Das Selbstbild der IT

Schluss mit den Minderwertigkeitskomplexen

17.02.2009
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Wenn Business und IT nicht harmonieren, muss das nicht die Schuld der IT sein, so Rainer Janßen, CIO der Münchener Rück.
Rainer Janßen
Rainer Janßen

Sein Wappentier sei die eierlegende Wollmilchsau, verriet Janßen kürzlich der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation "CIO": Ein ITler müsse das Business und die Technik verstehen, Services und Projekte managen, alles effizient, preiswert und schnell erledigen sowie freundlich und kommunikativ gegenüber dem Business sein. Dass dieses Ideal so gut wie unerreichbar ist und warum die IT daran wenig Schuld trägt, verriet der Leiter des Zentralbereichs Information bei der Münchener Rück auf den "Hamburger IT-Strategietagen", die COMPUTERWOCHE und "CIO" auch in diesem Jahr wieder zusammen mit Hamburg@Work und dem Medienpartner "Financial Times Deutschland" veranstalteten.

Abrechnung mit inhaltsleeren Schlagworten

Janßens Vortrag geriet zu einer Abrechnung mit inhaltsleeren Schlagworten der IT, der Arroganz auf der Business- und der Larmoyanz auf der IT-Seite. Hier die sieben wichtigsten Punkte:

  1. Business-IT-Alignment: Seine Partner auf der Business-Seite fasste der wortgewaltige IT-Manager keineswegs mit Samthandschuhen an. "Wir sprechen in immer wieder neuen Varianten über Business-IT-Alignment", konstatierte er, "aber es gibt nicht viele Unternehmen, die eine so klare Business-Strategie haben, dass wir eine IT-Strategie daraus ableiten könnten."

  2. Die Rolle des CIO: Doch auch die CIO-Kollegen bekamen ihr Fett ab. Seit Jahren werde über die Rolle des CIO geschrieben, beispielsweise über die Wandlung des IT-Chefs zum Chief Efficiency Officer, zum Chief Innovation Officer oder zum obersten Risiko-Manager, schimpfte Janßen: "Irgendwann muss doch die Selbstfindung einmal abgeschlossen sein!"

  3. Die Sprache des Business sprechen: Er könne nur noch müde lächeln, wenn er wieder einmal höre, die IT müsse die Sprache des Business lernen, deutete der Münchener-Rück-CIO und amtierende "CIO des Jahres" an: "Wir sprechen nicht nur eine, sondern mindestens zehn Sprachen des Business." Ein Finanzvorstand rede und verstehe nun einmal anders als der Produktionsleiter oder der Marketing-Chef. "Unser Problem ist nicht, dass wir eine andere Sprache sprechen, sondern dass sich das Business so oft die Ohren zuhält."

  4. Weinerlichkeit der CIO-Community: Auf den einschlägigen IT-Konferenzen trete es immer wieder zutage: IT-Manager neigten dazu, sich unverstanden und unterschätzt zu fühlen, hat Janßen beobachtet: "Können Sie sich vorstellen, dass auf einem Controller-Treffen eine derartige Larmoyanz herrscht?", fragte er das Auditorium.

  5. Programmierte Misserfolge: Tatsächlich würden der IT immer wieder ihre gescheiterten Projekte vorgehalten, entrüstete sich der erfahrene IT-Manager. Aber dann sei es am CIO, klarzumachen, weshalb die Vorhaben gegen die Wand gefahren würden: "Weil das Business nicht die besten Leute für die Projekte abstellt, sondern diejenigen, die man sich nicht traut zum Kunden zu schicken." Zudem ständen viele Systeme, die korrekt implementiert wurden, ungenutzt herum, "denn die Business-Leute, die sie bestellt haben, können sie anschließend nicht durchsetzen". Ein gutes Beispiel dafür seien zentrale Kundendatenbanken.

  6. Der Powerpoint-Nebel: Wenn IT und Business aneinander vorbeireden, ist daran oft der exzessive Gebrauch des Manager-Spielzeugs Powerpoint schuld, weiß Janßen: "Powerpoint-Folien sind nun einmal interpretierbar." Sein Vorschlag: Besser sollte man wichtige Ergebnisse im Textverarbeitungssystem Word dokumentieren: "Da müssen Sie konkreter werden."

  7. Freiwillig Mädchen für alles: "Wir versuchen, immer mehr Funktionen zu übernehmen", bekannte Janßen. Mittlerweile reiche das Portfolio der CIO-Aufgaben vom Prozess-Management bis zur Effizienzverantwortung. Das könne eigentlich nicht lange gut gehen: "Wenn etwas nicht getan wird, übernimm es nicht, sondern klage es ein", riet der IT-Chef der Münchener Rück seinen Zuhören. Dass viele CIOs relativ häufig ihre Job wechselten (siehe "Drei Jahre - so lange hält sich ein IT-Chef"), liege zum großen Teil daran, dass sie Aufgaben erledigen wollten, die sie nicht beherrschten: "Nicht jeder ist für jeden Job geeignet; ein Requirements Engineer muss kommunikationsfähig sein, ein Projektleiter etwas von einem Wadlbeißer haben und ein Tester über destruktive Intelligenz verfügen. Diese Eigenschaften finden Sie nicht alle in einer Person."