haben. Auch hier scheint alles schon mal dagewesen. Anfangs gab es nur die ganz großen Apparate. Sie standen betreut, geschützt und klimatisiert in ihren Rechenzentren, und alles war teuer und umständlich. Bei diesen Mainframes liefen sämtliche Fäden zusammen, ihre Geheimnisse verrieten sie den damaligen "dummen Terminals" nur zeichenweise. Doch plötzlich redete man nur noch über PCs und Client-Server. Mainframes wollte keiner mehr. Ein paar Jahre später scheint sich das Rad wieder in die Ausgangsposition zurückzudrehen. Schuld ist das Internet. Plötzlich ist alles wie früher: Die Arbeitsplatzrechner brauchen kaum eigene Intelligenz, wo sich vor kurzem noch die Highend-Applikationen drängten, reichen Bildschirmschoner und Browser völlig aus. Damit nicht genug: Application-Service-Providing (ASP) heißt das allerneueste Zauberwort. Auch diesseits des Web sollen nun die Anwendungen aus der Steckdose kommen mit der Konsequenz: Die Unternehmen verlassen sich auf den Provider wie seinerzeit auf den Zentralrechner.

Ist das die Wiedergeburt der zentralen Host-Architektur? Nur auf den ersten Blick! ASP heißt nicht Rückkehr des Mainframe, denn im Unterschied zu diesem verteilt der Application-Provider keine Rechenleistung, sondern stellt einen Service bereit. Rechenleistung, MIPS, Hardware, Software sind dem ASP-Kunden egal. Er kauft eine Dienstleistung, beispielsweise die Archivierung seiner ERP-Belege, übergibt dem Service-Provider die Dokumente und recherchiert per Browser - er muss sich weder um Systemwartung noch um das Know-how kümmern. Hatten wir die Mainframes nicht ganz anders in Erinnerung?