Mit Ausnahme des Wertpapierbereichs änderte Siemens die Kordoba-Software

Schmidt Bank: Kein Zeitverzug durch die Quellensteuer

10.03.1989

Die Einführung der Quellensteuer ging bei der Schmidt Bank nach eigenen Angaben glatt über die Bühne. In Verzug geriet man hier nur insofern, als daß der Gesetzgeber einige der geplanten Modifizierungen nachträglich wieder über den Haufen warf. Den Löwenanteil des Umstellungs-Aufwands übernahm bei dem Hofer Geldinstitut die Münchner Siemens AG, indem sie die relevanten Teile der dort installierten Kordoba-Software umstrickte. Um die Wünsche der Anwender besser berücksichtigen zu können, wurde im Sommer 1988 zusätzlich ein Kordoba-Anwenderkreis ins Leben gerufen. Über das Timing im Zusammenhang mit der Einführung der Quellensteuer, die Koordinierung der notwendigen Schritte und den von der Schmidt Bank geleisteten Eigenanteil sprach CW-Redakteurin Stefanie Schopenhauer mit Heinz Kuraszkiewicz, Leiter der Organisations- und EDV-Abteilung der Schmidt Bank, Zentrale Hof.

- Durch die Einführung der Quellensteuer ist es vorübergehend vielleicht nicht ganz einfach, den Bankbetrieb in der gewohnten Art und Weise aufrechtzuerhalten. Konnten Sie sich in Ihrer Bank bereits auf die neue Situation einstellen?

Vom Gesetzgeber wurden aus der Sicht der programmtechnischen Umsetzung nur grobe Anforderungen formuliert. Die ganze Quellensteuer-Thematik stand auf ganz schwacher - sich ständig ändernder Basis. Es gab keine Durchführungsverordnungen, ja teilweise fehlen sie heute noch. Ein Beispiel für solche offenen Punkte: Es war unklar, ob die Quellensteuer vor oder nach Abzug der Vorschußzinsen zu rechnen ist.

Der Bankbetrieb mußte aber auf jeden Fall ohne Störungen weitergehen. Das sind wir unseren Kunden schuldig, und dies konnte gewährleistet werden. Ein, wenn Sie so wollen, brenzliger Punkt ist natürlich die Beratung: Oft kommen uninformierte Kunden; manchmal schimpfen sie auch auf uns und den Gesetzgeber. Hier haben wir durch Schulungsmaßnahmen die Angestellten in die Lage versetzt, den Kunden Rede und Antwort stehen zu können. Das ist allerdings bei der großen Anzahl von Mitarbeitern, die wir haben, zur Zeit noch nicht ganz reibungslos möglich.

- Es gibt ja mehrere Möglichkeiten, die durch die Quellensteuer bedingten Umstellungsprobleme in den Griff zu bekommen. Wie sind Sie diese Probleme angegangen?

Zunächst wurden die gesetzlichen Vorgaben - soweit vorhanden - in einem Pflichtenheft konkretisiert. Die Kordoba-Anwendervereinigung hat deshalb bereits im Sommer 1988 den Arbeitskreis "Quellensteuer" ins Leben gerufen, der mit acht Teilnehmern aus verschiedensten Instituten der Kreditwirtschaft zusammen mit dem Siemens-Fachzentrum Kordoba exakte Definitionen und Vorgaben zur Realisierung erarbeitet hat, soweit dies zu dem jeweiligen Zeitpunkt überhaupt möglich war. Oftmals brachten die laufenden Diskussionen zwischen den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft und dem Finanzausschuß des Bundestages täglich neue Erkenntnisse.

- Inwieweit erleichtert nun die Entscheidung für die Lösung eines Herstellers das Vorgehen im Rahmen einer Umstellung, wie sie bei der Einführung der Quellensteuer notwendig wird ?

Schon vor acht Jahren fiel die Wahl auf das Siemens-Bankenpaket Kordoba und damals haben wir einen Wartungsvertrag abgeschlossen, um Risiken vorzubeugen. Er verpflichtet den Hersteller, alle gesetzlichen Änderungen fristgerecht und unentgeltlich zu liefern. Bei der Entscheidung für dieses Standardsystem zeichnete sich natürlich noch nicht ab, daß irgendwann mal so ein großer Brocken wie die Quellensteuer auf uns zukommt, aber im nachhinein betrachtet ist die von uns getroffene Entscheidung bestätigt worden.

Hauptsächlich deswegen, weil wir die besonders umfangreichen Änderungen durch die Quellensteuer kostenlos geliefert bekommen, ohne uns um DV-technische Lösungen zu kümmern.

- Wie sah die weitere zeitliche und organisatorische Koordinierung aus?

Die programmtechnische Realisierung der Quellensteuer-Anforderungen durch den Hersteller erfolgte in mehreren Stufen: Im September 1988 wurde die bestehende Datenbasis erweitert und die für die Quellensteuer notwendigen Felder eingerichtet. Hinzugekommen ist das Feld "Art der Steuerbescheinigung" mit den Kriterien Einzelsteuerbescheinigung und Jahressteuerbescheinigung.

Auch mußte die Information über das Vorliegen der NV-Bescheinigung (Nichtveranlagungs-Bescheinigung) in das Kordoba-Grundsystem übernommen werden. Alle betroffenen Programme und Module waren Mitte November verfügbar, somit hatte die Bank die Möglichkeit, die institutsspezifischen Änderungen einzuarbeiten. Dabei handelt es sich um eigene Änderungen des Standards, zum Beispiel um den von der Norm abweichenden Kontoauszug. Für diese Modifikationen gibt es fertige Änderungsstrings, die jeweils in die betreffenden Programme eingespielt werden.

An die Übergabe der Software schloß sich eine umfangreiche Testphase an, da unter den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeitbedingungen eine Pilotierung nicht möglich war. Es ist eigentlich üblich, daß eine neue Kordoba-Version vor der allgemeinen Freigabe zuerst bei einem Pilotkunden im Praxiseinsatz erprobt wird.

Sofort nach Auslieferung der geänderten und ergänzten Programme wurde für sämtliche Kordoba-Bankkunden im Inland auch eine Hotline eingerichtet, um die sonst in Pilotierungsphasen durchzuführenden Maßnahmen ohne jeden Zeitverzug in Angriff zu nehmen. Es ging dabei um die Fehleraufnahme/-Protokollierung sowie die sofortige Benachrichtigung anderer betroffener Kunden über das Vorhandensein des jeweiligen Fehlers - Bereinigung des Fehlers und die Rückmeldung des neuen Codings an die Anwender via Telefax.

- Zusätzlich gibt es Ja trotz er am Markt vorhandenen Standard-Lösungen Bereiche, für die der Anwender "selber geradestehen" muß.

Ja. Bei vielen Banken treten auch Eigenentwicklungen neben die Leistungen des Herstellers. Wenn einem Institut beziehungsweise einer Bank bestimmte Funktionen im Rahmen einer Standardsoftware fehlen und sie diese durch eigene Lösungen erfüllt, entfernt sich dieser Anwender unter Umständen vom Standard und muß mit einem erhöhten Aufwand bei nachträglichen Umstellungen rechnen. Vorhaben wie die Quellensteuer haben gezeigt, daß es besser ist, näher an der Norm zu bleiben.

Nichtsdestotrotz gibt es bei der Schmidt Bank ein Aufgabengebiet - nämlich den Effekten-Bereich - für den die Software in eigener Regie entwickelt wurde. Die hierfür vorgesehenen Programme wurden vor elf Jahren geschrieben. Eine Standardlösung, wie sie heute Kordoba-Effekten bietet, gab es damals nicht am Markt. Wir planten zwar einen Übergang, aber die Quellensteuer ist so gesehen für uns etwas zu spät gekommen.

Um die Umstellung hausintern zeitlich und organisatorisch zu koordinieren, wurden zwei "Stäbe" gebildet. Die Arbeitsgruppe Information mit thematischem Schwerpunkt Schulungsufgaben setzte sich aus Mitarbeitern der Steuerabteilung und der Fachbereiche (Anlage- und Wertpapierbereich) zusammen, die eine Kundeninformation und ein Schulungskonzept entwickelten. Das zweite Team befaßt sich ausschließlich mit dem Gebiet Wertpapiere. Hier arbeiteten zwei Programmierer und ein Mitarbeiter aus der Depotabteilung. Letztere Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit erst im September begonnener verursacht durch die ständigen Änderungen an der Quellensteuer selber. Im Oktober wurde dann mit den Änderungen in den Programmen für Zinsgutschriften auf festverzinsliche Wertpapiere und Investment begonnen.

Die in Assembler geschriebene Software arbeitet mit ISAM- beziehungsweise DAM-Dateien. Die Erweiterungen bedurften keinerlei Veränderung der bestehen-

den Software.

Neue Akzentuierungen ergaben sich auch im Bereich Wertpapierabrechnung, bei der Abwicklung der Kaufund Verkaufsaufträge. Dies zum einen deswegen, weil ja die Einführung der Quellensteuer auf Stückzinsen geplant war. Wir haben das dann im Endeffekt aber Gott sei Dank nicht geändert, da diese Vorgabe nachträglich widerrufen wurde. Für Siemens hingegen wurden durch das Hin und Her im Wertpapierbereich auf Seiten des Gesetzgebers die Mühen der vorbereitenden Maßnahmen zunichte gemacht: Bereits fertig programmierte Komponenten mußten wieder aus den Programmen herausgenommen werden.

- Können Sie vielleicht noch weitere Beispiele aus dem Effekten-Bereich herausgreifen, um den eigenen Aufwand besser zu illustrieren ?

Ein Beispiel wären die Minusstückzinsen. Hier mußten wir besonders schnell handeln. Wenn beispielsweise eine Anleihe vor dem ersten Coupon-Termin , gekauft wird, dann fallen Minusstückzinsen an. Der Kunde muß weniger zahlen für das Papier, er bekommt ja Zinsen vom Kauftag bis zum eigentlichen Beginn des Zinslaufs.

Dieser Anteil, also sozusagen vor Laufzeitbeginn oder offiziellen Zahlungsbeginn, ist quellensteuerpflichtig, und derartige Fälle berücksichtigen heute unsere Programme auch.

Ein anderer Fall im Wertpapierbereich, der Softwaremodifikationen nach sich zog, sind die Bundesschatzbriefe. Sie sind quellensteuerfrei, wenn sie bis Ende Dezember 1988 fällig wurden. Künftig muß die Gutschrift für den Kunden bei Fälligkeit in einen quellensteuerfreien und in einen quellensteuerpflichtigen Zinsertrag aufgeteilt werden.

Wir hatten nun das Glück, das unsere schon elf Jahre alten Wertpapierprogramme recht modular und in weiser Voraussicht auf die kommenden Änderungspflichten aufgebaut sind. Die Änderungen fielen uns darum nicht besonders schwer. Im Ergebnis war die Umstellung viel einfacher als wir eigentlich befürchtet hatten. Bei anderen Banken war der Aufwand mitunter wesentlich größer. Es gibt ja Wertpapierprogramme, die sind schon 15 Jahre alt und wurden möglicherweise sehr verschachtelt aufgebaut. Dadurch ist natürlich das Risiko, diese teilweise umfangreichen Änderungen einzubauen und dadurch wieder Fehler auszulösen und zwar in anderen, nicht betroffenen Bereichen, natürlich groß.

- Durch die Modifikation der Software werden ja vielleicht auch neue Akzente in der Hardwarelandschaft gesetzt. Oder die Benutzeroberfläche verändert sich.

Die Dinge, die von der Quellensteuer betroffen sind, wickeln sich im Hintergrund ab. Bei uns läuft das heute auf den Großrechnern, in der Regel über die Stapelverarbeitung, weil Sparzinsgutschriften im Stapel irgendwann am Jahresende abgewickelt werden. Davon spürt der Benutzer draußen gar nichts. Lediglich das Listenbild hat sich verändert, weil nun ein Ausweis der Kapitalertragssteuer erfolgt.

Der Online-Betrieb und die Benutzeroberfläche sind insoweit betroffen, als zum Beispiel bei der Sparkonto-Auflösung der Kunde eben diesen Wunsch am Schalter vorbringt. Auf dem Bildschirm erscheint in diesem Falle lediglich ein zusätzliches Feld mit einer Angabe darüber, ob der Kunde eine Einzelsteuerbescheinigung will oder nicht. Grundsätzlich ist es ja so, daß die Bank für diese abgezogene Steuer eine Bescheinigung ausstellen muß.

Auf der Hardware-Seite hat sich auch wenig geändert. So mußte der Hauptspeicher der Großrechner deswegen nicht verändert werden. Bei den Plattenspeichern hingegen ist ein gewisser Bedarf vorhanden, da wir im Zuge der Quellensteuer eine zentrale Erträgnisdatei einführen. Hier fließen aus allen Sparten der Bank die Zahlungen ein, egal ob mit Steuer oder ohne oder mit Vorliegen der NV-Bescheinigung. Und diese Datei hinwiederum bildet die Basis für diverse Auswertungen, so zum Beispiel Steuerbescheinigungen. Da kann zusätzlicher Plattenspeicherbedarf entstehen. Wie groß der ist, kann ich jetzt noch nicht sagen.

- Wie steht es mit der Kostenfrage? Ist da eine Lawine auf Sie zugekommen oder wurde hier der Anbieter mehr zur Kasse gebeten?

Kosten sind in jedem Fall auch in der Bank entstanden, unabhängig davon, ob sie jetzt die Software von einem Hersteller inklusive der jeweiligen Änderung und damit aus einer Hand bezieht. Die Programmzusätze müssen in das bestehende System einbezogen und getestet werden. Uns haben die Ergänzungen und Anpassungen rund 350000 Mark gekostet. Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn jemand ausschließlich eigene Programme hat. Eine solche Bank hat die Quellensteuerveränderungen mit ihrer ganzen Wucht getroffen.