BMFT will Datenverarbeitungs-Einstiegsschwelle deutlich senken

Schnittstellenpolitik: Chancengleichheit für Kleinanwender

25.07.1980

BONN (bi) - Nach einer Studie des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, BMFT, zeichnet sich der deutsche Datenkommunikationsmarkt durch starke Wachstumsraten aus, stärkere als in England und Japan. Die BMFT-Schrift, die sich an die Antragsteller auf Fördermittel des Bundes für den Bereich Datenkommunikation richtet, stützt sich auf Angaben der Diebold-Statistik und des IDC-Datacomm Advisor. Die gute Startposition zu nutzen, die günstige Entwicklung zu stützen und gleichzeitig die Hersteller-Abhängigkeit der Anwender zu mindern, ist Zweck der Fördermittel aus dem für den Zeitraum 1980/83 geplanten Programm "Informationstechnik" - in Summa 60 bis 80 Millionen Mark. Ein erster Schritt in Richtung "mehr Freiheit vom Hersteller" wurde mit der Festlegung auf "Einheitliche Höhere Kommunikationsprotokolle (EHPK)" kürzlich vom Bundesministerium des Inneren gemacht (vergleiche CW Nr. 29, Seite 2). Wie es nun weitergehen soll, das sieht das BMFT wie folgt.

Die Zieldefinitionen lassen sich durchweg unter dem Stichwort "Vermeidung von Abhängigkeiten" zusammenfassen. Dazu ist im einzelnen anzustreben:

Im Datenverarbeitungs- beziehungsweise Datenkommunikations-Systembereich müssen offene Kommunikationssysteme mit standardisierten Protokollen und Schnittstellen zum freien Verbund von Geräten verschiedener Hersteller realisiert werden. Nur so können Endgerätehersteller und Kleinrechnerhersteller langfristig am nationalen und internationalen Datenverarbeitungs-Markt partizipieren. Besonders wichtig ist eine internationale Konsensbildung über die Einbettung der Büroautomation und Rechner-Kommunikation in ein einheitliches Kommunikationskonzept, das keinen Unterschied zwischen Textkommunikation (bisher Bürobereich) und Datenkommunikation (bisher Datenverarbeitungsbereich) macht.

Kein Unterschied zwischen Text- und Datenkommunikation

Da die internationale Normung der ISO-Schichten 4 bis 7 und deren Realisierung nach unserer Schätzung noch fünf bis zehn Jahre beanspruchen wird, wird angestrebt, in der Bundesrepublik auf der Grundlage der Dateldienste der Deutschen Bundespost Anwendungsprojekte mit einem einheitlichen Protokollsatz für die oberen ISO-Schichten zu realisieren, um die Praktikabilität offener Rechnernetze zu demonstrieren.

Natürlich sollen die Pilotprojekte auch dazu beitragen, das Grundlagenwissen über Rechnernetze (Entwicklung, Aufbau, Betrieb, Adaption) in der Bundesrepublik Deutschland aufzuarbeiten und zu verteilen - an derart spezialisierten Datenverarbeitungs-Fachkräften besteht ein großer Nachholbedarf.

Die Standardisierung soll dazu beitragen, daß Massenprodukte die Datenverarbeitungs-Einstiegsschwelle für Kleinanwender deutlich absenken (Chancengleichheit mit Großanwendern, die sich geschlossene Rechnernetze leisten können). Dabei ist es noch erforderlich, daß die für einen Datenverarbeitungs-Masseneinsatz notwendigen einfachen Abfragesprachen geschaffen werden und daß durch Verstärkung der Benutzerfreundlichkeit psychologische Schranken für den Datenverarbeitungs-Einsatz abgebaut werden.

Offene Kommunikationssysteme sollen auch der bei geschlossenen Rechnernetzen zu beobachtenden verstärkten Bindung der Datenverarbeitungsanwender an das Hardware- und Softwareangebot der großen Systemhersteller entgegenwirken. Besonders wichtig ist es, der sich abzeichnenden neuen Abhängigkeit der Datenverarbeitungs-Anwender von Datenverarbeitungs-Großherstellern als Anbieter von Datenverarbeitungssystemen und -serviceleistungen mit einer Verlagerung von Informationsbeständen ins Ausland und einer Marktverdrängung deutscher Serviceunternehmer entgegenzuwirken.

Die bisher weitgehend technisch orientierten Ziele (freier Geräteverbund) sind nur sinnvoll, wenn parallel ein frei zugängliches privates und öffentliches Datenverarbeitungs-Dienstleistungsangebot aufgebaut wird. Dienstleistungsunternehmen zur Entwicklung und kundenindividuellen Anpassung von Standardprodukten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Korrektur unerwünschter Entwicklungen

Die Förderungspolitik der Bundesregierung muß sich auf solche Maßnahmen konzentrieren, die der Korrektur von unerwünschten Entwicklungen dienen, soweit dies nicht durch die Marktkräfte allein erreicht werden kann und die der Überwindung von Strukturschwächen in zielkonformen Industriezweigen dienen. Sie muß die Entwicklung von Systemeigenschaften fördern, welche nicht allein durch den Rationalisierungseffekt beim Systemeinsatz bestimmt sind, sondern die die Interessen der benutzenden und betroffenen Personengruppen berücksichtigen.

Die Förderungsvorhaben in der Industrie werden in der Regel mit einem 50prozentigen Anteil bezuschußt.

Förderungsvorhaben im öffentlichen Bereich erhalten 50 bis hundertprozentige Zuschüsse. Wegen des übergreifenden Charakters der Datenkommunikation sollen vorwiegend solche Vorhaben gefördert werden, die von Datenverarbeitungs-Herstellern oder Systemhäusern und Anwendern oder wissenschaftlichen Gruppen gemeinsam durchgeführt werden, wobei jede Gruppe eine Teilaufgabe übernimmt, für die sie besonders geeignet ist - also beispielsweise Grundlagenarbeiten von Hochschulen, Entwicklung, Implementierung und Wartung von Herstellern oder Systemhäusern.

Informationen für Antragsteller sind erhältlich beim Projektträger des BMFT für den Bereich Datenkommunikation, der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH, Abteilung für Projektmanagement, Postfach 1240, 5205 St. Augustin 1.

Acht Förderziele auf einen Streich *

- Unterstützung der herstellerübergreifenden technischen Konsensbildung für Protokolle und Schnittstellen von offenen Systemen, insbesondere auch unter Einbindung von kleinen und mittleren Unternehmen.

- Unterstützung des Aufbaus offener Kommunikationssysteme für dezentrale Anwendungen im Bereich der Wirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung, soweit es um die Piloterprobung neuer Datenübertragungstechniken und neuer öffentlicher Datenübertragungsdienstleistungen geht

- Pilotprojekte im Bereich offener Kommunikationssysteme, um derzeitigen und kommenden Standardisierungsvorschlägen für höhere Protokolle zum Tragen zu verhelfen. Entwicklung von Standards zwecks Übernahme in die Vereinheitlichungsbemühungen des Bundesministers des Innern

- Pilotprojekte im Bereich offener Kommunikationssysteme zur Ausnutzung und Anwendung der neuen Kommunikationsdienste der Deutschen Bundespost bei Integration in ein einheitliches Konzept. Entwicklung von Systemdiensten oberhalb des derzeitigen Funktionsumfangs von DATEX-P (X.25, PADs), die gegebenenfalls von der Deutschen Bundespost übernommen werden können, Einbeziehung von Pilotprojekten mit Sprachübertragung

- Kooperationsprojekte auf dem Gebiet der Datenkommunikation mit internationalen Partnern, insbesondere solchen mit Satellitenübertragungen (Hochgeschwindigkeitsprotokolle)

- Einsatz programmierbarer und damit multifunktionaler Terminalcomputer, die als Basis-Systemleistung herstellerneutrale kompatible Kommunikationsprotokolle unterstützen und per höhere Anwendungsprogrammiersprache zugänglich machen

- Unterstützung von Pilotprojekten zur Öffnung geschlossener Herstellersysteme für spezielle Funktionen

- Direkte Kopplung von Rechnern verschiedener Struktur, soweit ISO-Spezifikationen oberhalb der Transportebene eingehalten werden, private Datenvermittlungs- und Datenübertragungsnebenstellenanlagen.

* Tangierende Aktivitäten laufen in anderen Bereichen des Förderprogramms Informationstechnik