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Schöne neue Welt: Roboter ersetzen Menschen am Konferenztisch

28.05.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zuerst dachten wir ja, diese Meldung könne nicht ganz ernst gemeint sein. War sie dann aber doch. Hewlett-Packard (HP) möchte gerne firmeninterne Meetings ein wenig revolutionieren. Dazu hat es einen Prototypen entwickelt, der bei HP nicht als Roboter bezeichnet wird, nichtsdestotrotz einer ist. Dieses - O-Ton HP - "Surrogat" soll als Ersatz eines Menschen an Firmensitzungen und -konferenzen teilnehmen, wenn das Ebenbild aus Fleisch und Blut verhindert ist. HP sagte verbeugend, bei dem Komplementdiskutanten handle es sich um ein Forschungsprojekt und es sei noch nicht geklärt, ob es jemals zu einem marktreifen Produkt entwickelt wird.

Wie es hieß, reagieren die Forscher des kalifornischen Unternehmens mit dem Kunsthominiden unter anderem auf die mögliche Gefährdung von Reisenden durch terroristische Attacken und auf Epidemien wie SARS. Im Prinzip handelt es sich bei dem motorgetriebenen und computergesteuerten Ersatzmann um einen beweglichen Roboter, der an der Stelle des Kopfes Displays auf allen vier Seiten besitzt. Auf diesen ist der "echte" Kopf eines nicht physisch anwesenden Sitzungsteilnehmers aus den verschiedenen Ansichten zu sehen. Der von dem Roboter vertretene Mensch muss sich, damit das System funktioniert, an seinem Aufenthaltsort in einen speziell für diese Art von Fernkommunikation eingerichteten Raum befinden. Hier sind unter anderem Kameras in verschiedenen Persepktiven angebracht, die das Bild des Menschen auf die Displays des "Surrogats" transferieren. Der Mensch kann so an einer Sitzung live teilnehmen.

Der Prototyp ist auch insofern etwas skurril, als das Surrogat keine Arme besitzt, womit er also etwa nach Gegenständen greifen könnte. Eine Vorversion, die derlei Extremitäten besaß und damit sogar Basketbälle in Körbe werfen und Aufzugknöpfe drücken konnte, wurde von den wahren Menschen nicht angenommen, "sie mochten ihn nicht", sagten die HP-Forscher.

Der unmenschliche Gesprächsteilnehmer besitzt ein Gardemaß vom fünf Fuß und acht Inches, also etwa 197 Zentimeter. Er hat einen rollbaren Untersatz mit den Schaltungselementen sowie einem Stromanschluss. Bei zukünftigen Versionen, so HP, würden alle Drahtverbindungen entfernt und durch einen 802.11-Chip ersetzt, der eine drahtlose Kommunikation und Steuerung ermöglicht. Außerdem wird er Sensoren besitzen, so dass das Surrogat sich frei bewegen kann, ohne mit Hindernissen zu kollidieren.

Es wird die große Frage sein, ob HP mit dieser Entwicklung irgend etwas anderes als eine kurze Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzielen kann. Firmen, die bislang auf Videokonferenzen setzen, müssten sich nicht nur Räume einrichten, in denen der "echte" Mensch physisch anwesend sein muss, um dort von Kameras erfasst zu werden, die dann das Bild des Mitarbeiters auf die Displays des Roberts senden. Außerdem muss natürlich an jedem gewünschten Standort mindestens ein Surrogat einsatzbereit sein. Die Kosten für solch einen Aufwand wollte HP wegen des frühen Stadiums des Forschungsprojekts noch nicht beziffern. Es dürfte aber klar sein, dass mit dem künstlichen Gesprächsteilnehmer keine Einsparungen zu realisieren sind. Ob darüber hinaus ein armloser Plastikdiskutant als Gesprächspartner an den Konferenztischen deutscher Unternehmen ein Gewinn ist, müsste erst noch bewiesen werden. (jm)