Erneut Skandal um geheime Regierungs-Datenbank

Schnüffelei der US-Steuerbehörden

25.07.1975

WASHINGTON - Bis zur Klatsch-Kolumne über eine Hochzeit und

Dossiers über das sexuelle \/erhalten einzelner Bürger reichten

die Informationen, die die US-Steuerbehörde "lnternal Revenue

Service" (IRS) von Mai 73 bis Januar 75 gesammelt hat. Das "lntelligence Gathering and Retrieval System" (IGRS) genannte EDV-Auskunftsverfahren war 1972 testweise in Jacksonville (Fla), danach noch in New York City, Chicago, Los Angeles und Miami installiert worden. Es sollte - so ein jetzt veröffentlichter Regierungsbericht - Informationen über Finanz-Transaktionen mit möglichen steuerlichen Konsequenzen und über illegale Aktivitäten aufnehmen, aus denen unversteuerte Einkünfte resultieren können.

Intormationen aus dem Zeitungsarchiv

Inzwischen wurde die Informations-Sammelei gestoppt. Es zeigte sich, daß die Datenbank für Fundstellen zu über drei Vierteln auf Zeitungsartikel verwies. "Zahlreiche Dokumente erfüllten nicht die Kriterien einer Geldtransaktion oder illegaler Tätigkeiten mit steuerlichen Konsequenzen" stellten die Prüfer fest. "Viele Details waren von zweifelhaftem Wert für

Steuerprüfungen." Unzureichende Sorgfalt bei der Datenerfassung hatte außerdem dazu geführt, daß das System zahlreiche Senatoren und andere Prominente nur deswegen verzeichnete, weil ihre Namen in demselben Zeitungsartikel erwähnt waren, der sich auf die eigentlich gemeinte Person bezog. IGRS-lnformationen wurden zwar nicht direkt an Polizeibehörden wie CIA oder FBI weitergegeben - es gab aber Datentausch mit Regierungsstellen, die sich mit Rauschgiftbekämpfung oder Streiks befassen.

Unterschlagungen oder Diebstählen kommt die Polizei häufig dadurch auf die Spur, daß jemand plötzlich mehr Geld ausgibt, als er eigentlich haben könnte. Das "schwarze Geld" in der Schweiz sieht selten ein Finanzbeamter - das davon gekaufte Ferienhaus irgendeines Playboys kann aber durchaus in einer Illustrierten abgebildet sein. Wer aber Zeitungsausschnitte und andere Veröffentlichungen sammelt, sie mit Polizeiberichten und Steuererklärungen vergleicht und für das ganze noch einen Computer benutzt, macht sich selbst verdächtig. Dabei sind es oft dieselben, die heute einerseits besseren Datenschutz und morgen andererseits neue Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und andere Formen der White-Collar-Kriminalität fordern. In diesem Konflikt zwischen Interessen der Strafverfolgung zugunsten größerer Steuergerechtigkeit einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits muß es zu einer Nutzanabwägung kommen.

Ein Kompromiß sollte gefunden werden - aber vorerst ist alles falsch, was man tut oder nicht tut. Selbst wenn es sich nur um einen Test handelt. -py