Schmutzige Waesche zwischen PC-Anbietern Topmanager von Compaq greift Packard Bell in scharfer Form an

30.06.1995

MUENCHEN (CW) - Kopfschuetteln herrscht in der PC-Industrie ueber die verbalen Ausfaelle eines hochrangigen Compaq-Managers gegen Packard Bell.

Ross Cooley, Compaqs Senior Vice-President Nordamerika, aeusserte sich auf der PC-Expo in New York in scharfem Ton ueber den besonders in den USA erfolgreichen Mitbewerber.

Cooley schoss sich insbesondere auf Packard Bells CEO Beny Alagem ein: Dieser habe es bislang nicht geschafft, Packard Bell an die Boerse zu fuehren. Grund hierfuer sei die Skepsis potentieller Investoren. Diese fuerchteten naemlich, so Cooley, Alagem und seine Topmanager wuerden sich, sobald ueber Aktionaere Geld in das Unternehmen floesse, aus diesem zurueckziehen: "Was dann noch von Packard Bell uebrigbleibt", schmaehte Cooley, "ist nicht mehr als einige mexikanische Fabrikationsstaetten und vier chinesische Ingenieure."

Ausserdem habe man alle problematischen Elemente von Alagems Geschaeftsmodell analysiert. Dabei, so Cooley, "haben wir herausgefunden, dass er die Preise fuer seine PCs anheben muss". Mit Verweis auf zwei von Compaq angestrengte Gerichtsverfahren sagte der Compaq-Manager, solche juristischen Streitigkeiten wirkten sich eher unguenstig aus. Er bezog sich dabei auf die duenne Gewinnspanne von Packard Bell.

Mit einer der beiden Klagen wollen die Texaner dem PC-Aufsteiger der vergangenen Monate nachweisen, dieser habe Patentrechte von Compaq verletzt. Mit dem zweiten Gerichtsgang moechte Compaq belegen, dass die Kalifornier aus Westlake Village gebrauchte Computerkomponenten in ihren PCs einsetzen, dies aber den Kaeufern verschweigen.

Packard Bell stark bei Multimedia-PCs

Cooleys Bemerkungen entbehren nicht eines gewissen Reizes: Nicht nur konnte sich Packard Bell im ersten Quartal 1995 in den USA an die Spitze der PC-Anbieter setzen. Weltweit steigerte das Unternehmen 1994 seine PC-Absatzzahlen um 103 Prozent - weit mehr als jeder andere Wettbewerber inklusive Compaq. Mit 4,7 Prozent Anteil an den globalen PC-Verkaeufen 1994 liegt Packard Bell allerdings noch weit hinter Compaq (zehn Prozent) oder IBM (8,7 Prozent).

Insgesamt setzte Packard Bell im vergangenen Jahr rund drei Milliarden Dollar um. Auf diesen Umstand hob auch der Vice- President fuer Marketing-Aufgaben, Mal Ransom, ab. Es sei unwichtig, dass Cooley glaube, Packard Bell sei auf eine Person wie Alagam zugeschnitten: "Tatsaechlich reden wir ueber ein Unternehmen, das sehr gross und sehr stark geworden ist. An diesem Erfolg haben eine Menge Personen Anteil."

Industrieanalysten aeusserten sich irritiert ueber die Spitzen des Compaq-Mannes. Zwar sei das PC-Geschaeft nichts fuer Zartbesaitete. Die Kaempfe spielten sich aber gewoehnlich im Markt und nicht in oeffentlichen Auseinandersetzungen waehrend einer Messe ab.

Die heftige Attacke scheint denn auch eher Ausdruck von Compaqs Nervositaet ueber den heranwachsenden Konkurrenten zu sein. Dieser hatte vor allem im Consumer-Bereich mit Multimedia-PCs ordentlich abgeraeumt: Weltweit liegt Packard Bell hinter Apple in dem geradezu explodierenden Marktsegment der Multimedia-Systeme an zweiter Stelle, in den USA allerdings mit einem Marktanteil von 24,3 Prozent bereits vor Apple (20,5) und weit vor dem Dritten Compaq (11,9).

Compaq hatte nach Ansicht von Gartner-Group-Analyst Jonathan Yarmis den Consumer-Markt zunaechst unterschaetzt. So brachten die Texaner Ende 1994 vor allem PCs auf den Markt, die noch mit 486- statt mit leistungsstaerkeren Pentium-Prozessoren ausgestattet waren. Grund fuer diese Taktik waren offensichtlich riesige Lagerbestaende von 486-PCs. Insider warfen deshalb Compaq-CEO Pfeiffer vor, er habe die Nachfrage an Pentium-Klasse-PCs weit unterschaetzt.